Ein Schritt nach vorn

05.09.2016 19:55
#1
En

Hallo allerseits,

ich würde hier gern meinen Namen schreiben, aber ich schäme mich. Also bleiben wir vielleicht für den Anfang einfach bei Engelchen ;)
Ich bin 29 Jahre alt und komme aus Schleswig Holstein.

Seit 2010 habe ich gemerkt, dass meine Energie, den Haushalt zu bewältigen irgendwie erschöpft war. Ich war in einer Beziehung mit einem Mann, der mehr ein Junge war, den ich bemuttern musste, für ihn sorgen. Ich weiß noch, dass meine Wohnung vorher sehr sauber war. Ich war sehr stolz darauf und ich wünsche mir diesen Teil meiner Person wieder zurück, der abends die Tasse wegbringt, nachdem man den Fernseher aus macht oder den PC. Ich kann barfuß laufen, weil der Boden nicht zugestellt ist. Und ich liege gern in meinem Bett, weil es frisch gemacht ist.
Das war ich damals. Heute habe ich Angst nach Hause zu kommen. Es ist keine Panikattacke, sondern nur diese kleine Stimme im Hinterkopf, die mich daran erinnert, wie es aussieht. Wie voll. Wie unwohl ich mich fühle. Und vor allem die Ohnmacht, mich diesem Chaos entgegenzustellen.
Zu Beginn war ich sicher, das ist nur eine Phase. Ich war mir auch sicher, dass meine Seele gar nicht so zugestellt ist. Mittlerweile weiß ich, dass ich mir nur etwas vorgemacht habe.
In den letzten Jahren habe ich mir immer wieder Hilfe geholt. Die Therapeuten schreiben Seite um Seite, wenn ich erst einmal loslege und erzähle, was mir alles widerfahren ist. Ich habe von einer Persönlichkeitsspaltung über Burnout und Depression oder Borderline so ziemlich jede Diagnose gehört. Nur keiner kann sich entscheiden!

Fest steht, dass ich mich sträube Handwerker in die Wohnung zu lassen. Das bereitet mir jedes Mal große Unruhe. Ich weiß gar nicht mehr, wann mein Verbrauch bei mir zu Hause nicht geschätzt wurde. Mein Vermieter wollte sich sogar eine Begehung erzwingen. Irgendwann stand ich in Tränen aufgelöst vor dem Hausmeister und habe nur etwas gemurmelt davon, dass ich Angst habe und dass ich ihn gern reinlassen würde, aber dass ich es nicht kann und ich sei in Therapie. Seither lassen sie mich in Ruhe.
Letztes Jahr habe ich mich aufgerafft und etwa 30 120l Müllsäcke weggebracht. Allerdings war es danach nicht sauber, nur wieder begehbar. Aber ich hab dann nicht weitergemacht. Es tut weh, aufzuräumen. Ich kann das nicht beschreiben, aber ich denke, das verstehen viele hier. Es kostet so viel Kraft, dass ich teilweise nur einen Sack am Tag schaffe mit großen Bauchschmerzen. Ich hänge nicht mal an dem Zeug, es ist nur wie eine Lähmung. Wenn ich davor stehe, dann will ich nur noch weglaufen. Und die Gewissheit, dass ich das nicht kann, sorgt mittlerweile für eine Panikattacke nach der anderen.

Am Wochenende war es dann wieder so weit. Eine schlaflose Nacht. Mehrere Panikattacken. Mehrere Nervenzusammenbrüche, von denen ich mich heute noch nicht erholt habe.
Ich brauche Hilfe, das weiß ich. Ich will Hilfe, aber ich weiß nicht, woher ich sie nehmen soll. Deswegen bin ich hier, denn vor allem will ich nicht einfach nur einem Therapeuten alles erzählen, ich will mich austauschen. Ich will mich in einem Cafe bei einem Tee darüber unterhalten und auch wieder anfangen, Kontakt zu Menschen aufzunehmen, denn dieser Zustand hat mich in eine Isolation getrieben, die mir zusetzt.
Ich will mein Leben zurück. Ich will eine normale Wohnung. Ich will keine Angst mehr haben.

Rückwirkend, wenn ich überlege, was genau der Auslöser war, war das nicht nur mein unfähiger Babypartner, der sich selbst nicht versorgen konnte und mir jede Kraft geraubt hat. Es war auch die Situation mit meinen Nachbarn. Sie waren und sind ab und an noch laut. Ich war und bin keine Person, die auf Konfrontration aus ist und sie haben ignoriert, wenn ich sie gebeten habe, leiser zu sein. Ich konnte nicht ohne Angst nach Hause. Ich bin bei jedem Geräusch zusammengezuckt, ob wieder Stundenlang Metalmusik das Glas in der Tür zum zittern bringt. Ich konnte nicht schlafen. Ich war ohnmächtig und hilflos. Mein Vermieter hatte nicht reagiert, die Polizei nicht, mein Freund blickte mich nur mit Dackelblick an und ich bin an der ganzen Situation zerbrochen. Ich weiß das jetzt. Ich hasse meine Wohnung und ab dem Zeitpunkt habe ich es gehasst, rauszugehen. Ich habe es gehasst, ihnen zu begegnen. Ich habe 2 Jahre lang nicht meine Wäsche gewaschen im Keller. Ich hatte Angst. Ich war in ständiger Angst. Und wenn man nicht rausgeht, kann man auch keinen Müll wegbringen. Und jetzt ist es so viel und ich hab mich noch nicht erholt.

Ich wünsche mir wirklich, dass ich lerne, das wieder in den Griff zu bekommen und dass damit meine Angst weniger wird. Ich wünsche mir auch ein Wunder, aber ich glaube nicht, dass ich morgen aufwache und alles ist in Ordnung.
Daher nehme ich jeden Rat gerne an, jeden noch so kleinen Tipp. Jedes Gespräch.

Viele Grüße
Engelchen


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07.09.2016 19:26
avatar  Ordnung
#2
Or

moin moin im hohen norden,

Auch daher, sehr herzlich willkommen, ich taet sofort starten, da gaebe gaaaaaar nix, will doch ne sehr schoene Wohnung, guck dir mal meine Bilder an, will mich nicht loben, aber hab schon guuuut rausgetan, muss noch, weil Papiertonne ist Grad gut leer.

Komm in die Puschen, auf geht's., LG der Robert Ordnung

Robert Ordnung
gepr. Immobilienmakler SGD 1,3
Certified Real Estate Agent SGD 2,+
Premium-Immobilienmakler, international, 34 c GewO

Ausbildung der Ausbilder AdA SGD 2 (Meisterbrief)

Mach dirs selbst so, Harald Gloeckler, Zitat fuer alle Neider


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07.09.2016 19:44
#3
En

Hallo,

danke für die Antworten. Und ja, das Gefühl, sofort irgendwas ändern zu wollen, merke ich jeden Tag. Irgendwie ist es doch ganz einfach? Und dabei so unendlich anstrengend, dass ich abends in mein (frisch bezogenes yeiy) Bett falle und schlafe wie ein Baby.
Momentan möchte ich nicht einmal die Welt verändern, aber dieses Seelenfutter, dass du da erwähnt oder beschrieben hast Angelina, das versuche ich schon lange einzubauen. Allerdings ist meine Seele irgendwie ausgehungert. Egal, was ich ihr gebe, es ist nicht genug, um das Loch zu stillen.

Daher beschäftige ich mich gerade intensiv mit meinem inneren Kind. Ich lese Bücher, lausche den Meditationen und muss gestehen: au Backe. Und es hilft, sich selbst mal in den Fokus zu rücken und nicht einfach immer nur das Aufräumen als temporäre Linderung zu nehmen gegen die nächste Panikattacke, sondern sich mit den Ursachen und den eigenen Gefühlen auseinander zu setzen und sich dabei ein Bild vor Augen zu halten. In meinem Fall ist das eben mein bescheidenes Wohnzimmer, in dem ich abends Serie schaue und mich mit meiner Katze auf das Sofa lege (auf dem ich seit 4 Jahren nicht mehr war, weil da so viele Kartons stehen) und dabei Tee trinke. Aber mein richtiger Seelenleckerbissen ist lustigerweise auch die Küche. Ich liebe es frisches Brot zu backen. Generell zu backen, obwohl ich immer sage, ich kann weder kochen und backen. Ein Glaubenssatz, den ich in mir drin habe, der aber nicht stimmt. Jetzt muss ich das nur noch begreifen!
Ich belohne mich mit Kleinigkeiten, die allerdings zu einer schöneren Wohnung beitragen. Gestern waren es Geschirrhandtücher, die etwas hübscher sind und heute ist es der Haken für sie, den man an die Tür des Schranks hängen kann, weil sie einfach einen besonderen Platz verdient haben. Natürlich wird der Schrank vorher ordentlich geschrubbt!

Die letzten Tage waren sehr hart. Ich war in einem ständigen Angstzustand. Ich habe sogar jemanden verloren, der um mein Problem wusste und das einfach nicht mehr konnte. Zu meiner großen Verwunderung bin ich froh, dass ich diese Person los bin und fühle mich total erleichtert. Also gehts mir dadurch sogar noch besser, obwohl der Stress nicht gut war.
Aber je mehr ich mache und je mehr ich sehe, dass ich gar nicht so hilflos bin, weil dieser Dreck dann doch nicht so hart ist und ich einfach nur mal einweichen lassen muss oder ich eine härtere Bürste nehmen muss und dann darunter sowas wie Normalität zu finden, das macht mich so glücklich, dass ich gerade vor mich hergrinse.

Wenn ich eins begriffen habe, dann dass ich diese Wohnung nicht einfach aufräumen kann und dann weitermachen kann. Das habe ich vor Jahren. Es gab insgesamt 2 oder 3 Hauruckaufräumaktionen und ich bin immer noch in dem Chaos. Auch jetzt lass ich einfach mal 5 gerade sein und freu mich, dass ich überhaupt die Motivation gefunden habe, etwas zu tun, ohne mich zu verurteilen, dass ich nicht perfekt bin und das jetzt genauso gemacht habe, wie man das erwartet.

Und es hat vor allem gut getan, hier im Forum zu stöbern und zu erkennen, dass ich mich doch nicht so sehr schämen muss, wie ich mir eingeredet habe. Und dass ich nicht alleine dabei bin. Ich hab all die Probleme gelesen, die andere auch haben (Ich sag nur meinen Fliegendreck an den Rauchmeldern, die muss ich noch bis Ende des Jahres austauschen lassen und hoffentlich haben die vorher keine Probleme mit den Batterien...PS wenn einer weiß, wie ich die reinigen kann, ohne dass ich davon taub werde, dann bitte melden!!!!!).

Grüße Engelchen


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