fehlgeleitete Trauerarbeit?

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22.02.2012 02:20
avatar  Aurora
#1
Au

Aufräumen.. Was ist das eigentlich?
Ich wuchs mit meinem kleinen Bruder bei unserer alleinerziehenden, manisch-depressiven Mutter auf. Immer wieder gab es Phasen von Chaos... Pflegefamilien.. nichts Konstantes. Meine Mutter und meine Oma hoben viel Zeugs auf, man könne es ja noch brauchen.
Letztens unterhielt ich mich mit einer Bekannten übers Aussortieren. Da fiel mir auf: das habe ich noch nie wirklich getan... einen Großteil meines alten Kinderzimmers (bin nun 26) kam weg, als ich 16 war.. Wohnungsauflösung - Heimunterbringung. Seit dem ich 18 bin wohne ich nun hier in meinen 44qm und es wird immer mehr. Ich bescheiße mich selbst, wenn ich mal Klamotten aussortiere, dann wandern die in nen Sack und der im Keller. Man kann es ja nochmal brauchen.

2007 - mein Horrorjahr. Nach Trennung, Schulabbruch, Freundeverlust... stand ich da. Völlig allein.. mit ein paar Internetkontakten. Schwer depressiv... das erste Mal, dass es nur noch Trampelpfade in meiner Wohnung gab... ich teilweise gar nicht aß.. bis ich auf Fertiggerichte umstieg. Mikrowelle.. Backofen.. Brot. Geht doch. Vom Fleisch fall ich eh nicht so schnell. Gab schließlich gern Süßigkeiten bei Traurigkeit.. oder zur Belohnung. Schon immer, ich führte es fort.
Mit Hilfe bzgl Küche schaffte ich es innerhalb von 3 Tagen meine Wohnung wieder begehbar herzurichten.. ein paar verbliebende Fliegen zeugten noch davon, wie es aussah..

Die Diagnose Borderline gesellte sich zu den Depressionen. Ein harter Kampf, ich erkenne es an.

Meine einzige Oma verstarb letzten Sommer. Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung lagen bei mir.. also entrümpelte ich ihre Wohnung. Stellte mir dauernd die Frage: kann ich das noch brauchen? Brauche ich das wirklich? Ist es wichtig, dieses und jenes aufzuheben? Viel Unterstützung bekam ich dabei nicht... die Entrümpelung (inkl. Heimunterbringung usw.) forderte mir einiges ab - zu viel. Aber ich habe es geschafft! ..zu dem Preis, dass ich kein Gefühl mehr für mein eigenes Leben mehr hatte.. oder noch habe.
Zu meinem eigenen Kram gesellen sich nun verteilt auf die Wohnung und den Keller gut 30 Kartons von Oma. Erst war es nur ein: ich brauche nun etwas Pause. wieder mehr als 2-3Std. schlafen... morgen ist ja auch noch ein Tag.

Und nun.. sitze ich hier.. und sehe mich ohnmächtig meinem Chaos gegenüber. Müllrunterbringen ist so ne Sache, man könnte mich ja dabei beobachten... 2007 hatten sich Nachbarn auch schonmal beschwert. Ich fing an.. erst an der Tür zu lauschen, ehe ich überhaupt aus dem Haus ging, perfektionierte die Technik, wie ich so schnell wie möglich aus der Tür komme und diese zumache, ohne das es zu viel Krach macht. Leise sein... am liebsten Nachts wach sein. Angst, wenn es an der Tür klingelt..

Irgendwo.. habe ich mich verloren. Bin emotional ein Eisklotz.. oder zwischenzeitich sehr impulsiv, was aber schnell wieder abebbt.. mein Partner beklagt sich immer häufiger, das er nicht mehr an mich rankommt. Oder auch... das er gerne wieder mich besuchen kommen möchte. Ich finde keine Motivation... denke auch: ich will doch für mich aufräumen und nciht wieder, weil wer mein Heiligtum, meine Wohnung, will. Es geht nicht.
Manchmal.. schaffe ich es dann doch 30-60min. was zu machen.. doch so wirklich Freude stellt sich dann nicht ein. Zumal.. in ein paar Tagen/Wochen ist eh wieder alles voll.

Meine Scham ist so groß. Am größten vor mir selbst.
Ich komme einfach nciht weiter. Weiß nicht, ob ich mir helfen lassen soll (da kommt immer der Gedanke: aber das und das musst du erst allein schaffen!) oder ob ich es nach und nach.. immer und immer wieder.. versuche.

Für morgen.. eher heute... ist angedacht, dass ich mit einer Bekannten Kartons von Oma in den Keller bringe. Kompromiss dabei: ich zeige ihr nicht meine Wohnung, sondern räume die Kartons in den Flur... und nach erfolgreichem in den Keller bringen noch ne Runde spazieren. Tja.. der Flur wartet noch darauf auf die Kartons vorbereitet zu werden.. und dementsprechend stehen die Kartons noch rum. Hoffnungslosigkeit macht sich breit... das bringt doch eh alles nichts..
Zu mindest habe ich das erste Mal zugesagt, als man mir Hilfe anbot. Scheiß Stolz. Scheiß frühere Verletzungen (musste mir von meiner eigenen Mutter anhören, dass sie sich geekelt hätte - das sagt die richtige... dennoch.. autsch..).

Ach, ich könnte noch so viel mehr schreiben.. aber dies soll nur ein mehr oder minder kurzer Umriss sein. Im Moment ist es nur eine Theorie, dass es fehlgeleitete Trauerarbeit wegen meiner Oma ist. Zu mindest sie war immer da... die endgültige Trennung 2007 von meinem 1. Freund (wir wollten uns erst in 10 Jahren wiedersehen) brach mir damals den Hals...

Na ja, ich würde mich über Kommentare, Anregungen oder Fragen freuen. Vielleicht hilft ja Austausch...

LG Aurora


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15.03.2012 03:37
avatar  Laura
#2
La

Hallo Aurora

Es ist gut möglich,dass dich unverarbeitete Trauer ausbremst oder andere Erlebnisse,die du nie einordnen konntest.
Auf jeden Fall ist es super wenn du Hilfe von ner Freundin annehmen kannst. Vielleicht kannst du dich ja mal umsehen nach nem guten Therapeuten der sich mit Trauma auskennt und dir helfen kann,die schwierigen Erlebnisse anzusehen und zu verarbeiten.
Darurch kommst du hoffentlich wieder zu mehr Kraft im heute ,denn ohne Kraft ist es gar nicht möglich Chaos zu ordnen oder Struktur zu erlernen.

Gruss
Laura


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15.03.2012 06:24
avatar  Aurora
#3
Au

Hallo Laura,

oh - doch eine Reaktion auf meinen Eintrag, dank dir. =) Hatte jene Zeilen schon gar nicht mehr bewusst im Kopf, da es scheinbar nun wieder ein Stück aufwärts geht.
Schaffe es zwar nicht jeden Tag etwas zu erledigen, aber immerhin an 2 von 3.

Mein großes Bett war lange Zeit nur eingeschränkt zu benutzen... am Montag fing ich an (wie so oft) und hörte nicht vor dem Ende auf. Diesmal hielt ich durch.. bezog es neu - herrlich, frei. Zu mindest anfänglich. Am nächsten Morgen erwachte ich.. und dachte: ich fühle mich schutzlos. Das ist auch jetzt noch so.. Doch ich achte darauf, mehr Gedöns zeitnah wegzuräumen.
Eingeschränkt spreche ich über mein Chaos, ohne es jemals auch nur ansatzweise zu beschreiben.. zu jenem Erlebenis kam dann: deine Mauern fangen an zu fallen, weil du es zulässt.

Therapie.. hmm. Seit ich 15 bin lief ich mal mehr mal weniger regelmäßig zu einer sehr lieben Therapeutin. Kraft hatte ich damals wohl noch genug... und die Diagnose Borderline wird ja auch eigentlich erst ab dem 18. Lebensjahr gestellt.
Vor gut nem Jahr sah ich auch meine Akte beim Jugendamt ein... Das klärte so manches, was ich vorher nur vermuten konnte. Es bestätigte mich.
Müsste mir schon länger mal nen neuen Therapeuten suchen. Doch es fällt mir schwer. War einige Male auch in einer Art "Notfallambulanz".. da dauert ein Gespräch so 20-30 Minuten. Doof..., wenn ich erst gegen Ende einer 50Minuten Sitzung die wirklich wichtigen Dinge anzusprechen. Ausreden? Hmpf..

So wie ich hoffentlich auch durch die nun eingeleitete berufliche Reha Bestätigung erfahre. Dauert zwar noch bis Ende des Jahres, bis es wirklich losgeht.. doch ein Teil Ungewissheit ist weg.

Das Kartonsruntertragen war übrigens ein einziger Streßakt für mich. Ganz viel Angst und körperliche Schwäche. Aber geschafft und ein wenig mehr "Freiheit im Chaos". Das Angebot zur weiteren Hilfe steht.. innerlich sage ich aber schon direkt "nein - ich mach das allein".

Habe gesehen, dass du auch in anderen Threads geantwortet hast.. Wie hast du es geschafft, "es nicht mehr so weit kommen zu lassen"?

Gruß
Aurora


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15.03.2012 08:46
avatar  Laura
#4
La

Ich habe das nicht geschafft ,dass es nicht mehr so weit kommt. Ich gehe nur anders um damit.
Ich habe akzeptiert,dass das zu meinem Leben gehört. Ich kämpfe nicht mehr so verzweifelt dagegen. Ich hasse mich auch nicht mehr dafür,dass ich so bin und diesen Schutz der vielen Dinge brauche.
Ich respektiere,dass es Tage gibt an denen ich wirklich viel hinkriege, aber meistens Tage an denen nichts geht. Ich denke,ich ticke einfach anders. Sehr viel langsamer und in Wochen statt Tagen. Aber immer mal wieder geht etwas.
Ich suche andere ,eigene Wege um zurechtzukommen.Anders als Leute die täglich ihren Haushalt machen wie man das kennt. Das kann ich einfach nicht vergleichen mit mir.Habe ich lange versucht mit null Erfolg. Das wäre,als ob man ein Dorf mit einem Universum vergleichen möchte.Das bringt einfach nichts.
In Therapie bin ich seit Jahren. Seit Jahren geht es eigentlich nur darum,zu stabilisieren. Davon hab ich viel profitieren können und umsetzen zuhause.Es ging dabei nie direkt um mein Chaos oder wenn ich von Unordnung geredet habe,meinte die Therapeutin,so schlimm sei das sicher nicht.So schlimm war es aber immer.Dafür geht es in Therapie eher um andere Sachen die mich geprägt haben und die Platz bekommen in der Therapie und das sind die Ursachen für die innere Unorganisiertheit und die Unstruktutriertheit ,die ich selber bin.Die krigt man wohl nicht weg. Aber dazulernen geht immer und der Unorganisiertheit ihre Macht und lähmende Auswirklung zu nehmen,das geht schon. Ich habe herausgefunden,dass ich so viele Interessen habe,alte und neue. So viele Faszinationen. So wurde mir irgendwann klar,wenn ich Dinge wegwerfe,werde ich mir wieder welche besorgen. Ich muss einfach versuchen,diesen Bedürfnissen gerecht zu werden.Herauszufinden versuchen,welche Wünsche dahinter stecken und versuchen sie zu akzeptieren und ihnen benutzbaren Raum zu schaffen.
Nun habe ich beispielsweise ein Regal aufgehängt mit Comics und Jugend Sachen. Jedes mal wenn ich nun NOCH MEHR Comics sehe oder Sachen für Jugendliche die ich will,dann sage ich zu mir selber...nein du hast schon welche in der Abteilung Jugend und erst wenn die alle gelesen sind,besorg ich neue. Das funktioniert.Ich werde in Jahren noch nicht alle gelesen haben,denn ich habe nicht so oft Zeit zum lesen weil ich immer so viel verschiedenes tun will,das ich mich meistens schon davon erstmal erholen muss und mich einfach nur hinsetze und gar nichts tue. :D Ausserdem sind dann auch noch zuerst die vielen Sachbücher und Projekte umzusetzen,zu denen ich extra Bücher besitze und die auf Benutzung warten.Und natürlich alle Bücher über Philosophie und Kunst.Die sind mir besonders wichtig,will ich alles noch lernen.
Auch Werkzeug,alte Erinnerungen,CDs Kassetten Bücher Spielsachen Bastelzeug und und und...alles mal in wochenlanger Arbeit in Schachteln sortiert und teilweise Themenecken eingerichtet die auch benutzbar sein sollen.Bin noch nicht fertig damit.Die Gegenstände kommen alle in die entsprechende Benutzerecke oder Endlagerung in ner Kiste. Das selbe mit Mal Sachen.Als ich dereinst nach Jahren geschafft hatte,meinen Schreibtisch der wirklich bis zur Decke aufgeschichtet war abzutragen,hab ich zuerst alles in Kisten aussortiert.Als der Tisch dann frei war,hab ich alles zur Benutzung wieder eingeräumt und nun ist es perfekt. Schachteln sind immer noch voll die ich sortieren sollte,nur Dinge zum Benutzen,die hab ich wieder eingeräumt,Papier,Stifte und tausend anderen Sachen.Aber es stapelt sich schon wieder auf dem Schreibtisch.Es ist nie zu Ende.Kein Problem....ich freue mich auch darauf,zu lernen,Dinge auch zu benutzen und mich daran zu freuen.Es kann aus meiner Sicht in sinnvolle Kanäle geleitet werden.Das ist nicht unmöglich.Natürlich wie gesagt....ich hab Platz und ich hab Zeit. Das war nicht immer so.
Zudem habe ich Johanneskraut entdeckt. Das hilft mir sehr mehr Antrieb zu bekommen .
Es hat mir auch geholfen,dass ich in Sendungen gesehen habe,wie andere sehr liebenswerte Menschen die selben Probleme haben oder schlimmer.
Wobei ich mir da eher auch Sorgen um die Leute mache,wie die damit zurecht kommen,dass das intime so viele Zuschauer sehen.Alles aufgebrochen und aufgerissen wird.Stelle mir das extrem schlimm vor.Zudem glaube ich nicht,dass mit Aufräumen und wegwerfen wirklich etwas nachhaltig verändert wird im Inneren.

Zu deinem Beitrag noch,dieses schutzlos fühlen wenn es aufgeräumt ist,das kenne ich auch. Aber ich habe auch herausgefunden,nach einem oder zwei Tagen aushalten,geht die Angst weg vor dem aufgeräumten Raum und es ist oke.
Das was du schreibst mit dem Ansprechen der wichtigen Dinge in der Therapie erst in den letzen Minuten,das kenne ich auch und habe das schon von anderen Leuten gehört. Das scheint normal zu sein. Man möchte gerne alles los werden und schnell alles geheilt bekommen.Ist die Stunde rum merkt man,ich hab gar nicht ausdrücken können,wie gross das Ausmass ist. Wir wünschen schnelle Hilfe. Aber so funktioniert es leider nicht :-) es dauert sehr lange und braucht Zeit .


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15.03.2012 14:48
avatar  Laura
#5
La

Hallo Messie68

Ist ja kein Damengespräch ;-) Kann jeder seine Meinung sagen.
Klar,du hast Recht mit deinen Worten.
Ich denke ich versuche nicht mich anzupassen an etwas,das ich nicht will. Mir geht es eher darum,meine Gegenstände so zu ordnen,dass ich sie benutzen kann und vor allem auch weiss,was ich alles so besitze und ich will auch den Boden sehen und Bewegungsfreiheit haben. Das hat mich gestresst,als ich immer über Zeugs steigen musste und ehrlich,ich bin mal Nachts über mein Spinnrad gestoplert weil ich über irgendwelches Zeugs drübersteigen musste und nun ist es defekt. Ich will beides. Ich will meine Sachen und ich will Raum.Ich will wissen,was ich besitze und dann mir auch bewust machen,das ich nichts neues brauche,weil ich sowas schon habe.
Philosophie ist wirklich das schönste,da hast du recht.
Ich will die Bücher auch finden darüber und sie lesen.
Nur darum bin ich an etwas übersicht intressiert.

Lieben Gruss
Laura


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