katastrophale Zustände beim Vater

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08.06.2013 16:08
avatar  Phoenix
#1
Ph

Hallo, bin neu hier, es überrascht mich positiv dass es ein Forum für Messies und deren Angehörige im Internet gibt, wie dem auch sei, ich werde mal meine Geschichte und meine Probleme dazu erzählen:

Wie der Titel schon sagt, es geht um meinen Vater.
Mein Vater lebt mit seiner Mutter alleine in einem Mehrfamilienhaus, mit großen Garten, dies war auch lange Zeit recht unproblematisch, da mein Opa zu Lebzeiten sehr dominant und auf Ordnung bedacht war. Seit seinem Tod 2001 ist jedoch alles in ein reines Chaos verkommen.

Mein Vater und seine Mutter bewohnen hauptsächlich nur die Hälfte der Räume im Erdgeschoss, einen Raum im Dachgeschoss und einen Kellerraum zum Wäsche waschen und zum heizen. Alle anderen Räume sind im Laufe der Jahre mehr und mehr unbewohnbar (mittlerweile auch unbetretbar) geworden. Mein Vater ist hierbei der Verursacher, zu seinen Hobbies zählen Flohmärkte, insbesondere Bücher, Wäsche und "Ramsch" bzw. "Kitsch". Nebenbei geht er auch auf den Sperrmüll um nach Möbeln zu suchen (zum großen Teil stehen diese im Garten) oder wühlt auf dem Wertstoffhof im Schrottcontainer. Kaputte Geräte werden prinzipiell aufgehoben, im Allgemeinen ist die Wohnungseinrichtung zwischen Vorkriegszeit und 70er Jahre einzuordnen.

Der Keller gleicht einem "Lager" für Bücher, er selbst ist stolz auf seine ca 7-8000 Bücher. Lesen tut er sie jedoch nie. Im Keller findet man noch Konservenbüchen aus der Nachkriegszeit, selbst gemachte Marmelade aus dem Jahre '71 ist auch noch massenweise vorhanden. Hamsterkäufe sind auch die Regel, beim Wäschewaschen muss man das alte Waschpulver meistens mit Hammer und Meißel aus dem Karton klopfen.

Das Dachgeschoss wurde 1999 von meinem Opa renoviert und sehr modern ausgestattet, jedoch konnte er wegen seiner kaputten Knie die Treppe nichtmehr hochgehen, so dass mein Vater sich damals schon ungehindert ausbreiten konnte. Heute laufen Mäuse en masse da oben spazieren, man bekommt teilweise die Türen nicht mehr auf, der Müll stapelt sich bis an die Decke.

Er begründet seine Sammelwut und seine Hamsterkäufe mit "hier kann man viel Geld sparen" oder "es tut mir in der Seele weh, was andere Leute wegwerfen". Dazu ist zu sagen, dass mein Vater eine gut bezahlte Arbeit hat, er rein objektiv gesehen nicht auf solche Aktionen angewiesen ist.

Allerdings lässt sich auch ein kultureller und körperlicher Verfall erkennen, mein Vater geht so gut wie nie mit Freunden weg, "sowas kann ich mir nicht leisten".Eine Beziehung hatte er seit der kurzen Ehe mit meiner Mutter (1992 geschieden) nicht mehr. Dazu hat er vor 2 Jahren (!) einen Nabelbruch und einen Riss der Achillessehne erlitten, diese sind bis heute unbehandelt. Seit diesen Vorfällen verkommt alles in einem Maße, das in keinster Weise mehr tragbar ist. Die Bäume im Garten wuchern unkontrolliert, der Gartenteich gleicht einer Schlammgrube, Rasen wird nicht gemäht usw... Vor 2 Jahren ist ein Baum von seinem Grundstück auf das Carport des Nachbars gefallen, das Theater kann man sich vorstellen.

Ich sehe hierbei das "Chaos" eher als ein Symptom, sein komplettes Leben verläuft irgendwie in falschen Bahnen. Sein ganzes Leben wird, soweit ich das erkennen kann, von unglaublich großen Zukunftsängsten bestimmt. Auch ist deutlich zu erkennen, das er unter Paranoia leidet, er ist der Meinung die Nachbarn beobachten ihn um ihn anzeigen zu können (wegen was frag ich mich?).

Auch meine kindliche Erziehung hat deutliche Spuren hinterlassen, hatte lange Zeit psychische Probleme. Der O-Ton seiner Erziehung war stets nach dem Motto "Du bist nur etwas wert, wenn du Leistung bringst". Mittlerweile habe ich gelernt damit umzugehen, allerdings ist man mit seinen Eltern, egal wie sie einen behandeln, sein Leben lang verbunden.

Jedenfalls habe ich ihn vor ein paar Wochen dadrauf angesprochen, wie er sich das mit seinem Haus so vorstellt, wenn er mal alt ist, ob er bis zum bitteren Ende in diesem Müll leben will. "Ja, DU wirst mir dann mal den Haushalt machen, wenn ich nicht mehr kann." Im Moment macht das seine 87-jährige Mutter, bei Krankenhausaufenthalten zeigt sich, dass er nicht in der Lage ist, einfachste alltägliche Dinge zu tun, wie zb. Essen kochen, Wäsche waschen, Staubsaugen usw. Auf die Antwort, dass ich erstmal vier bis fünf 9m³ Container auf den Hof stell und alles rausschmeiß, reagierte er panisch und aggressiv. Der Wille ihm zu helfen, ein normales Leben zu führen, ist bei mir vorhanden, und er könnte sich auch darauf verlassen. Ich kann es aber nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, ihm bei der Vervollständigung seines Chaos zu helfen.

Das Problem ist, dass er vollkommen uneinsichtig ist, es gar als Beleidigung auffasst, wenn man ihn vor Tatsachen stellt. Er ist psychisch krank. Jedoch kann ich ihm nicht helfen, wenn er in keinster Weise einsichtig ist.

Weiß jemand da Rat, ob es überhaupt möglich ist, in irgendeiner Form eine Veränderung oder wenigstens ein Stück Einsicht bei ihm zu gewinnen?.
Immerhin wirkt sich das ja auf sein komplettes Leben auf.

Danke schonmal im Vorraus für alle Antworten.



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10.06.2013 23:32 (zuletzt bearbeitet: 10.06.2013 23:36)
avatar  IBI
#2
IB
IBI

Hmm,
diese Fragen sind immer wieder schwierig zu beantworten, denn idealerweise ist dein Vater irgendwann einmal selbst einsichtig.

Was du versuchen könntest. Vater und Oma fragen, wie ihre Kindheit so verlaufen ist, denn sehr oft sind hier die Ursachen für die Ausprägung zu finden, auch wenn möglicherweise eine Scheidung, der Tod eines Verwandten oder so den optischen Zustand in ein megaschlimmes Stadium verwandeln kann.

Jetzt kannst du beide zu ihrer Geschichte befragen, wenn dich das interessiert.
Und möglicherweise erfahren sie den Impuls, der sie bewusst werden lässt, was sie mit ihrer Wohnung machen und warum.

Ansonsten ist Helfen in diesem Stadium fast unmöglich.

Sorry, dass ich dir keine hilfreichere Strategie als "einfach zuschauen" und dich schützen (wobei ich den Eindruck habe, dass du das machen wirst, weil du nicht bereit bist, deinen Vater darin zu unterstützen) anbieten kann.

Viele Grüsse
Sonja


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11.06.2013 22:17
avatar  Phoenix
#3
Ph

Hey, danke für deine Antwort :)

Naja, die Selbsteinsicht ist zum Teil vorhanden, zum Teil wiederum nicht.
Als Beispiel: Habe ihn am Wochenende besucht, der Nachbar hat Anzeige erstattet, wegen einem wild wachsenden Strauch, der mittlerweile über 2,00m hoch ist. Dieser Strauch verdunkelt die Küche vom Nachbarn (steht nah an der Grundstücksgrenze).
Wie dem auch sei, mein Vater hat mich vollgejammert, dass alles so scheiße ist und keiner ihm helfe (O-Ton: DU hilfst mir nicht), da hab ich halt kurzhand ne Säge geschnappt, und wollte den Strauch absägen. Meine logische Denkweise: Den Strauch hat niemand willentlich gepflanzt, der ist nur gewachsen weil niemand den Rasen mäht, Strauch weg - Vater keinen Ärger mit der Polizei - Nachbar wieder Licht in der Küche.
Unglaublicher Protest war die Folge, was mir einfälle sein Eigentum zu demolieren, und dass ich ein stinkendfauler Hund bin, der nen Dreck auf das Wohlbefinden seines Vaters gibt.
Bin dann nachhause gefahren, mich vom faulenzen (6 Tage Woche) erholen.
Also auf der einen Seite will er zwar, dass alles ordentlich ist, aber bei der Umsetzung blockiert er total.

Als traumatische Erlebnisse, ja da gibt es schon einiges. Nachkriegsgeneration erstmal (wobei mein Vater eigtl ja nicht betroffen ist, aber ich denke sowas wirkt nach), der Tod meines Opas 2001, das war ne schwere Zeit für alle. Dauernde Angst um den Arbeitsplatz und deshalb horten "für schlechte Zeiten", was wohl aus dem Ruder gelaufen ist.

Und ja, du hast wohl recht, eine Therapie kommt im Moment wohl nicht in Frage, weiß aus eigener Erfahrung, dass man sich darauf einlassen muss, ansonsten kann man die Zeit statt beim Therapeuten in der Kneipe verbringen.

Ich glaube (befürchte), dass ich nichts tun kann, bis ihm irgendwann das Wasser bis zum Hals steht.


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11.06.2013 22:47 (zuletzt bearbeitet: 11.06.2013 22:50)
avatar  IBI
#4
IB
IBI

Hi Phoenix,

wenn ich dein Beispiel vom Wochenende lese, dann kannst du probieren etwas für dich zu tun:
Grenze dich deinem Vater gegenüber ab, denn ich glaube, egal wie du ihm helfen willst, er wird gegen dich und deine Aktivitäten reden und ähnliche Antworten geben.
Es ist seine Entscheidung, wenn er den schwierigen Weg wählt und die Polizei ins Haus kommt. Es ist seine Wahl, die leichte Methode "Baum absägen" zu wählen. Es ist seine Verantwortung. Mit seinem "Hilf mir doch" will er die Verantwortung an dich abgeben und gleichzeitig die Chance haben, dich klein zu machen.
Nee, auf diese Strategie würde ich mich an deiner Stelle nicht einlassen und sie ist schwer zu durchschauen, weil wir Menschen grundsätzlich gerne bereit sind anderen zu helfen.
Willst du das zu diesem Preis?
Abgrenzen heisst übrigens deinem Vater keine Vorwürfe machen, sondern einfach sagen "Halt so nicht", "Nein, nicht mit mir". Und am besten erklärst du diese Worte nicht. Dein Vater fühlt sich wahrscheinlich bereits abgelehnt genug, wenn du NEIN sagst. Falls du ihn unterstützen willst, dann versuche ihm mitzuteilen, dass es zu deinem Schutz ist, dass du so reagierst und nicht gegen ihn.

Möglicherweise findet er dich egoistisch, aber das ist vermutlich weniger unangenehm für dich als ein stinkendfauler tätiger Hund zu sein. Naja, das ich eine Vermutung von mir. Du wirst wissen, ob sie stimmig ist für dich.
Tja und wenn du deinen Vater ein wenig provozieren möchtest, dann könntest du ihn fragen, was er zu deinem Wohlbefinden und zu dem deiner Oma beiträgt. Meine Wahrnehmung aus deiner Schilderung ist so, dass er selbst ziemlich egoistisch unterwegs ist in seinem Chaos.

Viel Freude beim Ausprobieren.
Viele Grüsse
Sonja


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18.06.2013 13:22
avatar  bessie
#5
avatar

Hi Phoenix,

im Großen und Ganzen stimme ich mit Sonja's Sichtweise überein.

Ich möchte Dir 2 Denkanstösse geben:

1. wenn es Dir irgendwie möglich ist, dann lass es mit der Bestellung von Containern und "dann los" mit Entrümpeln, mag sich merkwürdig anhören, aber mein Gefühl ist, Du würdest damit "das Lebenswerk" Deines Vaters zerstören und wenn das ganz blöd läuft, könnte es sein, dass er sich davon nicht wieder "erholt".

Mir ist von der hier ansässigen Messiehilfe ein Fall bekannt, wo der Betreffende sich das Leben genommen hat, weil er keinen "Lebensinhalt" von jetzt auf nacher mehr hatte.

Bitte sei behutsam, auch wenns schwer fällt.

2. *Du hilfst mir nicht* ist "nur" eine Aussage und keine gezielte Bitte/ Frage um Hilfe. Versuche doch, nur wenn Du auch dazu bereit bist, mit Deinem Vater zu vereinbaren, dass er Dich um Hilfe bitten kann, wenn er Dir genau VORHER sagt, wie diese Hilfe aussehen soll. z.B.: Sägst Du bitte den Strauch zur Hälfte ab?

Damit würdest Du Dir viele Gedanken ersparen, was Du für ihn machen könntest....
und er kann das Gefühl haben, ich erhalte Hilfe, wenn ich nicht jammere, sondern genau sage was ich will.

Ich wünsche Euch Dreien alles Gute, vielleicht berichtest Du mal wieder...

Lieber Gruß, Bessie

Das Leben muss vorwärts gelebt werden, kann aber nur im Rückblick verstanden werden.

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