Beziehung wagen? Ja oder nein? Wenn ja, wie?

07.11.2016 19:23
avatar  Melia
#1
Me

Liebe Angehörige, liebe Betroffene, ich habe vor 4 Monaten einen lieben Mann kennengelernt. Ich kannte ihn schon länger über meinen Sohn. In bzw. nach einer schweren gesundheitlichen Krise von mir sind wir uns näher gekommen und jetzt seit ca. 3 Monaten liiert. Dieser Mann outete sich nach ersten leichten Versuchen, seine häusliche Situation zu verbergen schnell als Messie. Zu mir: Ich habe einen Vater gehabt, der Messie war und habe selbst viele Jahre mit Desorganisation verbracht, bin ein "Stressmessie". Ich bin jetzt Mitte 40 und habe aufgrund von innerer intensiver Arbeit, auch mit Hilfe von therapeutischer Begleitung zu anderen Themen, Meditation etc. das Thema für mich in den Griff bekommen seit ca. 4 Jahren. Ich bin verliebt und schätze den Mann sehr: Aber es ist für mich unglaublich schwer, das emotionale wie äußere Chaos auszuhalten. Ich glaube, so muss sich ein trockener Alkoholiker fühlen, der sich in jemanden verliebt, der noch voll drin ist in der Sucht. Ich habe mich schnell geoutet und ihm Material und Denkansätze zur Verfügung gestellt, aber auch gesagt, dass ich ihn nicht therapieren möchte, dass er sich Hilfe von Außen suchen muss. Er ist ein sehr intelligenter und feinfühliger Mann. Von Anfang an hat er gesagt, dass er mehr Ordnung in seinem Leben haben möchte, aber praktisch hat sich bis jetzt nichts geändert. Es ist bis jetzt nicht besser, sondern eher schlimmer geworden, sein einziges Zimmer in seinem großen Haus, das er bewohnt (Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer in einem auf 15 qm), ist grade vollgestellt. In der letzten Woche hatten wir Streit, weil ich die Mischung aus Gerüchen, Flöhen (er hat 11 Katzen) im Bett nicht mehr aushalten konnte, und gegangen bin. Seit letzter Woche treffen wir uns nur noch bei mir. Oft riecht er trotz gepflegtem Äußeren stark nach Schweiß, so dass andere Menschen es wahrnehmen. Er hat mehrere Fahrzeuge abgemeldet rumstehen, eine riesige Scheune voll mit Geräten, Treckern etc., viele Räume auf seinem Anwesen sind eine Mischung aus Lagerraum und Müllhalde. Eine Wohnung ist vermietet, er kann aufgrund des Allgemeinzustandes nur wenig Miete nehmen. Als ich mit ihm zusammenkam, war fast alles mit Staub und Spinnweben überzogen, zumindest den Wohnbereich hat er mit mir zusammen sauber gemacht, wobei mir auffiel, dass er mich hat mehr Putzen lassen, als das er selbst anpackte. Mein großes Problem ist, dass er trotz Einsicht immer wieder hin und her schwankt und meine Wünsche für mein Wohlbefinden als Kränkung nimmt. Er wird zum Ende des Jahres seinen Job ändern, wegen der Gesundheit eine Pause machen. Er hat im Moment sehr viel zu tun. Er bittet immer wieder um Geduld und verspricht mir, dass er es dann, wenn er Zeit hat, richtig angehen will. Auf der anderen Seite sehe ich, dass er ganz praktisch im Kleinen mir in diesem Bereich wenig entgegenkommt, mich immer wieder mit "unappetitlichen" Dingen konfrontiert wie ein trotziges Kind. Nach meiner Sicht geht es hier um frühkindliche Dynamiken, Kränkungen, Verarbeitung von psychischer und physischer Gewalt, denen er sich stellen muss. Es geht also viel tiefer. Er ist Akademiker, hat einen anerkannten Job, ist viel unterwegs. Allerdings ist er trotz seiner Freundlichkeit immer wieder in seinem Sprechen latent aggressiv, was mich zunehmend stört. Geistig ist es wunderbar mit ihm, wenn er grade entspannt ist, er ist sehr zärtlich, aufmerksam und großzügig. Allerdings habe ich oft das Gefühl, dass er sich sehr anstrengt, damit ich ihn ansonsten aushalte. Gestern hat er mich drei Stunden warten lassen. Eine Stunde auf ihn Warten wird grade normal und dann kommt er immer mit Geschichten und Ausreden, die ich nicht hören möchte, weil es mich zu sehr an mein früheres Selbst erinnert. Honeymoon ist vorbei und jetzt kommt alles richtig aus und es macht mir ehrlich gesagt Angst, bin zunehmend gestresst und überfordert. Ich habe mich so lange mit dem Thema Co-Abhängigkeit beschäftigt, will eigentlich keine Beziehung mehr, in der ich "helfen" soll, möchte, dass mein Partner mit sich und der Welt klar kommt. Dennoch rührt er mich so und ich bin wirklich verliebt, hätte gerne eine Zukunft mit ihm. Ich würde mich sehr über Meinungen freuen. Erfahrungen, welche Verhaltensweisen angemessen sind. Und wo Grenzen sein müssen. Vielen Dank!


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07.11.2016 21:43
#2
Ma

Liebe Melia,
es ist sehr schwierig dir einen Rat zu geben. Die Zukunft zu zweit wird nicht einfach. Ich habe hier schon öfters was von getrennten Wohnungen gehört, sogar trotz gemeinsamer Kinder.
Wenn ich das alles nüchtern sehen würde, ohne Gefühl, dann würde ich sagen, : Laufe so lange du kannst.
Doch das Leben ist nicht nüchtern, es besteht aus Gefühlen und Menschen mit Gefühlen. Doch ich würde dir schon empfehlen : Prüfe dich, was fühlst du wirklich?
Ist es Liebe? Warum denn dann nicht der Liebe eine Chance geben? Oder , da du dass alles schon mitgemacht hast, dann könnte es auch ein Helfersyndrom sein. Doch dass kannst nur du dir selbst beantworten.

Lg Maria Magdalena


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09.11.2016 22:58
#3
To

Liebe Melia,

du hast den großen Vorteil, dass du durch deine Vorgeschichte viele der Verhaltensweisen deines Freundes schon kennst. Du weißt was es heißt, wenn dein Freund sagt, dass er etwas ändern möchte, aber gleichzeitig schon Spinnweben überall sind. Du wirst auch - nüchtern betrachtet - wissen, wie viel sein Versprechen wert ist, etwas zu ändern, wenn er mehr Zeit hat.

Und du hast in seinem Verhalten auch schon Bezüge zu seiner Kindheit hergestellt. In meinem Bild über das Messietum gibt es häufig Ursachen, die aus der Kindheit der Betroffenen herrühren. Auch wirst du dir vielleicht dazu schon eine recht fundierte Meinung gebildet haben....

So wie du deinen Freund hier beschreibst, hat er noch einen wirklich langen Weg vor sich.... Dein großer Vorteil ist, dass du diesen Weg aufgrund deiner Vorgeschichte vielleicht besser kennst als dein Freund selbst. Nun musst du dir überlegen, ob du diesen Weg - aus einer anderen Perspektive - nochmals gehen möchtest?

Wenn nicht, finde ich es fair, wenn du ehrlich zu deinem Freund bist und ihm die Trennung entsprechend erklärst.

Wenn doch, wird es, glaube ich, auch für dich nochmals sehr sehr kräftezehrend, weil du kennst zwar den Weg den dein Freund gehen muss - aber nicht die Perspektive aus der du ihn dabei beobachtest. Du schreibst, dass du ihn nicht therapieren möchtest und verbindest dass mit Co-Abhängigkeit. Ich denke diese Einstellung ist absolut richtig, in meiner Wahrnehmung wird das hier im Forum auch immer wieder beschrieben: Wenn der Kontakt zu dem Betroffenen zu persönlich ist, wird es häufig schwierig, Hilfe anzunehmen....

Auf der anderen Seite wirst irgendeine Rolle übernehmen müssen! Dafür steht ihr ja in einem sozialen Verhältnis zu einander. Aber welche Rolle könnte das sein?

Ein bisschen nervös macht mich da deine Äußerung über seine latente Agressivität! Geht das womöglich einher mit Respektlosigkeit dir gegenüber? Du deutest an mehreren Stellen an, dass er sich dir gegenüber verstellt oder etwas vorspielt. Das ist unehrlich! Ich halte Unehrlichkeit (gegenüber nahestehende vertraute Personen) ebenfalls für eine Form der Respektlosigkeit. Vielleicht testet dich dein Freund gerade und schaut welches Verhalten du bei ihm noch durchgehen lässt - so dass es für ihn möglichst "bequem" bleibt. War womöglich Saubermachen in seiner Wohnung auch so ein Test?

Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit dieser Einschätzung zum Thema "Respekt" richtig liege. Vielleicht könntest du mir dazu ein Feedback geben?
Wenn ich richtig liegen sollte, müsste sich dein Freund hier aus meiner Sicht ändern. Ich glaube übrigens, dass solch eine Änderung möglich ist - du müsstest also überhaupt nicht in Panik verfallen - dein Freund liebt dich - so ist mein Eindruck. Und deshalb will er sich auch ändern. Vielleicht weiß er nur nicht was und wie?

Ich finde es immer schwierig für ausstehende, "richtige" Ratschläge zu geben... Dafür ist das Bild, welches hier gemalt wird einfach zu klein. Ich hab schon Ideen, die ich dir trotzdem mitteilen möchte, aber dafür brauche ich ein wenig Feedback zu dem bisher Geschriebenen von mir.

LG
T.
:


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28.11.2016 20:07
avatar  Melia
#4
Me

Lieber TopTotty, ich war in der Zwischenzeit krank, so dass ich erst jetzt dazu komme, mich zu bedanken und dir zu schreiben. Du hast wirklich vieles sehr treffend für mich ausgesprochen, ich fühle mich sehr verstanden. Der Punkt mit der Respektlosigkeit ist für mich wichtig. Wie es weiterging: Gestern hat mein Partner Trennungswünsche geäußert. Als Grund gab er an, dass seine Gefühle erkaltet seien, nachdem ich ihn angeschrieen hätte. Der Auslöser dafür war eine von mir ungewollte Autofahrt, bei der ich noch krank war, sehr erschöpft und er gegen meinen mehrfach geäußerten Willen mit mir mit 180 Sachen über die Autobahn brauste. Ich war total verzweifelt und musste eine Grenze setzen. Jetzt ist der Augenblick gekommen, da er mehr Zeit hat, er kommt mit dem Trennungswunsch. In dem Augenblick, auf den er die Aussicht auf Veränderung geschoben hat. Weiterer Grund sind die ständigen Spannungen, die jetzt zugenommen haben, weil er sein Zimmer noch mehr vollgestellt hat und damit klar eine Mauer dagegen errichtet hat, dass ich wieder zu ihm kommen kann. Des Weiteren waren seine permanenten Verspätungen schwierig, die mich zunehmend genervt haben, weil er einfach keinen aktiven Umgang mit seinem Verhalten fand, seine Verspätungen bagatellisierte. Er sagte mir jetzt, dass er nicht glauben kann, dass ich ihn liebe, wenn ich Veränderung von ihm erwarte. Meine geäußerten Bedürfnisse und meine unterstützenden Hilfen lösen anscheinend bei ihm inneren Hochdruck aus, gegen den er sich abgrenzen muss. Er sagte mir nochmal, dass er sich wohl nicht ändern wird und dass es zwischen uns nicht passt, wenn ich damit nicht klarkomme. Auch meinte er, ich würde ihm Sachen unterstellen und meinte, er hätte doch keine Flöhe, trotz immer wieder sichtbarer Bisse. Fazit: Ich will unter diesen Bedingungen nicht mehr. Bin traurig darüber, dass ich so viel ausgehalten habe, vor allem jetzt, wo ich sehe, dass es keinen Sinn hatte. Er tut mir Leid, habe den Eindruck, dass er sich nicht liebt und abwertet und deswegen auch keine Chance für meine Liebe zu ihm besteht. Habe auch den Eindruck, dass ihn das mit mir total überfordert hat. Und ich bin auch überfordert. Ich kann mit der dauerhaften subtilen Aggression nicht umgehen, es ist einfach nicht "gleichwertig" in der Kommunikation. Ich muss jetzt ehrlich mit mir sein: Ich will etwas Anderes. Es tut sehr weh, weil ich ihn sehr lieb gewonnen habe. Ich möchte ihn so lassen wie er ist und wünsche ihm dennoch, dass er glücklich wird.


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29.11.2016 05:47 (zuletzt bearbeitet: 29.11.2016 05:49)
avatar  Emin
#5
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Administrator

@Melia

Liebe Melia,

ein Satz ist mir sehr aufgefallen den du schreibst:

Zitat von Melia im Beitrag #4
Ich kann mit der dauerhaften subtilen Aggression nicht umgehen, es ist einfach nicht "gleichwertig" in der Kommunikation.


Wenn ich bei dir zwischen den Zeilen lese hast du dich zu deiner Entscheidung doch irgendwie durchringen müssen, es war nicht einfach glaube ich, klar es ist eine Schwerwiegende Entscheidung denn es kann das ganze Leben beinflussen, die ganzen nächsten Jahrzehnte. Doch an deinem prägnanten Satz ist viel Wahrheit dran, wenn man nicht wirklich kommunizieren kann ist das ein klares Zeichen für mich das man in dieser Lebensphase nicht auf der gleichen Wellenlänge ist nenne ich das nun einfach mal.

Wegen dem Messie sein, ich denke das wenn man auf den Messie Druck ausübt das er dann einfach zumacht, das scheint euch passiert zu sein, leider muss ich sagen wenn ich das richtig verstanden habe. Doch es ist nicht aller Tage Abend oder wie das heisst, lass einfach einige Tage vergehen und wenn er dir doch fehlt dann kann es sein das du doch Gefühle hast - oder er auf dich nochmal zukommt. Mit etwas Abstand, auch Zeitlichen Abstand sieht man manchmal einige dann anders.


Der andere Satz: Er sagte mir jetzt, dass er nicht glauben kann, dass ich ihn liebe, wenn ich Veränderung von ihm erwarte.

Ich glaube das beruht auf einem einfachen Missverständniss denn gerade weil du ja Gefühle für Ihn hast wolltest du was ändern damit es Ihm gut geht und dir auch. Das scheint er nicht verstanden zu haben. Nun wie gesagt wenn du ihn nicht vermissen wirst auch nach Tagen oder Wochen dann weisst du das deine Entscheidung doch ok ist und andere Mütter haben auch schöne Söhne oder heisst das. Das Leben steckt voller Überraschungen ....lass dich überraschen das Leben geht weiter so oder so...


Viel Glück und ich kann ich auch irren, ist nur meine Meinung nachdem ich deinen Beitrag 2 mal mir durchgelesen habe.

Beste Grüsse
Emin


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