Messie & Wahrnehmung

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21.12.2021 20:00
avatar  Robin
#6
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@Draculara, @IBI

Zitat
natürlich haben wir in zweideutiger Hinsicht das Hochstapler-Syndrom. Einmal wegen dem Stapeln in der Wohnung


🤣🤣🤣

Zitat
und einmal natürlich, weil wir immer befürchten, die Mitmenschen zu enttäuschen, die (scheinbar zu) große Erwartungen in uns setzen.


Ich versuche auch immer, bei diesen ganzen Syndromen die Zusammenhänge zu verstehen. Hochstapler-Syndrom hörte ich eben zum ersten Mal. Es hätte gut auf die Situation in meiner Schulzeit passen können, wo die Lehrer aufgrund einzelner Leistungen und dem Umstand, dass ich rebellisch und gelangweilt war, schlossen, dass ich zu sehr viel mehr in der Lage sei, und ich nur wusste, irgendwas stimmt hier nicht... Na, z.B., sich einfach nur ganz normal zu benehmen und dann nach dem Elternsprechtag zu hören zu kriegen, die Lehrerin hätte Angst vor mir, und keine Ahnung zu haben, warum... Oder angebrüllt zu werden, ich hätte es ja nicht nötig, zuzuhören, und auch wieder nicht zu wissen, warum. Das lässt sich fortsetzen.
Mein Ex (auch Aspie) wurde immer von anderen Jungs verdroschen und die Lehrer sagten, er sei ja selbst schuld, er würde immer provozieren. Und er wusste auch nicht, warum. Mittlerweile weiß er es, denke ich, aber er kann es nicht unterlassen.

Natürlich entwickeln Leute, die irgendwie "anders ticken" leicht das Gefühl, dass mit ihnen was nicht stimmt und dass etwaige Leistungen ihre Fähigkeiten nicht korrekt widerspiegeln. Hm, und mal abgesehen davon, bei mir sagten die Lehrer "Du könntest, wenn du nur wolltest", und ich hätte korrekterweise antworten müssen "Aber ich kann nicht *wollen*!", aber ich konnte dieses Problem ja gar nicht erkennen und hatte keine Begriffe dafür, also nur ein inneres "Hey, das ist nicht so wie ihr denkt".

Dass Hochstapler-Syndrom und Messie das gleiche sein sollen, kann ich aber überhaupt nicht nachvollziehen. Ich sehe es relativ mechanistisch so, dass Messie bedeutet, die Wohnung krass zu überfüllen, und dass das verschiedene Ursachen haben kann. Deshalb hatte ich übrigens zunächst auch große Vorbehalte gegenüber Selbsthilfe-Gruppen und -Foren zu dem Thema. Ich dachte, da werden eher Identitäten zelebriert und zementiert. (Das ist übrigens der Hauptgrund, weshalb ich seit vielen Jahren aus der Asperger-Selbsthilfe raus bin - aber Stand der Dinge ist: Ich muss da wieder rein... Und mich womöglich sogar wieder mit Eltern rumschlagen, die es fertigbringen, 10-15 erwachsenen Aspies total panisch zu erzählen, ihr Kind sei grade diagnostiziert worden - und nicht *einmal* zu fragen: "Wie kommt ihr eigentlich klar?")

Na, jedenfalls, ich unterscheide nach Verhalten (das das Resultat mehrerer verschiedener Bedingungen ist), physiologischer/neurologischher Grundlage (auch die ist stets veränderbar, aber nicht so schnell - das kann man sich z.B. an Schlaganfall-Patienten anschauen, die Grundfunktionen wie Sprache oder Kontrolle von Gliedmaßen wieder neu lernen müssen, wenn die Hirnregionen, die vorher dafür zuständig waren, zerstört sind) und der sozialen Ebene (die, wie ich im Studium gelernt habe, die führende ist). D.h. Entwicklung ist immer möglich und braucht zumeist ein Gegenüber.

Und dann war da noch die Veränderung von Perspektive/Denkweise, die zu schnellen, sprunghaften Veränderungen führen kann, die mit den oben genannten Modellen allein nicht erklärbar wären. Aber so ist es halt mit den Menschen: Wir können zu blitzhaften Einsichten kommen!

Also, wie man dem wohl entnehmen kann - mit dem ganzen Syndrom-Krams kann ich nicht wirklich was anfangen! Ich benutze es nur, um schnell und unkompliziert auf Zustände abseits der Normalität hinzuweisen.


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21.12.2021 20:13
avatar  Robin
#7
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P.S.: Mir fiel grade noch ein, dass ich ja auch geschrieben hatte, dass mir Erfahrungen meiner Leistungsfähigkeit außerhalb der Wohnung in den letzten Monaten gezeigt haben, dass ich gewiss nicht krass unfähig bin, in gar nichts. Und deshalb einfach keinen Hinderungsgrund mehr sehe, die Wohnung in Ordnung zu bringen. So wie ich das sehe, war der Hinderungsgrund, dass ich es irgendwie geschafft habe, das physikalische Gesetz auszublenden, dass ein Gefäß sich immer mehr füllt, wenn man immer mehr reintut. Klingt völlig verrückt, aber so ist es halt mit den "toten Winkeln"!


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22.12.2021 15:41
#8
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Moderator

@Miranda

das mit den Lehrern kenne ich zur Genüge. Aber dass dann meine Mutter auch noch auf mir rum ritt mit den Worten: "Die Frau... hat gesagt, du könntest alles, wenn du nur wolltest... - Aber du willst ja nicht!"

Wie ging mir dieser Spruch auf den Geist. Ja wer will schon den ganzen Tag über den Schulbüchern brüten, um gute Zensuren zu schreiben - kommt man nach Hause, will man nicht noch weiter drüber nachdenken. Wenn einen die Mitschüler mobben und hänseln, traut man sich oft gar nicht mehr, sich zu melden, und schon gibts Abzüge in der mündlichen Note. Warum soll man sich melden wollen, wenn einen alle angucken, als hätte man Herpes, und hinter vorgehaltener Hand über einen tuscheln.

Aber über all das konnte ich mit der Mutter nicht reden. Mein Vater meinte immer nur: "Ne 4 ist immerhin ausreichend".

Ich habe jetzt auch herausgefunden, warum ich mir in der Opferrolle gefalle. Ein Opfer ist kein Täter. Es fühlt sich moralisch besser an, Opfer zu sein, und ich kann mir inzwischen überzeugend klar machen, dass ich nicht (anders) handeln konnte. Im Gegenteil, ich habe mir ausgemalt, anders gehandelt zu haben, was dann passiert wäre, und kam dann darauf, dass es noch schlimmer geworden wäre. Dadurch konnte ich jetzt Frieden mit der Vergangenheit schließen und sage mir jetzt immer: Wer über ungelegten Eiern brütet, der erreicht damit nichts, es kommt schließlich auch nichts dabei heraus.

Viele Grüsse
Draculara

http://www.draculara.de

http://messie.bplaced.net/messie

Eine Lösung setzt ein Problem voraus. Ich kenne meine Fehler, das hält mich aber nicht davon ab, sie zu machen

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22.12.2021 20:10
#9
Wo

danke @Draculara

Opfer kann aber auch Täter werden. Das sehe ich an den vielen Tätern, die bestimmt nicht als Täter geboren wurden, die waren auch mal Opfer. Ansonsten stimme ich Dir zu. Ich brauche mir keine Gedanken darüber zu machen, was andere über mich denken könnten. Was habe ich davon, nichts? Und wenn es etwas Schlechtes sein sollte, dann ist das sowieso nur ihre Meinung.

viele Grüße
Wolfram


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22.12.2021 20:15
avatar  IBI
#10
IB
IBI

Zitat von Draculara im Beitrag #8
Ein Opfer ist kein Täter.

Diese pauschale Aussage ist nicht korrekt.

Sehr viele Menschen, die sich in der Opferrolle fühlen, können schnell zum Täter werden und die Muster, die sie von ihren Tätern unbewusst abgeschaut haben, ausleben, sobald sie jemanden vor sich haben, der ihnen schwächer vorkommt.
Vor einiger Zeit schrieb ich über das Dramadreieck, und wir können schneller als uns lieb ist in alle 3 Rollen des Dreiecks schlüpfen. Kommt auf den Kontext an.

Das Buchkapitel "Gefangen im Dramadreieck" habe ich bis jetzt nicht geschrieben.
Die neutrale Position in der Mitte des Dreiecks ist das Ziel und dann kannst du von aussen in aller Gelassenheit beobachten, wer welche der Rollen in welchem Kontext einnimmt, doch derjenige der die Rolle innehat, ist sich meist nicht bewusst, welche der Rollen er inne hat.
Im letzten Block unserer Ausbildung war dieses Dreieck mit den Dynamiken Thema.


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