Verbarrikadiert

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21.09.2014 23:35 (zuletzt bearbeitet: 21.09.2014 23:40)
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#6
Gast
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Lieber Angst vor der Zukunft, als keine Zukunft.

Tut mir Leid, dass ich dir jetzt ausgerechnet eine Platitüde an den Kopf schmeiße, aber das war das erste, was mir nach deinem letzten Satz durch den Kopf schoss.


Mir fehlen Informationen zu deinem Kind, daher kann ich nicht beurteilen, wovon diese Depressionen herrühren. Vielleicht hat euer zutiefst dysfunktionales Familienleben sie ausgelöst, vielleicht auch nur zum Teil. Ganz sicher aber wirkt sich diese "Partnerschaft" nicht positiv auf das Kind aus.

Ich gehöre nicht zu den Menschen, die andere Menschen in solchen Situationen behutsam anfassen können. Ich glaube immer, dass es für sie hilfreicher ist, einmal von jemandem Klartext zu hören, denn meine Erfahrung ist, dass sie schon genug andere um sich haben, die sie lieber dazu bewegen möchten, nicht zu viel Staub aufzuwirbeln, damit alles möglichst so bleibt, wie es ist.

Ich denke, dass es deinem Mann nicht um die Kinder geht, die er irgendwie verschonen will. Ich denke, es geht ihm nur um sich selbst. Wahrscheinlich lebt ihr in einem eher konservativ geprägten Umfeld, und habt - wahrscheinlich zu Recht - Sorge, wie dieses mit der Nachricht umgehen würde. Dazu erst einmal:

Es ist nicht deine Schuld, dass er schwul ist.
Es ist nicht seine Schuld, dass er schwul ist.
Du kannst nichts dagegen tun.
Er kann nichts dagegen tun.
Es ist nicht dein Problem, dass er schwul ist.

Es ist sein Problem, dass er schwul ist.


Es ist "nett" von dir, ihm dabei zu helfen, sich vor dem Outing zu drücken. Wäre das Arrangement, das ihr dazu getroffen habt, ein anderes, könnte man sich sogar überlegen, ob es tatsächlich für alle Beteiligten die beste Lösung ist, so zu tun, als wärt ihr noch eine heile Familie.

Aber nicht, wenn du dabei vor die Hunde gehst.

Richtig wäre es, dass dich dein Mann vor lauter Dankbarkeit auf Händen trägt, weil du trotz der Demütigung, dem Leid und der Hilflosigkeit, die du seinetwegen erdulden musst, das Spiel ihm zuliebe mitspielst. Stattdessen behandelt er dich wie Scheiße.

Wenn ich eins aus der Zeit weiß, die ich in einer miesen Beziehung gelebt, und kein Ende gesehen habe, dann, dass die Zukunft in der Situation immer sehr viel schwärzer aussieht, als sie ist.

Die Aussicht auf Tütensuppe und Mindestlohn ist nicht sehr verlockend, zugegeben. Aber es geht. Es ist nicht das Ende der Welt, sondern es ist ein Neuanfang. Aller Anfang ist bekanntlich schwer, aber wenn man den Mut, die Kraft, und - das wichtigste - die Träume wieder findet, wird es bergauf gehen.

Rein rechtlich gesehen hast du als Ehefrau bestimmte Ansprüche, auch finanziell. Sie sind nur inzwischen zeitlich begrenzt. Es gibt außerdem die Möglichkeit, deinen Lohn aufzustocken, um über die Runden zu kommen. Die Wahrheit über eure Trennung muss nicht herauskommen. Es könnte eine Geliebte gewesen sein, oder auch einfach nur, dass ihr euch auseinander gelebt habt.

Was das Auto betrifft: Ich weiß genau, warum dieses bei deiner gegenwärtigen Rechnung ins Gewicht fällt, darum versuche ich, den Satz anders zu formulieren, um dir bewusst zu machen, wie belanglos das eigentlich ist "Ich ertrage diese ganze Scheiße eigentlich nur noch, damit ich weiterhin mobil bin". Behalte du doch einfach das Auto, oder mach etwas aus eurem gemeinsamen Besitz zu Geld. Oder verkauft das Auto, und kauft euch beide zwei alte Schüssel, die noch ein paar Monate TÜV haben, und man wird sehen, was dann ist.
Ihr habt - sofern nichts anderes vereinbart ist - eine Gütergemeinschaft. 50% dessen, was ihr in eurer Ehe erwirtschaftet habt, gehört dir - selbst, wenn er es ganz allein verdient haben sollte.
Wenn du vertrauenswürdige Personen in deinem Umfeld kennst, dann werden diese für dich da sein. Vielleicht wissen einige schon viel mehr, als du ahnst, und sitzen in den Startlöchern, um dir zu helfen. Vielleicht hast du das auch nicht, dann gäbe es zum Beispiel die Möglichkeit ins Frauenhaus zu gehen. Die nehmen nicht nur Frauen auf, die verprügelt wurden, sondern alle, die sich aus der Abhängigkeit befreien möchten.

Ja, dein Leben wird sich ganz sicher ändern, und ja, ich kann verstehen, dass du davor große Angst hast. Das Elend, das du jetzt hast, kennst du, und du hast dich irgendwie damit arrangiert. Dir fehlt die Kraft und der Mut, um dir die Zukunft optimistischer ausmalen zu können. Vielleicht ist auch der Leidensdruck noch nicht groß genug. Vielleicht gibt es auch doch noch irgendeinen anderen Ausweg.

Sicher ist eins: Schwul ist schwul. Von einer Geliebten könntest du ihn vielleicht zurück erobern. Aus einer Abhängigkeit könnte er sich vielleicht befreien. Aber er kann nicht ändern, von welchem Geschlecht er sich angezogen fühlt, genauso wenig wie du. Es gibt deshalb kein Zurück für euch. Es wird nie wieder so werden, wie es einmal war. Keine heile Familie mehr.
Die einzige Hoffnung besteht darin, euer Leben so zu gestalten, dass jeder von euch wenigstens die Chance hat, glücklich zu werden. Du, er - und die Kinder. Dieses Recht habt ihr alle, und jeder, der seine persönlichen Befindlichkeiten über dieses Recht stellt, hat - auf Deutsch gesagt - die Fresse zu halten und sich um seinen eigenen Kram zu scheren. Wer von dir erwartet, dass du dich in einem verlausten Zimmer verbarrikadierst bis zum Ende deiner Tage, und so tust, als wärst du eine liebende Ehefrau, damit dein Mann ein Alibi für sein Liebesleben hat, der ist es nicht wert, dass du ihm auch nur eine einzige Träne nachweinst, wenn er sich nach einer Trennung von dir abwendet.


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26.09.2014 22:10
#7
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Hab gerade mein Bett "freigeschaufelt"....damit ich mich nicht mehr davor ekeln muss...Vielleicht wirds der Anfang für einen neuen Weg.


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26.09.2014 22:36
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#8
Gast
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das find ich sehr gesund, und es ist auch glaube ich instinktiv das Richtige - wenn man über sein Leben (oder den größten Teil davon) die Kontrolle verloren hat, erobert man sie am besten in ganz kleinen Schritten zurück. Das Bett ist dabei aus vielen Gründen ein sehr wichtiger Schritt. Ich wünsche dir erholsamen Schlaf, und dass die Welt dann auch wegen dieses Schrittes morgen wenigstens schon mal wieder ein kleines bisschen besser aussieht.


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27.09.2014 11:55
#9
Au

Ich wünsche Dir eigentlich nur, daß Du es schaffst zu gehen.


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27.09.2014 18:43
#10
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Ganz ehrlich. Das wünsche ich mir auch. Habe bei Kleinanzeigen eine Anzeige wegen einer günstigen Wohnung aufgegeben. Vielleicht kommt ja was günstiges. Und dann hab ich hoffentlich den Mut und die Kraft. ...


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