Hallo

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29.04.2015 19:34 (zuletzt bearbeitet: 29.04.2015 19:41)
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#11
Gast
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Die Belohnung sollte nach Möglichkeit nicht etwas sein, das in sich gesehen problematisch ist bzw neue Probleme erzeugen kann. Problematisch heißt zum Beispiel: Messietum fördernd (etwas kaufen), dick machend (Süßigkeiten), gesundheitsgefährdend (rauchen). In der Praxis ist das alles andere als einfach.
Ich zum Beispiel esse auch gerne Süßigkeiten, und ich bin auch Raucherin. Daher liegen diese Belohnungen einfach so nahe, wenn man es sowieso schon gewohnt ist. Es ändert halt den Lebensstil nicht so ins Positive, wie es könnte. Also auch ohne Arzt zu sein, sollte ich dich nicht darin bestärken, dass du auf dem richtigen Weg bist, wenn du rauchst. Aber als Raucherin gesteh ich dir: Ich machs auch. Aber ich bemühe mich, vom "Rauchen als Belohnung" immer mehr wegzukommen, und bessere Alternativen zu finden. Süßigkeiten als Belohnung habe ich mir inzwischen schon abgewöhnt; ich esse nur noch sonntags was Süßes ("Cheat Day")
Aber bevor das jetzt gar so demotivierend klingt: Die Richtung stimmt auf jeden Fall!
Und ja - ein schönes Schaumbad statt nur schnell zu duschen steht ganz weit oben auf der Liste der Top-Belohnungen. Es kann nur unter Umständen einen Haken haben: Für die effektivste (also schnellste) Umprogrammierung ist wichtig, dass man sich sowohl vorenthält, auf andere Weise an seine Belohnung zu kommen, als durch den mühsamen Weg. Sonst wird man nur besser darin, Ausreden vor sich selbst zu erfinden, die auf direktem Weg zur Belohnung führen. Und das andere ist, dass die Belohnung am Anfang wirklich sofort erfolgen sollte, damit der Zusammenhang für das Gehirn leichter herzustellen ist. An anderer Stelle steht es schon: Der Mensch ist grundsätzlich zum Belohnungsaufschub fähig (Tiere können das nur sehr, sehr begrenzt), aber es muss geübt werden. Das Schaumbad ist also sehr gut geeignet, um am Anfang zusätzlich zu den Mini-Belohnungen zwischendurch zu erfolgen. Als "Fortgeschrittener" kann man sich mit der Aussicht darauf schon mal durch einen ganzen stressigen Tag vertrösten - natürlich. Nur wie gesagt: Je öfter du die Abfolge wiederholst, desto schneller wird das neue Muster etabliert. 10x klein ist demnach erheblich effektiver als 1x groß.

Nebenbei erwähnt gibt es dazu schon seit den 60ern ein berühmtes Experiment mit Kindern, das dies verdeutlicht: Man gibt Kindern ein Marshmallow, und erklärt ihnen, dass sie eine Weile warten müssen, und wenn sie das Marshmallow bis dahin nicht gegessen haben, bekommen sie noch eins. Sie haben also die Wahl: Entweder jetzt sofort eins, oder beherrschen/gedulden, und dafür dann die doppelte Belohnung haben.
Je jünger die Kinder sind, und je länger sie warten müssen, desto wahrscheinlicher essen sie das Marshmallow. Mit steigendem Alter können die Kinder durchschnittlich gesehen länger durchhalten. Die primäre Erkenntnis daraus besteht für die Forschung in einem "direkten Zusammenhang zwischen der Fähigkeit zur Impulskontrolle und späterem beruflichem Erfolg". An dieser Stelle kommt die Idee ins Spiel, dass man das auch als Erwachsener noch gezielt verbessern kann, wenn das in der Kindheit versäumt, oder falsch angelegt wurde, oder wenn es im späteren Leben durch irgendein Ereignis/Einfluss irgendwie kaputt gegangen ist. Die Inspiration dazu stammt wiederum aus der Selbstmanagement-Therapie, bei der es nicht darum geht, sich selbst zu therapieren, sondern in der man lernt, sich selbst zu managen. Das kann man entweder mit professioneller Hilfe, aber auch durch Selbsthilfe-Gruppen bzw -bücher, und den Anstoß, sich in dieser Richtung schlau zu machen, bekommt man unter anderem eben hier.


Zum Thema "klug gewählte Belohnungen" haben wir schon eine ganz passable Sammlung, aber es gilt prinzipiell: Was für dich ein positiver Verstärker ist, kannst du nur selbst herausfinden und festlegen, denn nicht alles wirkt bei jedem gleich gut, und nicht alles wirkt bei ein und derselben Person immer gleich gut. Wenn du also fragst, ob es sinnvoll ist, die Belohnungen zu wiederholen: Ja, solange es damit für dich funktioniert. Wenn es nicht mehr funktioniert, du aber über das Konzept informiert bist, kannst du (auch in vielen Jahren noch) schnell herausfinden, wo der Fehler liegt, und dir entweder überlegen, ob die Aufgabe zu groß ist, und verkleinert werden muss, damit die Belohnung zieht, oder ob du eine andere Belohnung brauchst, um dich in die Gänge zu bringen. Wir nennen das "mit sich selbst verhandeln".
Die gute Nachricht ist, dass man das nicht auf ewig machen muss, denn das wäre auf Dauer zu anstrengend. Der eigentliche "Zaubertrick" ist: Wenn die neuronale Verknüpfung erst einmal etabliert ist, wird aus der "willentlichen Verhaltensänderung" dein neues "Verhaltensmuster", und das ist dann so fest verankert, dass es deine neue Gewohnheit wird. Gewohnheiten sind eben genau das, was wir tun, ohne nachzudenken - was wir uns "eben angewöhnt" haben. Und du weißt sicher selbst, dass es sehr schwer ist, sich etwas abzugewöhnen - aber man kann sich eben etwas Neues angewöhnen, und idealerweise macht man das gezielt, und auf eine Art und Weise, die die alte, unerwünschte Angewohnheit überschreibt.
Auch das kannst du hier schon nachlesen, zum Beispiel bei Franca, die irgendwann ganz erstaunt bemerkte, dass sie die Dinge "plötzlich irgendwie nebenbei" erledigt, zu denen sie sich noch kurz zuvor kaum aufraffen konnte. Es war ihr zur Gewohnheit geworden.

Anregungen, was positive Verstärker ("Belohnungen") sein können

Zur letzten Frage: Doch, ich denke, dass das gut zusammenpasst. Es geht darum, gut zu sich zu sein (für den Anfang zumindest korrekt zu sich zu sein), und bei den Belohnungen möglichst darauf achten, dass sie je nach Möglichkeit - viele neue positive körperliche Empfindungen auslösen (riechen, fühlen, schmecken, hören, sehen), denn je mehr Sinne auf eine neuartige Weise angesprochen werden, desto intensiver ist die Erfahrung - und intensive Erfahrungen werden vom Gehirn immer sehr begierig aufgenommen.


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29.04.2015 21:02
#12
ko

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort.
Habe den Fehler erkannt, nicht nur dass ich mich mit ungesunden Dingen belohnen wollte, sondern auch folgendes: mein Plan war, Gewohnheiten(mal ganz ehrlich, wenn ich rauchen will tu ichs so oder so, genauso den Süßkram, zum Glück hab ich nen verdammt guten Stoffwechsel ;-)) zu Belohnungen zu machen. Was ist aber mit den Dingen, für die ich mir sonst sehr selten Zeit nehme? Ich liebe Tee, aber wie oft koche ich mir einen? Auch die Sache mit dem gesunden Essen, ich liiiiiebe Rohkost, aber ich überlege gerade, wann ich mir ds letzte nal ein buntes Tellerchen mit Paprika, Tomate, Karotte und Gurke gemacht habe, um dann mit Frischkäse zu dippen. Das könnte ich vorbereiten, dann ist der Ansporn glaub noch größer.
Und noch einiges mehr ist mir eingefallen.
Ja ich glaube ich habe verstanden worum es geht.
Mir ist auch eines klar geworden heute, bei den ersten, kleinen Schritten:
Mein Aufräumverhalten war immer so, dass ich mich durchgebissen habe, um einigermaßen Ordnung zu schaffen. Mir selbst Druck gemacht oder Druck machen lassen (Heizungsableser etc). Auch bei Ankündigungen habe ich immer solange gewartet, bis die Zeit nurnoch zum irgendwie Wegmogeln gereicht hat.
Dadurch habe ich mich selbst immer wieder in Situationen gebracht, die mich überforderten. Durch kleine Schritte passiert das nicht so schnell.
Habe eben gekocht, und während das Essen im Ofen bruzzelte, wollte ich mich dem Unterspülenschrank widmen. Den hab ich Ewigkeiten nicht mehr auf gehabt, und war geschockt, was ich da alles reingestopft habe... ich spürte nen Klos im Hals, Überforderung. Ok, räume das Putzmittel raus, dann machst du kurz Pause, atmest durch und dann gehts weiter. Ja und so schlimm wars garnicht :-)

Habe heute auch noch die großen blauen Müllsäcke, die leeren die ich noch hatte, verschenkt. Die kommen mir nicht mehr ins Haus.

Meinem Berg an Müllsäcken habe ich mich allerdings noch nicht gewidmet. Das ist ne riesen Hürde, nehme mir aber für morgen vor, fünf mal mit vollen Händen in den Keller zu gehen. Täglich 5 mal, bis wenigstens die Wohnung frei davon ist. Ich befürchte, der Balkon muss erstmal so bleiben, und beginne diesen peu à peu freizubekommen, sobald die Tonne geleert ist.


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29.04.2015 22:52 (zuletzt bearbeitet: 29.04.2015 22:53)
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#13
Gast
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"Ich liebe Tee, aber wie oft koche ich mir einen? Auch die Sache mit dem gesunden Essen, ich liiiiiebe Rohkost, aber ich überlege gerade, wann ich mir ds letzte nal ein buntes Tellerchen mit Paprika, Tomate, Karotte und Gurke gemacht habe, um dann mit Frischkäse zu dippen."

Ja! DAS klingt jetzt nach einem wirklich guten Plan. Es sind Dinge, die du eigentlich liebst und die gut für dich sind, und die du dir zu selten gönnst. Damit bist du absolut auf dem richtigen Dampfer auf dem Weg zu einer dauerhaften Verbesserung deiner Lebensqualität.

"Mein Aufräumverhalten war immer so, dass ich mich durchgebissen habe, um einigermaßen Ordnung zu schaffen. Mir selbst Druck gemacht oder Druck machen lassen (Heizungsableser etc). Auch bei Ankündigungen habe ich immer solange gewartet, bis die Zeit nurnoch zum irgendwie Wegmogeln gereicht hat.
Dadurch habe ich mich selbst immer wieder in Situationen gebracht, die mich überforderten."

Was du beschreibst, sind sog. negative Verstärker. Das sind Reize, die wegfallen, sobald die Aufgabe erfüllt ist. Primär sind das Druck, Angst, Stress, Schmerz, Scham. Menschen mit einer Antriebsschwäche können negative Verstärker bis zu absolut extremen Graden aushalten/ignorieren/ausblenden. Sie reichen allein einfach nicht aus, um diesen Menschen in Bewegung zu setzen, obwohl sie im Normalfall schon lange überreichlich vorhanden sind.
Es hat sich in vielen Gesprächen herausgestellt, dass hingegen die positiven Verstärker (Belohnungen im weitesten Sinne) bei den meisten Betroffenen gar nicht, unangemessen klein oder groß, problematisch oder in der falschen Reihenfolge vorhanden sind. (das sind dann diese "5 Typen von Programmfehlern"). An den negativen Verstärkern kann man in der Praxis nicht wirklich was regulieren. Außerdem haben sie einen fetten Haken: Sie schwellen ja an, wenn das Problem anschwillt. Also zum Beispiel "Je höher der Müllberg wächst, desto mehr schäme ich mich". Aber das heißt eben auch, dass sie abschwellen, sobald der Müllberg zu sinken beginnt. Wenn du jetzt also an einem Punkt angekommen bist, an dem dir die Scham so unerträglich geworden ist, dass du dich endlich in Bewegung setzt, und den Müllberg abzutragen beginnst, sinkt deine Scham im gleichen Maße wie der Berg - und wenn du Pech hast, sinkt sie auf ein erträgliches Niveau, bevor der Müllberg ganz weg ist, und alles geht wieder von vorne los. Deshalb ist es sinnlos, sich allein auf die Motivation durch negative Verstärker zu verlassen. Man lernt nur mit jedem vollständigen Durchlauf dieses Teufelskreises, die negativen Verstärker noch länger zu ertragen, als beim letzten Mal, und das führt irgendwann bei vielen sogar in die vollständige Wirkungslosigkeit aller negativen Verstärker, und damit in die totale Resignation und Selbstaufgabe.

"Ich spürte nen Klos im Hals, Überforderung. Ok, räume das Putzmittel raus, dann machst du kurz Pause, atmest durch und dann gehts weiter. Ja und so schlimm wars garnicht"

So muss das ;) Die Pause war in dem Fall die "kleine Sofort-Belohnung". "Wenn ich tapfer bin, und diese unliebsame Leistung erbringe, verdiene ich mir eine Pause", das hast du mit dir selbst verhandelt, eingehalten, und dich hinterher gut gefühlt. Perfekt! Und genau diese "so schlimm wars garnicht"-Erfahrung ist es, die dich mit der Zeit wachsen lassen wird. Du kannst länger durchhalten bis zur Belohnung und/oder bist mit weniger zufrieden, was nicht zuletzt daran liegt, dass zu der Handlungs-Belohnung (z.B. Tasse Tee kochen) noch die Zufriedenheit und der Stolz auf die eigene Leistung hinzu addiert werden. Das Gefühl der Überforderung wird vielleicht nie vollständig aus deinem Leben verschwinden (bei mir ist das zumindest so), aber wenn du gelernt hast, genau das, was du gerade beschreibst, bewusst wahrzunehmen und (zumindest dir selbst gegenüber) ehrlich zu formulieren "Ich fühle mich gerade überfordert" oder "Diese Aufgabe macht mir Angst", dann kannst du die richtigen Gegenmaßnahmen ergreifen. Insofern beglückwünsche ich dich also nicht nur zu deiner geradezu Ehrfurcht gebietend perfekten Auswahl an Belohnungsideen, sondern auch zu deiner Ehrlichkeit, jetzt schon Überforderung bewusst wahrnehmen, und ihr - geradezu lehrbuchmäßig - entgegen steuern zu können. Ist das nicht erstaunlich? Gestern abend hast du noch gefürchtet, gesteinigt zu werden, weil du "schon am Boden" warst. Und heute stellst du dich erfolgreich einer Aufgabe, obwohl du dich von ihr überfordert gefühlt hast. Wahnsinn. Der schiere, nackte Wahnsinn. Ich sags immer wieder. Gehirne sind einfach coole Viecher.


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30.04.2015 14:05 (zuletzt bearbeitet: 30.04.2015 14:05)
#14
ko

Danke numi.
Heute kommt ein Handwerker der sich meine Spüle anguckt, also unter die Spüle natürlich. Panik. Um 3 ists soweit, ich habe pure Panik....wie bekomme ich die los? Keine Chance, hab keine Nummer, kann nicht absagen. Der wird von der Hausverwaltung geschickt. Mir ist kotzübel. Bin ich froh wenn dieser Tag vorbei ist...


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30.04.2015 14:23
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#15
Gast
( gelöscht )

Da gibt es leider nichts. Du kannst dir nur sagen: Beim nächsten Mal, wenn einer kommt, sieht es hier ordentlich genug aus, dass der nix auszusetzen haben wird!
Es wird dann schlagartig besser, sowie der Typ wieder weg ist (und die meisten von denen haben schon viel gesehen - es schert sie nicht). Danach ist es wichtig, dir bewusst zu sein, dass ein Gutteil dessen, was dich bis eben motivierte, von dem negativen Verstärker stammte (Angst vor dem Handwerker/Scham), der jetzt wegfällt. D.h. der Ausfall muss kompensiert werden, eventuell durch nachkorrigierte (neu verhandelte) positive Verstärker. Sonst reichen die allein wieder nicht aus, damit du dran bleibst.


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