Halbzeit

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11.11.2017 22:55 (zuletzt bearbeitet: 11.11.2017 22:57)
avatar  leila
#31
le

Merci! Ich bin auch stolz wie Bolle 😉 Ich denke auch eher selten an diese chaotische Zeit zurück; Ich versuche, mir sie aber zwischendurch ins Gedächtnis zu rufen, denn das Kernproblem sind ja nicht die damaligen äußeren Umstände, sondern der Teil meiner Persönlichkeit, der zugelassen hat, dass diese Umstände mich in das Chaos haben versinken lassen.
Ich versuche, zu akzeptieren, dass das ein Teil von mir ist - ohne davor Angst zu haben, aber auch ohne zuzulassen, dass dieser Teil von mir nochmal die Oberhand gewinnt.

Meine Achillesferse ist definitiv die Antriebsstörung. Klar, es gibt Dinge, die mir am Herzen liegen und die ich unbedingt behalten will. Aber die Anzahl ist sehr überschaubar. Ich hege auch keinerlei Sammelleidenschaften. Ich tue mich nur schwer damit, mich zu bestimmten Dingen aufzuraffen. Dazu gehört u.a alles, was Hausarbeit betrifft.

Bei mir ging es damals damit los, dass ich mich in meinem Ausbildungsbetrieb hundeelend gefühlt hab. Es gab Tage, da hatte ich regelrecht Angst, zur Arbeit zu gehen. Das hat zu regelmäßigem Erbrechen, Schlafstörungen, Nesselsucht und anderen schönen Dingen geführt. Nach der Ausbildung dann der nächste miese Job, dann Arbeitslosigkeit und als mein Partner und ich uns dann trennten und er auszog, ist mein Leben aus den Fugen geraten. Ich denke, das waren die äußeren Auslöser.

Du hast recht, ich habe versucht, mich auf das Schöne zu freuen, das sich durch die Verbesserung meines Zustandes ergeben würde. Ich hatte allerdings auch ne gute Portion Angst und Scham in mir, was wohl auch nicht so einfach abstellbar ist.

Ich glaube, meine Hauptmotivation war, dass ich mir selbst nicht länger kostbare Lebenszeit stehlen wollte. Denn genau das habe ich durch mein Vermüllen und Verkriechen getan. Das kam mir wie ein Betrug an mir selbst vor. Ich glaube, dass wir alle nur dieses eine Leben haben und darum fand ich, ich sei es mir selbst schuldig, dieses Leben wieder mit so vielen schönen Momenten wie möglich zu füllen.


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12.11.2017 11:58 (zuletzt bearbeitet: 12.11.2017 11:58)
avatar  Sophie
#32
So

Ja, wenn man von außen so viel Sch*** um die Ohren gehauen bekommt, kann einem das letzte Fitzelchen Energie fehlen, das man eigentlich brauchen würde, um die Situation anzupacken.
Ich erinnere mich, dass ich funktioniert habe wie eine Maschine. Programm runterspulen, nur nicht nachdenken: Aufstehen, Pflege, Arbeiten, Pflege, essen, Baustelle, Pflege, schlafen gehen. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Aufräumen? Später, morgen, nächste Woche, wenn ich mal nicht mehr so müde bin. Ach, ich leg das grad hier hin, tu ich später weg. Uuuh, aufräumen - soll ich in den paar Stunden Freizeit auch noch arbeiten?
Das kann einen kurz- bis mittelfristig über eine Krise tragen, aber über Jahre hinweg reißt es einen noch weiter rein. Der Berg Unerledigtes, den man vor sich her schiebt, wächst ja weiter.

Was den fehlenden Antrieb angeht: bei mir ist es so, wenn ich das Gefühl habe, ich schaff das nicht, und wenn ich dann noch das Gefühl habe, das Ergebnis lohnt die ganze Anstrengung nicht, lass ich es sein. Wenn mir etwas sehr am Herzen liegt, oder wenn ich mich sehr auf das Ergebnis freue, dann versuche ich es trotzdem, auch wenn ich meine Erfolgsaussichten gering schätze. Dann bin ich auch bereit, mir Kenntnisse oder Fähigkeiten anzueignen, die ich bisher nicht hatte. (Nicht, wenn ich mir sicher bin, dass ich gar keine Chance habe. Ich würde nie für Ironman trainieren. Dazu lerne ich nicht Schwimmen.)
Das heißt, es ist wie eine Multiplikation: "Antrieb, eine Aufgabe erledigen = Erfolgsaussichten x Ergebniswert", und wenn ein Faktor Null ist, ist auch der Antrieb Null.
Was du gemacht hast, war, den Nutzen für dich über Null zu bringen, durch die Vorfreude auf die aufgeräumte Wohnung, und auch die positive Erwartung von Akzeptanz durch die Umwelt. Angst allein bringt keinen Nutzwert, finde ich jedenfalls. Bei mir hat Angst nie gewirkt, höchstens Pflichtgefühl (Ich kann den nicht hängen lassen. Das ist unfair. Ich will ja auch nicht im Stich gelassen werden.)


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12.11.2017 13:58
avatar  Wolfram
#33
Wo

danke @Sophie

ich weiß zwar, dass ich nicht alles schaffen werde, aber irgendwann ist ein Grenzwert erreicht. Und nun habe ich wieder etwas wiedergefunden und das ist für mich auch ein Antrieb.
Wenn ich zur SHG gehe, habe ich früher mal gedacht, in der Zeit könnte ich auch aufräumen. Ich wußte aber, dass ich das nicht machen würde und bin deshalb nicht mit schlechtem Gewissen zur SHG gegangen.

viele Grüße
Wolfram


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