Ist mein Mann ein Messie?

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19.07.2017 15:27
#1
In

Hallo,

ich bin ganz neu hier und möchte mir so gerne mal alles von der Seele schreiben, weil ich nicht weiß, an wen ich mich sonst wenden kann. Wenn ich das Thema mal irgendwo andeute, dann bekomme ich meistens nur ein Schmunzeln und niemand zeigt wirklich Verständnis.

Ich kenne meinen Mann nun seit 20 Jahren und er war schon immer jemand, der gerne sammelt und hortet. Aber es wird mit den Jahren immer schlimmer, alles muss er aufheben. Nun ist unsere Wohnung zwar nicht vermüllt, aber sie ist ziemlich voll mit Sachen und ich hätte so gerne mal wieder einen Überblick und mehr freie Räume und Flächen. Wenn ich etwas wegwerfe, dann muss ich das in eine nicht-unsichbare Mülltüte machen, denn sonst holt er es sogar wieder raus! Mein Mann denkt immer, man könne alles noch irgendwann einmal brauchen. Außerdem ist er ein bisschen Öko und daher betreibt er fleißig Müllvermeidung. Früher dachte ich immer, es liegt nur daran, aus seinem ökologischen Bewusstsein heraus, inzwischen denke ich, dass da mehr dahintersteckt.

Fangen wir mal an mit leeren Brottüten. Die sammelt er, denn wenn er in die Arbeit geht, dann kann er diese als Pausenbrotpapier oder -tüte nutzen. Schön und gut, aber wenn ich nicht alle paar Wochen mal aussortiere, dann quillt der Brotkasten über. Alte Kleidung: er hat teilweise Sachen, T-Shirts, die über 30 Jahre alt sind, viele abgewetzt, sein Kleiderschrank quillt über, ist so stopfevoll, dass nichts mehr reingeht. Aber er sagt, er braucht die alten Sachen als "Arbeitskleidung", wenn er mal was am Auto macht oder auf die Baustelle muss oder so. Alles gut. Aber reichen nicht 2 oder 3 Sätze Arbeitskleidung? Müssen es 20 sein oder 30?

Plastikbehältnisse wie z.B. vom Eis: alles wird aufgehoben. Wenn ich unten den Küchenschrank aufmache, dann kommt mir das Zeugs entgegen. Ist ja gut, kann man verwenden und ich verwende diese Sachen auch, z.B. wenn ich einfriere oder wenn man Vesper mitnimmt ins Schwimmbad, aber irgendwann werfe ich halt weg, weil ich denke, 10 solcher Behältnisse reichen doch, es müssen nicht 50 sein, vor allem: ES KOMMT DOCH IMMER WIEDER NACHSCHUB!!! Wenn ich Sachen wegschmeiße, dann muss ich die ganz unten verstecken im Mülleimer, am besten gemischt mit was Ekligem, dass er nicht darin rumwühlt. Er holt die Sachen wieder raus!! Alte Zahnbürsten eignen sich gut zum Putzen. Ich finde, da reichen 5 bis 10, es müssen doch keine 20-30 sein, oder?

Aber er bringt dann eben auch Sachen heim. Er findet Dinge auf dem Flohmarkt, im Sperrmüll, auf Altglascontainern, da bekommt er wohl irgendwie Mitleid und das Zeug wird angeschleppt. Wenn irgendwo was umsonst rumsteht, dann wird es mitgenommen, AUCH WENN WIR ES GAR NICHT BRAUCHEN. Er kommt dann mit Ballermann-CDs zum Beispiel (diese Musik hassen wir beide!), "ach, kann man ja verschenken".... Unsere Garage ist so voll, dass wir unser Auto nicht dort parken können. Der Keller ist auch voll. Erinnerungsstücke sind darunter. Oh ja, Erinnerungen sind ihm sehr wichtig. Beispiel: wir waren mal auf einem Konzert. Das Plakat habe ich 10 Jahre aufgehoben und dann weggeworfen. Er hat es natürlich aus dem Müll geholt. Auch Eintrittskarten, alles wird gesammelt, als "Erinnerung", ich drehe noch durch. Überall Zeugs. Wenn ich hier Schubladen aufmache, bekomme ich einen Koller. Ich habe eine solche Sehnsucht nach Struktur und Ordnung, immer mehr, früher war ich nicht so, aber ich möchte einfach nicht mehr so viel Zeugs und Kruschd um mich herum haben. Ich finde ja auch nichts mehr.

Ach übrigens: Wenn wir igendwo unterwegs in den Imbiss gehen, dann nimmt er dort auch das Plastikbesteck mit nach Hause. Sogar Strohhalme werden ausgespült zum Wiederverwenden!

Aber was mich am meisten wundert: Wo kommt das her? Es wurde mit den Jahren immer heftiger. Warum ist das so? Warum kann er nicht loslassen? Ist er ein Messie?

Ich habe ihn schon öfters zur Rede gestellt. Mal wütend, mal einfühlsam. Aber er sieht das Problem nicht. Er findet, er verhält sich ganz normal. Ich verstehe das nicht, dass er das nicht sieht, dass es nicht normal ist. Er ist ein hochintelligenter Mann, das muss ich noch dazu sagen. Aber warum erkennt er denn dann nicht, dass sein Verhalten übertrieben ist? Ich habe ihn gebeten, eine Therapie zu machen. Aber das ist für ihn absolut abwegig. Warum auch? Er hat doch kein Problem.

Wenn er mal was wegwirft, was wirklich selten vorkommt, dann lobe ich ihn. Aber ich komme mir dann vor, wie eine Therapeutin oder seine Mutter. Oder als wäre er so etwas wie ein "Patient". Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Ich möchte einfach nur eine Wohnung haben mit weniger Sachen. Was kann ich nur tun? Und was um alles in der Welt geht in seinem Kopf vor?

Danke, dass ich das mal da lassen darf. Ich fühle mich gerade sehr erleichtert. Vielleicht kann mir jemand Tipps, Infos, Links geben?

Viele Grüße


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19.07.2017 16:55
avatar  ( gelöscht )
#2
Gast
( gelöscht )

@Infragestellerin

Liebe Infragestellerin,

aus meiner Sicht ist dein Mann ein Messie. Ein Messie ist ja nicht das Zerrbild, das durch die Presse geistert.
Messies sind liebenswerte, häufig kreative Menschen, die nur von vielem zuviel haben. Das kann alles sauber und sortiert sein und ein Messie wird bei jedem Gegenstand einen Grund finden, warum er unbedingt aufbewahrt werden muss.

Für andere ist ein solches Verhalten selten nachvollziehbar. Meist finden sich in der Lebensgeschichte Auslöser dafür. Hier im Forum wirst du einiges zu diesem Thema finden. Es ist auch Änderung möglich, aber leicht wird es nicht.
Mit Messies ist es ähnlich wie mit Alkoholikern: Nur, wenn sie ein Problembewusstsein entwickeln und der Leidensdruck groß genug wird, dann werden sie sich ändern. Von außen kannst du nur selten etwas erreichen. Höchstens mit 'Gewaltmaßnahmen', dass du mit Auszug drohst, oder einer außenstehenden Person in seiner Anwesenheit alles zeigst. Das wird aber Konflikte schüren, die du vielleicht nicht willst.

Wie lange geht es schon so? Ausgeprägte Eigenschaften verstärken sich mit zunehmendem Alter.
Du könntest zumindest darauf bestehen, dass es Bereiche geben muss, die entrümpelt werden und bleiben, weil auch du ein Recht darauf hast dich in eurer Wohnung/Haus wohlzufühlen. Habt ihr Kinder? Sie könnten dich unterstützen.

Schau dich hier ein wenig um, das beantwortet vielleicht schon manche Frage.
Schön, dass du bei uns bist!
Die Kräuterfrau


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19.07.2017 18:19
avatar  Wolfram
#3
Wo

Hallo Infragestellerin,

Du schreibst, dass Du manche Sachen "heimlich" weggeworfen hast. Das ist das Verkehrteste, was Du machen kannst, auch wenn es objektiv berechtigt sein mag. Für ihn geht dadurch das Vertrauen an Dich verloren. Wenn er nicht weiß, was Du zukünftig noch alles wegwirfst, muß er Reserven anschaffen. Besser wäre es, Du würdest mit ihm darüber sprechen, was Du denkst, wegzuwerfen. Und wenn Du das begründen kannst wie hier, wird er auch ein Einsehen haben.
Mit der Zeit ist es auch bei mir mehr geworden. Aber ich denke, dass ich nicht mehr sammle pro Zeiteinheit wie früher. Insofern bin ich nicht schlimmer geworden.
@Henni
war es bei Dir vielleicht auch ähnlich? Das heimliche Wegwerfen kommt hier im Forum doch öfter vor. Eisbecher schmeiße ich auch weg, aber wenn es wertvolle Sachen sind, und insbesondere nicht wiederbeschaffbar sind, dann wird es kritisch.
Das Sammeln selbst ist von seinen bisherigen Erfahrungen abhängig, die ich nicht beurteilen kann.

viele Grüße
Wolfram


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20.07.2017 08:37
#4
In

Liebe Kräuterfrau,

ich danke Dir sehr für Deinen Beitrag.... Ja, mein Mann ist liebenswert, hat ein sanftes Wesen, ist nicht besonderes kreativ, sondern eher logisch-rational, daher habe ich manchmal Probleme ihn diesbezüglich zu verstehen.

Du triffst es natürlich auf den Punkt. Der Vergleich mit dem Alkoholiker ist vollkommen richtig. Solange keine Selbsteinsicht da ist, stehe ich relativ machtlos da.

Die Tendenz ist da, seit wir uns kennen, aber dieses Verhalten wurde in den letzten Jahren verstärkt. Sehr oft versuch(t)e ich sein Verhalten nur in positivem Licht zu sehen. Er ist eben ein "Bewahrer" und "Erhalter", also das Gegenteil von destruktiv. Ich werte ihn keinesfalls ab, respektiere ihn, aber ich möchte das Syndrom verstehen. Daher werde ich mich in den nächsten Tagen hier in diesem Forum mal ein bisschen vertiefen, denn das hier ist ja eine wahre Fundgrube an Informationen.

Ganz liebe Grüße!


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20.07.2017 08:41
#5
In

Lieber Wolfram,

vielen Dank für Deinen konstruktiven Beitrag. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich noch nie persönliche Sachen von ihm weggeworfen habe. Wenn es mal so weit kommt, dass ich was wegwerfe, dann ist es z.B. eher ein kleiner Dekoartikel, den ich mal irgendwann vor gefühlten hundert Jahren gekauft habe und der irgendwie beschädigt ist, nicht gut genug zum Verkaufen oder Verschenken, eher solche Sachen.... Oder eben "wertloses" wie Plastikgabeln...

Aber der Gedanke, dass er eventuell das Vertrauen verlieren könnte und erst recht noch weiter Reserven anschaffen muss, der ist mir noch gar nicht gekommen, das klingt absolut logisch und ich danke Dir für diese Anregung.

Wie ich sehe gibt es hier wirklich viele interessante Informationen zum Thema. Da werde ich mich nun in den nächsten Tagen intensiv damit befassen bzw. ich werde so einiges hier lesen. Toll, dass es so eine Internetseite gibt.

Viele Grüße!


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