Hilfe, weiß nicht mehr weiter

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08.09.2014 17:52
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#1
Gast
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Hallo zusammen,

ich denke, dass das hier ein bisschen länger werden wird.

Vor 3 Monaten lernte ich meinen jetzigen Freund im Internet kennen. Wir haben uns auf Anhieb super verstanden, so dass wir uns im Urlaub zum ersten Mal getroffen haben. Wir verbrachten 10 wundervolle Tage miteinander und es dauerte nicht lange, bis wir ein Paar waren.

Am vorletzten Abend unseres Urlaubes gestand er mir unter Tränen, dass er ein wenig unordentlich sei und mich nicht in seiner Wohnung empfangen wolle. Er bräuchte etwas Zeit und meinen Kombi, um aufzuräumen. Da ich beruflich bedingt schon öfter Messie-Wohnungen gesehen habe, fragte ich ihn, ob er Messe sei, was er verneinte.

Ich sagte ihm, dass ich ihn als Menschen liebe und es mir egal ist, woher er her kommt, was er bisher gemacht hat etc.

Wieder zu Hause, wir wohnen nur 35 km weit auseinander, verbrachte er die meiste Zeit bei mir und wurde immer depressiver. Ich kenne mich damit ein bisschen aus, weil ich selbst schon zwei Therapien wegen Depressionen hinter mir habe. Die letzte ist zwar schon 10 Jahre her, aber ich würde mich heute als "geheilt" und stabil bezeichnen.

Er wurde immer abweisender, bis er plötzlich völlig abtauchte und für mich nicht mehr erreichbar war.
Ich bin dann einfach zu ihm hingefahren und habe vier Stunden lang vor seiner Wohnungstür auf ihn gewartet, bis er völlig betrunken nach Hause kam. Er öffnete die Tür und sagte: Geh rein oder geh!
Ich bin dann reingegangen und war völlig geschockt. Wie gesagt, habe ich schon viele Messe-Wohnungen gesehen und diese Wohnung lag auf einer Skala von 1-10 bei 7-8. Überall benutzte Taschentücher, Kartons, sonstiges Papier und leere Bierflaschen. Keine Küche, kein Kühlschrank, keine Waschmaschine und kein fließendes heisses Wasser. Die berühmten Trampelpfade zum Sessel im Wohnzimmer und Bett im Schlafzimmer. In Flaschen gesammelter Urin! Am meisten haben mich die Berge an leeren Bierflaschen geschockt. Das ist jetzt 4 Wochen her.

Und trotzdem liebe ich diesen Mann, weil ich ihn ganz anders kennen gelernt habe und weiß, dass er ein sehr sensibler und wirklich liebenswerter Mensch ist.

Das habe ich ihm auch so gesagt und er zeigte sich sehr dankbar. Als erstes ist er zum Arzt und hat sich Antidepressiva geholt. Er sage mir, dass er sich seinem Arzt anvertraut habe, allerdings weiß ich nicht, was er dem wirklich erzählt hat. Diese Tabletten, die er jetzt seit 3 Wochen nimmt, machen ihn ständig müde und ihm wird jeglicher Antrieb genommen. Wenn er nachts wach wird, bleibt er einfach auf, weil er Angst hat, sonst zur Arbeit zu verschlafen. Dermaßen hauen ihn die Tabletten um.

Wir haben beschlossen, zusammen zu bleiben und auch in absehbarer Zeit zusammen zu ziehen. Da ich ein eigenes Haus habe und er außer Müll eigentlich nichts, war klar, dass wir gemeinsam in meinem Haus wohnen werden. So räumte ich einen Kleiderschrank für ihn leer, so dass er ihn für sich benutzen konnte, was er auch machte.

Ich weiß, dass es einige Zeit dauert, bis die Tabletten wirken, aber in den letzten drei Wochen ist sein Gemütszustand immer weiter heruntergegangen und er wurde immer abweisender. In seiner Wohnung aufgeräumt hat er natürlich nicht. Einmal habe ich ihm geholfen und habe sein Bad geputzt und aufgeräumt, damit es wieder benutzt werden konnte. Er hat fleissig mitgeholfen und war sehr dankbar. Außerdem habe ich einige Müllsäcke und eine alte Matratze entsorgt.

Am letzten Freitag haben wir uns morgens nett voneinander verabschiedet, umarmt und geküsst. Wir verabredeten uns für den Abend bei mir. Als ich von der Arbeit nach Hause kam, war sein Kleiderschrank komplett leer. Keine Nachricht von ihm, nichts. Ich wusste überhaupt nicht, was los ist.

Gestern bin ich dann am frühen Nachmittag unangemeldet zu ihm gefahren. Er war überrascht, als ich plötzlich vor ihm stand, aber er war keineswegs böse. Der zuvor entsorgte Berg an leeren Bierflaschen war wieder fast genauso groß wie vorher. Ich habe aber nichts dazu gesagt und es ignoriert.
Er meinte, dass ihm plötzlich alles zu eng geworden sei und er einfach nur noch weg wollte. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm die Zeit geben möchte, die er braucht. Wir haben uns wieder nett verabschiedet und alles war in Ordnung. Er sagte, dass er sein Chaos ja ändern will, aber Zeit braucht und das allein schaffen muss. Er lehnt jegliche Hilfe ab.

Am Abend bekam ich dann eine SMS von ihm mit folgendem Inhalt: Hallo XXX, ich frage mich gerade, wie Du reagierst oder reagieren würdest, wenn jemand etwas tut, was du momentan nicht willst. Ich brauche gerade Zeit und Du, die 50 Jahre sehr gut ohne mich ausgekommen ist, ist nun schon nach 2 Tagen auf Entzug. Wie krankhaft liebst Du noch? Dein Schlüssel hängt am linken Haken der Garderobe, tausche ihn bitte bei Gelegenheit aus. Adieu.

Ich war wie geplättet, muss aber zugeben, dass ich diese SMS nicht ernst nehmen kann. Wahrscheinlich hatte er wieder getrunken und ist in seinem Chaos versunken. Er wollte eigentlich noch ein bisschen aufräumen, aber ich bin mir sicher, dass er es wieder nicht geschafft hat.

Ich habe mich hier durch sämtliche Messie-Foren vorwärts und rückwärts durchgelesen und weiß nicht mehr weiter. Ich weiß mittlerweile, dass ich ihm nicht helfen kann und er Hilfe von außen braucht. Soziale Kontakte hat er keine. Keine Freunde, nichts, niemanden. Er hat selbst mal gesagt, dass ihn nur noch sein samstäglicher Gang in den Waschsalon am Leben erhält.

Was kann ich tun? Wie kann ich ihm begreiflich machen, dass er es alleine nicht schaffen kann? Er lebt jetzt seit 5 Jahren in diesem Chaos. Ich bitte ganz dringend um Hilfe, da ich aus Aufzeichnungen, die ich bei ihm gesehen habe, weiß, dass er einen gescheiterten Suizidversuch hinter sich hat. Das liegt zwar schon Jahre zurück und er weiß nicht, dass ich es weiß. Ich habe wirklich Angst um diesen Mann. Ich bin sein einziger sozialer Kontakt, den er aber momentan völlig ablehnt.

Bin dankbar für jede Antwort, Serafina


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08.09.2014 20:04
#2
Ta

Ja,ich glaube Dir, dass Du diesen Mann liebst. Trotzdem......guck genau hin,bitte. Was macht das mit Dir ? Heute bist Du noch gut beisammen,stark für zwei usw.
Aber nächstes Jahr oder in einigen Jahren ?
Und vielleicht guckst Du mal mit seinen Augen auf Dein Verhalten ? Möchtest Du, dass man Dir ungefragt hilft......ohne Absprache,ohne Plan,
ohne gemeinsames Fundament? Vielleicht überlässt Du ihm die Führung, also dass er seine Aufräumaktion plant und Du ihn fragst, wann Du was helfen kannst ?
Dem anderen die Verantwortung abnehmen heisst ihn degradieren, zum Schwächling erklären, Macht ausüben......der Helfer übt (meist unbewusst) Macht aus.......ist Dir das bewusst ?

ich komme drauf, weil ich mich anhand Deines Postings gefragt habe, warum ich mich immer gegen Hilfen aller Art gewehrt habe. Hat mit Selbstachtung zu tun.
Ich bin und bleibe mein eigener Regierungschef, auch wenn alles sehr langsam geht und wenn ich oft lange Pausen mache...... wenn Du verstehst, was ich meine.

Alles Gute ! Grüssele Mausohr


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08.09.2014 20:18
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#3
Gast
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Vielen Dank für Deine Antwort.

So habe ich das noch gar nicht gesehen. Ich weiß, dass ich jetzt stark bin. Und ich weiß, dass ich das nicht ewig sein werde. Es zieht mich ja jetzt schon runter und seitdem ich weiß, was mit ihm los ist, kreisen meine Gedanken fast ständig darum.

Dass ich Macht auf ihn ausübe, habe ich so noch nicht empfunden, aber ich verstehe, was Du mir sagen willst.

Ich sehe, dass ich als Nicht-Messie noch viel lernen und verstehen muss.

Aber hast Du einen Ratschlag für mich, was ich jetzt konkret tun kann, außer ihn momentan in Ruhe zu lassen?

LG Serafina


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08.09.2014 20:56
#4
Ta

Wenn Du Christin bist, kannst Du beten. Und ausserdem ist es gut, wenn Eure Gedanken und Gespräche nicht ständig um Chaos und Krankheit kreisen.
Erstens wirds auf Dauer langweilig und zweitens wirds nicht bsser davon, wenn man ständig daran denkt.
Das allerdings war auch bei mir ein ellenlanger Lernprozess, bis ich dahinter kam, dass ich regelmässig raus gehen und an was anderes denken sollte.
Tut gut für den ganzen Menschen.......ansonsten ist mein Thread der weg ist das Ziel, da steht noch mehr von mir.
Grüssele Mausohr


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08.09.2014 23:20
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#5
Gast
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Hallöchen,

ich finde, Mausohr hat dir schon super Ratschläge gegeben, ich wollte eigentlich nur kurz anmerken, dass dein Freund mit seinem Arzt über die Medikamentendosis sprechen sollte. Wenn die Tabletten so extreme Nebenwirkungen haben (und das länger als ca 10 Tage), dann ist wahrscheinlich die richtige Dosis nicht gefunden. Als Laie würde ich vermuten, dass sie evtl zu stark ist.


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