Wie es mir mit Ausmisten geht

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15.04.2022 12:25
#1
Ro

Der Kratzbaum ist zu Tode bearbeitet. Ich bugsiere ihn zum Auto, um ihn zum Wertstoffhof zum Sperrmüll zu bringen.
Wie’s der blöde Zufall so will, ist die Nachbarin auch draußen.

„Ach, bist du gerade beim AUS-MIS-TEN?“

Wie kann sie es wagen?
Oder gehört so etwas zum Smalltalk?
Als Aspie tue ich mich schwer, diesen Spruch einzuordnen.

Ausmisten.

Ich finde das Wort schrecklich im Zusammenhang mit Aufräumen.
Ausmisten tut man einen Stall. (Ja, und Tuten tut ein Schiff...)
Die täglich anfallenden Fäkalien von eingesperrt in Gefangenschaft lebenden Nutz- oder Haustieren werden herausgeschafft.
Was hat irgendetwas davon mit meinem Leben oder meinem Lebensumfeld zu tun?

Da ist ein Gegenstand in meine Wohnung gekommen, irgendwann, und hatte damals einen Sinn, einen Wert. Zumindest für mich.

Soll mir mit „Ausmisten“ nun suggeriert werden, ich hätte Schei*e in mein Zuhause geholt?
Oder dass Sachen in meinem Zuhause irgendwann zu Schei*e mutieren?

Was auch seltsam ist: Wenn man nicht gerade Landwirt oder Tierhalter ist, schwingt bei Ausmisten noch so ein „war-lange-unnütz-da-und-wird-jetzt-endlich-entfernt“ mit, während beim Stall ausmisten ein gewisser Rhythmus fest vorgegeben ist. Wie kam es zu diesem Sprachgebrauch?

Ich bin froh, dass meine Nachbarin es nicht mitbekommen hatte, als ich ein paar Sachen meiner Tochter in ihre neue Wohnung gebracht habe. Dem Kind die Habseligkeiten bringen wäre bestimmt auch mit diesem unsäglichen Verb bedacht worden.

Oder sollte ich sie auch ansprechen, wenn sie mir mit einer Abfalltüte begegnet?

Ach, bist du gerade beim Ausmisten?

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"Rotkäppchen" ... wegen meiner Prosopagnosie

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15.04.2022 18:55 (zuletzt bearbeitet: 15.04.2022 18:58)
avatar  Robin
#2
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Hallo @Rotkäppchen,

manchmal werden Wörter für eine neue Bedeutung von anderen Bedeutungen übernommen Z.B. "Birne" für ein Ding aus Glas... Im Englischen ist das m.E. noch viel krasser.

Ich mag das Wort "ausmisten" lieber als "entrümpeln", weil komischerweise meine bildliche Vorstellung sich zwar daran stört, wenn irgendwas von meinem Kram als Gerümpel bezeichnet wird - aber bei "ausmisten" denke ich nur an ein erfreuliches Ergebnis. Vielleicht mit frischem Stroh oder so. 😁

P.S.: Die Nachbarin hat das vermutlich deshalb gesagt, weil man es so nennt, während Hausmüll raustragen ist "Müll wegbringen" o.ä.. Einfach nix dabei denken und gut is.


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15.04.2022 19:32
avatar  Sally
#3
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Hallo Rotkäppchen :-)
Ja, manchmal braucht es schon ein "dickes Fell". (Um Mal bei dem "tierischen" Sprachgebrauch zu bleiben ;-).
Doch ich sehe es ähnlich wie @Miranda. Manche Menschen übernehmen unüberlegt Floskeln, ohne jemanden ernsthaft kränken zu wollen. Vielleicht war es ein etwas misslungener Versuch, Smalltalk zu halten oder auch, um sich Mal aus Neugierde ein bisschen vorzutasten?


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16.04.2022 09:16
#4
An

Hallo Rotkäppchen, ja, Ausmisten ist ein böses Wort, das aber oft auch ironisch gemeint ist.
Leider war ich nicht dabei. Ich denke, ich habe ein ganz gutes Gefühl dafür, ob das jemand unschuldig oder hinterhältig gemeint hat.
Aber manchmal ist das schwer zu beurteilen. Ich gehe im Zweifel davon aus, dass der andere das nicht so böse gemeint hat. Außer es gab schon eine Vorgeschichte oder jemand macht ständig dieselben Andeutungen oder Witze. Wie meine neue Chefin. Wenn jemand in jedem Gespräch immer wieder dasselbe Thema anschneidet, wird es verdächtig.
Ansonsten kann man auch davon ausgehen, dass die Leute an anderen die Fehler suchen, die sie selbst haben. Meine Mutter, die ein schrecklicher Messie war, hat sich immer sehr gerne darüber aufgeregt, wie unordentlich und schmutzig es bei anderen ist. Mir ist sowas eegal, jeder kann wohnen wie er will. Aber da es bei ihr so unordentlich war, hat sie gezielt bei anderen geguckt.
Anna


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19.04.2022 03:01
avatar  Fundus
#5
Fu

Auch als Aspie kann man in einen Thesaurus schauen und findet dann, daß der Begriff "ausmisten" für einen ganzen Stall ;) an Handlungen verwendet wird.

Die viel größere Frage ist ja nicht, was die Sätze der Leute auf Sachebene bedeuten, sondern warum sie sie sagen. Ich gehe mittlerweile davon aus, daß ein Großteil der Menschen bei einem äußeren Sinnesreiz, also z.B. einer Beobachtung oder dem Vernehmen von Wörtern, plötzlich ein Gefühl eines Treffers empfindet, weil eine entsprechende Erinnerung aktiviert wird. Und dann erhalten sie den automatisierten Impuls, die dazu abgelegte Worthülse abzusondern. Also wenn jemand auf einer Leiter steht "fall bloß nicht runter". Oder wenn eben erkennen, daß jemand Kram rausträgt, "oh, da trägt jemand Kram raus!" in der gerade passenden Variante mit Ausmisten formulieren.

Wenn ich mit einer Sporttasche am Aufzug stehe, kommt regelmäßig die Frage "Fahren Sie in Urlaub?" Habe ich dagegen einen Karton dabei "Ziehen Sie um?"

Also wenn Du nicht verstehst, was jemand von Dir will, geh einfach davon aus, es ist irgendwas Soziales ohne Belang. :) Freundlich mit einer ähnlichen Worthülse antworten und lächeln und nicken. :)

Falls jemand ein konkretes Anliegen hat, wird es es nochmal wiederholen (also z.B. mit dem Messer fuchteln und "Deinen Geldbeutel, habe ich gesagt!" rufen.)


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