Guten Tag an alle,
ich meine, mein Bekannte (Anfang 60) ist Messie. Sie hortet alles, was niemand mehr braucht. Plastiktüten, Einmachgläser, Teedosen, Vasen, Bücher, Taschen, Kosmetikartikel, Besteck, Töpfe, Handtücher, Kleidung, jedes noch so kleine Geschenk aus Jahrzehnten usw. Sie hat von allem viel zu viel, wirft einfach nichts weg, kann sich nur sehr schwer von etwas trennen. Sie müllt ihre Wohnung aber nicht zu, wie ich das aus Fernsehsendungen kenne, deshalb bin ich nicht sicher, ob sie auch ein Messie ist.
Sie wohnt seit mehr als 30 Jahren in einer sehr großen und sehr vollgepackten Wohnung, kann aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr die vielen Treppen steigen. Sie hat vor vier Monaten eine deutlich kleinere Wohnung angemietet und wollte jetzt Ende diesen Monats umziehen.
Sie klagte seitdem im Bekannten- und Freundeskreis (auch ich) , dass sie "alles allein" machen müsse. Fakt ist tatsächlich, dass ihr kaum noch jemand helfen wollte. Man wusste aus langjähriger Erfahrung eben, dass es müßig ist, ihr beim Ausräumen helfen zu wollen. Niemand wollte erneut in die missliche Situation kommen, helfen zu wollen aber nicht helfen zu können: wiederholte Versuche in der Vergangenheit, ihr beim Auf- udn Ausräumen zu helfen, liefen immer so ab, dass sie sich neben den jeweiligen Helfer setzte und bei fast jedem Teil die Anweisung gab, dass dies und jenes "noch gebraucht" werde und deshalb nicht weggeworfen werden könne. Das für die Helfer immer wieder frustrierende Ergebnis: Sie hatten eine erhebliche Menge an Zeit und Energie in diese Hilfsversuche gesteckt, aber kaum etwas erreicht. Stiegen sie dann frustriert aus ihrer Helferrolle aus, wurden sie als Freunde "aussortiert".
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Aktuell hat sich jetzt nach einem plötzlichen Krankenhausaufenthalt der Gesundheitszustand der Frau so verschlechtert, dass sie kaum noch laufen kann. Die behandelnden Ärzte sagen, dass sie sich so wenig wie möglich belasten und aufregen darf. Eine Besserung ist nicht mehr wahrscheinlich, eher eine Verschlechterung ihres Zustandes. Sie braucht also so viel Hilfe wie nur möglich - in drei Wochen muss der Umzug über die Bühne gehen.
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Nun gibt es einige Menschen, die mit viel Engagement zum Helfen kommen. Mehr als die Hälfte von ihnen ist aber schon nach wenigen Stunden entsetzt darüber, wie stark sie die Hausherrin kontrollieren, maßregeln und beherrschen will. Alles hat ausschließlich nach ihren Vorstellungen zu passieren. Jedes noch so kleine Teil hat, bevor es in einen Umzugskarton oder in einen Abfalleimer darf, ihrem strengen Blick vorgestellt zu werden. Dass das die Helfer zunehmend erschöpft und verärgert, ist klar.
Auch ich bin eine der aktuellen Helferinnen. Auch ich habe vor vielen Jahren versucht, ihr beim Entrümpeln zu helfen und fühlte mich mehr und mehr benutzt. Alles musste nach ihrer Nase laufen und ständig versuchte sie, mir Energien abzuziehen. Ich fühlte mich damals so erschöpft, dass ich bei einer Psychologin Hilfe suchte. Schließlich brach ich selbst die Freundschaft ab. Das ist jetzt einige Jahre her. Im letzten Jahr trafen wir uns zufällig wieder und versuchten, an unsere damalige Freundschaft - jetzt mit mehr Distanz als damals - anzuknüpfen.
Nachdem ich in den letzten Tagen beim Räumen geholfen habe, spüre ich, dass meine Frustration und Wut von damals sich wieder melden. Ich spüre das deutlich und sehe mich in der Klemme. Ich könnte den Kontakt schlagartig abbrechen, schaffe es aber nicht, sie im Wissen um ihre schwere Erkrankung im Stich zu lassen.
Meine Versuche, ihr freundlich-humorvoll oder ganz sachlich klar zu machen, dass sie es sich jetzt wegen der drängenden Zeit einfach nicht mehr leisten kann, jeden Helfer zu beaufsichtigen - und schließlich zu vertreiben - laufen ins Leere. Ihre Standard-Antwort dazu: "JETZT kann ich über sowas nicht reden. Das können wir machen, wenn der Umzug hinter mir liegt".
Ich habe aber keine Lust mehr, mich immer wieder klein zu machen. Mein Rücken schmerzt zunehmend, ich fühle mich kraftlos. Es ist so unsinnig, innerhalb von zwei-drei Stunden intensiver Arbeit nur einen Umzugskarton voll zu kriegen. Aber ich will sie auch nicht sitzen lassen, denn immer mehr Menschen, die ihr in den letzten Tagen geholfen haben, kommen nicht wieder.
Wie gehe ich bloß mit dieser vertrackten Situation um? Hat jemand von Euch eine Idee oder so etwas schon mal erlebt?
Viele Grüße
Grosi