Noch länger kann und will ich mir nichts vormachen

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30.11.2017 12:23
avatar  Sophie
#21
So

@ratlos
Ein Vollzeitjob kann sehr an der Kraft zehren. Die Männer haben in der Regel noch ihre Frau, die ihnen hinterher räumt. Als Frau hast du noch den Haushalt an der Backe.
Mal so eben eine Viertelstunde am Morgen kannste knicken.

Mein Tagesablauf sah für die letzten 10 Jahre so aus: 5 Uhr wecken, duschen, Frühstück (und schnell abspülen), ab 6 Uhr zu den Schwiegerletern, denen beim Aufstehen, Waschen, Anziehen und Frühstück helfen. Das hat zwar hauptsächlich mein Mann gemacht, aber ich musste mitkommen und helfen. Dann 1 Stunde Fahrt zur Arbeit, 8-9 Stunden nervenzehrender Job (oft ohne Pause, aber welchen Arbeitgeber schert schon das Arbeitszeitgesetz?), wieder 1-2 Stunden Fahrt (jetzt mit Stau), bei den Schwiegereltern vorbei, Abendessen vorbereiten, nach Hause, ein Butterbrot essen, wieder zu den Schwiegereltern, die bettfertig machen, nach Hause, das Allernotdürftigste im Haushalt (Klo putzen zum Beispiel), duschen, ins Bett um 22 Uhr. Manchmal klingelte nachts das Telefon, "De Mamme ischt hiigfalle, kannscht komme?" Regelmäßig war irgendwas. Wir haben schon Panikattacken bekommen, wenn das Telefon klingelte. Am Wochende: am Haus renovieren, Wäsche waschen für uns und die Alten... Immer mal wieder Arztbesuche, Warten in der Notaufnahme, Krankenhausbesuche.... Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. 1997 haben wir das letzte Mal Urlaub gemacht.

Wir sind beide hochqualifizierte Fachkräfte, unter 45 Stunden Arbeitszeit pro Woche ging da gar nichts. Dazu 1 bis 2 Stunden einfache Pendelfahrt, je nach Stau. Zwei Haushalte, dazu die emotionale Belastung durch die Pflege. keinerlei Verständnis und Unterstützung durch die Kollegen, wenn man mal Nerven zeigt. Gewisse Kollegen haben das ausgenutzt, um mich anzuschwärzen, bösartige Gerüchte zu verbreiten, Unterlagen verschwinden zu lassen - die XY macht ständig Fehler, nicht tragbar! - Ich stand zuletzt mit dem Wagen mit laufendem Motor in der Garage und konnte nicht mehr. Leider oder Gottseidank bescheißt Mazda nicht bei den Abgasen, und die Garage ist nicht dicht.

Das Chaos hat sich bei uns über die Jahre schleichend ausgebreitet, bis ich vor ein paar Monaten da stand und wie bei jemand Fremdem meine Wohnung sah: was für ne Messiewohnung. Ein totaler körperlicher (Nebennierenerschöpfung) und seelischer Zusammenbruch ("Burnout") zwang mich, meine Berufstätigkeit aufzugeben. Ich habe noch eine fette Abfindung rausgefeilscht, weil die mich anders nicht losgeworden wären, und mein Mann geht Anfang nächsten Jahres in Rente. Wegwerfarbeitnehmer. Auslutschen und ausspucken. So geht das im globalen Kapitalismus. Von wegen Fachkräftemangel. Frischfleisch von der Uni träumt halt noch von der Karriere und macht bei befristeten Jobs unterwürfig jeden Mist mit.

Auf dem Job wird man ja mehr oder weniger gezwungen, ordentlich und strukturiert zu sein. Und wenn man seinen Job wichtig nimmt, räumt man dem auch immer einen Vorrang gegenüber der eigenen Wohnung ein. Wenn dann abends nur noch eine halbe Stunde Freizeit übrig ist, geht man lieber die halbe Stunde früher ins Bett als aufzuräumen.

Was das Spülen angeht: Das war etwas, das habe ich immer noch irgendwie reingeschoben, weil das nicht sehr anstrengend ist, und das warme Wasser an den Händen gut tut. Und man kann dabei so schön den Gedanken nachhängen.
Unter der Woche gabs meistens Eintöpfe, da hatte jeder höchstens einen Teller und einen Löffel dreckig gemacht, und zum Vorbereiten werden auch nur das Gemüsemesser und der Kochlöffel benutzt. Das sind nach dem Essen dann 10 Minuten zum Spülen (zu zweit: einer spült, einer trocknet ab, dabei kann man sich auch noch unterhalten), das schafft man immer. Damit das dreckige Geschirr nicht stinkt, habe ich immer sofort nach dem Essen, oft noch kauenderweise, abgespült. Das Abspülen ist bei mir beim Essen quasi inbegriffen. Jedesmal gleich nach dem Essen abspülen, dann sammelt sich nicht so ein unbezwingbarer Berg an.

Wir hatten früher auch Katzen. Einmal waren noch Futterreste im Napf, da hatte ich einen anderen Napf draufgestellt und zwei Tage später wollte ich saubermachen, da hatte alles von Fliegenmaden gewimmelt. (Ich hab den Krabbelteller vor dem Spülen rausgestellt für die Vögel, die haben alles verputzt.) Seitdem habe ich die Näpfe immer mit Küchenpapier ausgewischt, und das Schmutzpapier zum Dreck vom Katzenklo in eine Plastiktüte getan.

@Nemo:
Ich hab auch wie du gedacht, von wegen wer rastet der rostet, reiß dich zusammen, LeistungLeistungLeistung, Multitasking (ist übrigens ein Mythos, das gibts nicht). Das war der größte Fehler meines Lebens. Ich habe meinem Körper das Letzte abverlangt, bis ich fast gestorben wäre. Immer wieder hochputschen und ankurbeln kann auch zuviel des Guten werden. Wenn du die letzten Reserven aus dem Akku rausgedrückt hast, lässt er sich nicht mehr aufladen. Hör lieber auf die Signale deines Körpers und google mal nach Nebennierenerschöpfung bzw Adrenal Fatigue.


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30.11.2017 12:41
avatar  Nemo
#22
Ne

@Sophie
Das kam vielleicht ein bisschen falsch rüber. Ich sprach von "kleinen" Arbeitseinheiten, wie Du das mit dem Spülen machst, wobei ich nicht stehend esse, sondern mir schon Ent-spannung gönne bein Essen selbst. Meine Mutter ass stehend, was mich schon als Kind total nervte. Aber sonst hab ich ihre Emsigkeit als Vorbild übernommen. Sie wurde fast 82 und blieb bis 81 mobil.

Die Pflegesituation mit Deinen Schwiegereltern war natürlich neben einem Vollzeitjob zu viel an Belastung für Dich. Als ich meine Mutter letztes Jahr pflegte, ließ ich alles sonst fallen und bekam auch Pflegehilfe.


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30.11.2017 12:46
avatar  Sophie
#23
So

@Nemo: Ich hab nix von stehend essen geschrieben. Wenn fertig, dann aufstehen und spülen. Manchmal kaue ich dann och auf ner Möhre rum.


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30.11.2017 13:01
avatar  Nemo
#24
Ne

@Sophie
Ah, okay. Das kam missverständlich rüber. Möhren sollte ich auch mehr essen. Wurde mir gerade kürzlich vom Arzt ans Herz gelegt.


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30.11.2017 18:12
avatar  ratlos
#25
ra

@Sophie: das ist mehr als heftig, was Du Dir da zugemutet hast. Und kein Wunder, dass irgendwann nichts mehr ging.

@Nemo: nach 10-12 Stunden durchgehendem Gerenne noch von "Rosten" zu sprechen, wenn ich mich ne Stunde hinsetzt fällt mir schwer.

Ich denke, ich hab in 40 Jahren, in denen ich mich jeden Tag mit dem Wohnungsthema quäle alles nur irgendwie erdenkliche versucht: in kleinen Häppchen, in großen Happen, mir erlauben gar nix zu machen, Listen schreiben, Rituale einführen, Belohnungen, Aufgaben kleiner machen.... genutzt hat bislang nichts davon länger als einige Tage.

Das Einzige, was ich noch nie versucht hab und es auch nie tun werde wäre in der Früh noch was machen zu wollen. Ich kämpfe seit 30 Jahren damit, dass ich keine Wecker höre. Jeden Tag ist der erste, größte und wichtigste Sieg wenn ich es irgendwie pünktlich zur Arbeit schaffe. Morgen muss ich aller-allerspätestens 8.30 Uhr los. Da ich mir gestern abend eine wirklich kleine Menge Gemüse gegönnt hatte und die ganze Nacht Muskelkrämpfe hatte (Fructose) bricht mir der Schweiß aus bei der Frage wie zum Henker ich das morgen früh noch schaffen soll.
Und nach dem Essen spülen fänd ich soo toll. Da Essen aber nur im Liegen geht und ich danach nicht mehr aufstehen kann und darf ohne mich vom Gedanken überhaupt Schlaf zu finden zu verabschieden scheidet das aus.


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