Unsere Mama ein Messie aber sieht es nicht ein

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23.09.2014 21:12
avatar  Cuvee
#1
Cu

Hallihallo,

seit Jahren bin ich auf der Suche nach Hilfe, wie ich unserer Mama helfen kann, weil ich selber nicht mehr weiter weiß.

Meine Mama hat seit Jahren ein Problem damit, Dinge wegzuwerfen. Sie hebt jede Plastiktüte auf, jeden Katalog (und das sind nicht wenige), alle Klamotten, alle Schuhe und und und. Am Anfang war es nicht so schlimm und als ich und meine beiden Schwestern noch zu Hause gewohnt haben, hatten wir da noch mehr Überblick und konnten immer mal einen Stapel Zeitschriften verschwinden lassen, wenn z.B. Besuch kam. Es wurde immer peinlicher, wenn Leute zu uns nach Hause kamen, wir schämten uns vor unseren Freundinnen und haben uns immer dafür entschuldigt, dass es "gerade" etwas unordentlich ist.

Seit einigen Jahren sind wir drei Mädels ausgezogen und haben unsere Eltern immer wieder in der Wohnung besucht. Es wurde immer schlimmer und dreckiger. Dazu kam, dass unser Papa leider an Krebs erkrankte uns sich unsere Mutter sehr viel um ihn gekümmert hat und ihn tagtäglich gepflegt hat. Da war natürlich nicht mehr viel Zeit, um die Wohnung sauber zu halten. Wir hätten sie gerne unterstützt und ihr geholfen aber unsere Hilfe wurde nicht angenommen. Im Gegenteil - sie war stinksauer, wenn wir etwas weggeschmissen haben und ist total ausgeflippt. Unser Papa hat sich in dem ganzen Saustall auch überhaupt nicht wohl gefühlt und auch öfters mit Mama gestritten, weil sie nichts wegschmeißen konnte.

Unser Papa ist leider vor sechs Jahren verstorben und seitdem ist es noch viel schlimmer. In jeder Ecke Zeitungsstapel, in der Küche dreckiges Geschirr (sie spült nicht richtig ab oder schaltet die Spülmaschine ein, sonder spült alles immer nur mit etwas Wasser aus. Dass die Tassen mittlerweile braune Kaffeeränder haben versteht sich von selbst), der Wohnzimmertisch und auch der Küchentisch sind komplett belegt mit Katalogen. Essen kann man dort schon lange nicht mehr. Das war für meine Mutter ganz pratkisch, weil Ihre Eltern direkt in der Wohnung unter ihr wohnten und wir meistens alle gemeinsam bei unseren Großeltern gegessen haben oder uns dort getroffen haben. Mama hat mittlerweile die Wohnung immer zugesperrt und wir kommen nicht mehr herein, weder ich noch meine Schwestern. Vor ein paar Monaten habe ich mir Zugang verschafft und hab mir das Elend angeschaut. Ich habe meinen Augen nicht getraut - die Badewanne und die Waschbecken total belagert von Handtaschen, Plastiktüten und Zeitungen. Ins Schlafzimmer bin ich leider nicht gekommen, da dies auch extra nochmal versperrt war. Ich denke, dass es da noch schlimmer aussieht. Auch in unsere Kinderzimmer habe ich keinen Zutritt mehr.

Als ich sie mal darauf angesprochen habe, ist sie komplett ausgetickt und ich hab gleich richtig Angst bekommen, weil sie meinte, wenn ich noch einmal sage, dass sie krank sei oder irgend etwas von ihr wegschmeiße (was ich auch schon öfters getan hab), dann zieht sie weg und will uns alle nie mehr sehen und sie enterbt uns alle usw.

Mittlerweile hat sie unseren Opa und Oma in der Wohnung unter sich gepflegt. Leider sind die beiden mittlerweile auch verstorben und sie bewohnt nun zwei Wohnungen. Als ich sie mal darauf angesprochen habe, wie sie weitermachen möchte und ob wir eine Wohnung evtl. vermieten und sie herunterziehen wolle, kam das für sie auch überhaupt nicht in Frage. Ihre Antwort war, dass sie in Zukunft eben beide Wohnungen behausen möchte und sie möchte nichts mehr hören. Es ist ihr Haus und darin kann sie machen was sie will. Sie will keine Veränderungen, alles soll so bleiben wie es ist.

Das wirkt sich auch auf den Garten aus. Unkraut sind für sie Blumen. Sie reißt nicht wirklich Unkraut heraus und auch über das Grab unseres Vaters mache ich mir schön langsam Sorgen. Sie ist jeden Tag im Friedhof und kümmert sich um das Grab aber es wuchert alles von Efeu zu. Sie findet es schön. Dass wir das nicht so toll finden, interessiert sie nicht und wehe wir reißen da etwas raus, aber dann...

Ich habe ihr im Streit und unter Tränen auch schon gesagt, dass sie sich bitte professionelle Hilfe suchen soll, weil sie doch bestimmt weiß, dass das krankhaft ist und wir ihr nicht helfen können. Leider hat sie das auch alles wieder ganz anders aufgefasst.

Nun bin ich mit meinen Nerven am Ende! Ich weiß nicht mehr weiter und schön langsam zehrt das extrem an meinen Nerven. Mein Freund weiß z.B. dass sie sich schlecht von Dingen trennen kann aber ich kann ihm nicht sagen, dass sie ein Messie ist. Ich schäme mich total für sie.
Man sieht ihr das auch überhaupt nicht an. Sie ist für ihr Alter noch top in Form und immer schick gekleidet und achtet sehr auf Ihr Aussehen.

Ich bin mittlerweile so weit, dass ich anstatt von ihr in Therapie gehen würde, um das alles auszuhalten. Es macht mich nervlich total fertig und belastet mich Tag für Tag. Sollte ich mal Kinder haben, möchte ich nicht, dass sie sehen, wie Ihre Oma lebt. Ich würde sie wahrscheinlich nicht zu ihr ins Haus lassen und der Gedanke allein zerreisst mir das Herz.

Ich hoffe sehr auf Eure Hilfe und Eure Tipps! Evtl. kann mir irgendjemand weiterhelfen.

Würde mich sehr freuen.

Ups, jetzt ists doch ganz schön lang geworden ;-)

Liebe Grüße


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23.09.2014 21:33
#2
Fr

Wow, das ist hart. Ich habe mal gegoogelt, weil ich glaube, dass eine ambulante Hilfe bei der uneinsicht gar nichts bringen wird. Was anderes, als eine stationäre Therapie, fällt mir nicht ein. Wer keine Hilfe will, dem ist nicht zu helfen. Ob dir dieser Tipp hilft, weiß ich nicht. Dies habe ich gefunden:

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Eine Einweisung gegen den Willen des Patienten ist nur möglich (dann aber natürlich zwingend erforderlich), wenn eine akute und erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt und keine andere Möglichkeit mehr besteht, den Erkrankten oder seine Umgebung durch weniger einschneidende Maßnahmen zu schützen. Die gesetzlichen Grundlagen hierfür legt das Unterbringungsgesetz (Bayern, Baden-Württemberg, Saarland) bzw. das Gesetz für psychisch Kranke (PsychKG, restliche Bundesländer) fest.
______________________________________________________________

Die Website mit dem Zitat: http://www.apotheken.de/gesundheit-heute-news/article/hilfe-fuer-betroffene-und-angehoerige/

Da stehen viele Informationen drin. Vielleicht kannst du im ersten Schritt einfach mal Erkundigungen beim sozialpsychiatrischen Dienst machen - eine Beratung... Die wissen ganz genau, was du machen kannst und was nicht. http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialpsychiatrischer_Dienst

Ich glaube nicht, dass ich sehr hilfreich bin... Mich berührt einfach deine Situation - ich bin Messie, also die andere Seite...


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23.09.2014 22:22
avatar  Cuvee
#3
Cu

Vielen Dank für Deine Nachricht.

Ich finde es auch toll, dass Du Dich für meine Geschichte interessierst, obwohl Du von der anderen Seite bist. Ich habe auch schon sehr viele Seiten im Netz entdeckt, auf denen man immer wieder liest, dass man nichts machen kann, wenn der Betroffene sich nicht helfen lassen will und es nicht einsieht.
Ich war auch schon bei einer Therapeutin, die ihr zwar helfen kann aber solange sie es eben nicht einsieht macht das alles keinen Sinn. Ich dachte, dass ich über die Therapeutin meine Mutter irgendwie in so eine Therapie bringen kann. Aber das bringt alles nichts und die Therapiestunden sind sehr teuer.

Danke für Deine Links, da werde ich auch auf alle Fälle mal durchstöbern.

Darf ich fragen, ob Du in Behandlung bist und wie es Dir damit geht? Die meisten Betroffenen wissen ja, dass sie ein Problem haben oder?
Sie weiß es bestimmt auch, dass sie ein Problem hat. Ich denke auch, dass sie sich in ihrer Wohnung nicht mehr so wohl fühlt, weil sie meistens in der früheren Wohnung von Oma und Opa ist. Naja, sie bewohnt halt jetzt eben zwei.


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23.09.2014 22:42
#4
Ta

Frau Mama muss mal eine grosse Enttäuschung, seelische Verletzung,Niederlage oder sowas in der Art
erlebt haben, denn ihr Verhalten kommt mir vor, als wollte sie mit dem Sammelsurium einen Schutzwall
bauen um sich und um ihre Seele. Da kannst Du als ihre Tochter aber nicht helfen, das gehört in
professionelle Hände. Was ist denn mit dem Hausarzt ? Vielleicht hat Frau Mama nur noch nicht gemerkt,
dass sie in eine Depression reingerutscht ist ? Diese Krankheit hat ja sehr verschiedene Gesichter.
Noch dazu, wo Du schreibst, der Vater und die Grosseltern sind inzwischen gestorben. Also ein Verlust, der
betrauert werden muss und manchmal bleibt man dabei stecken in der Trauerarbeit........und wird krank.
Jedenfalls ist es gut, dass Du weiter Kontakt hälst, denn wie hat eine Ehefrau hier geschrieben :
den anderen um das Messie - dasein drum herum lieb haben.
Vielleicht hilft es ja was, wenn das Thema eine Zeitlang ruhen darf und ihr mit Frau Mama schöne Stunden verbringt.
Dann zehrt sie von der schönen Zeit mit ihren Kindern und bekommt mit der Zeit vielleicht auch Mut und Kraft,
das andere schlimme Thema anzugehen. Immerhin eine Sache ist ja positiv: sie achtet aufs Äussere , wenn sie weggeht.
Daran liesse sich anknüpfen, indem man ihr Komplimente macht.......Alles Gute ! Guts nächtle ! Mausohr


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23.09.2014 23:06 (zuletzt bearbeitet: 23.09.2014 23:09)
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#5
Gast
( gelöscht )

Hallo Cuvee,

es ist noch gar nicht so lang her, da hab ich mich mit meiner Hilfe-mein-Schwiegervater-ist-ein-Messie-was-kann-ich-tun?-Geschichte an dieses Forum gewandt. Es war ein langwieriger Prozess für mich, zu erkennen, dass ich, wenn er keine Hilfe annehmen will, keine andere Wahl habe, als meine eigene Einstellung zu ihm zu ändern. Ich habe mir ein dickeres Fell zugelegt, und zucke heute bei den neuen "Gruselgeschichten" aus dem Haus meiner Schwiegereltern nur noch mit den Achseln. Wie ist sowas möglich? Ich bin nicht kaltherzig geworden. Auch ich hatte Mitleid. Das Bedürfnis zu helfen, die Situation für alle Beteiligten zum Besseren zu wenden. Ich war der Meinung, dass ich das sicher tun könnte, wenn man mich nur ließe. Dass man mich nicht ließ, erschien mir zutiefst unlogisch.

Nun, dann ist es eben unlogisch. Psychische Erkrankungen hebeln die Logik aus. Du hast an anderer Stelle schon gelesen, dass man nichts tun kann, wenn der Betroffene keine Hilfe sucht. Auch hier gibt es kein Zaubermittel, das das Gegenteil erreicht.

Leider muss ich dir sehr wahrscheinlich auch die Hoffnung nehmen, die Fragezeichen bei dir geweckt hat. Wenn von Einweisung die Rede ist, sagt der Volksmund "Entmündigung" dazu, also dem Patienten das Recht zu nehmen, über sein Leben allein zu entscheiden. Vor über zwanzig Jahren wurde dieses ganz-oder-gar-nicht-Konzept geändert. Heute unterscheidet man verschiedene Lebensbereiche, "Aufgabenkreise" genannt, die ein rechtlicher Betreuer übernimmt, wenn die Person nicht mehr selbst dazu in der Lage ist, über diese zu entscheiden. Zum Beispiel kann jemand, der große finanzielle Probleme hat, seine Finanzen von einem Betreuer verwalten lassen. Dieser wird dann mit den nötigen Vollmachten ausgestattet, und sorgt dafür, dass Rechnungen und die Miete bezahlt werden, verhandelt mit Gläubigern, und achtet darauf, dass dem Betreuten genug Geld bleibt, um seinen Lebensunterhalt zu sichern - Summen, die dann oft wochenweise ausbezahlt werden. Auch andere Aufgabenkreise sind möglich, aber je stärker sie in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen eingreifen, desto schwieriger ist es, diese an Dritte zu übertragen. Und das ist eigentlich auch gut und richtig so, denn die Entmündigung ist in der Vergangenheit sagenhaft oft missbraucht worden, um unbequeme Verwandte ins Heim abzuschieben, vorzeitig an eine Erbschaft zu kommen, und Ähnliches.
Ganz ehrlich, so wie du deine Mutter beschreibst, denke ich, es besteht keine Chance auf die Abtretung einzelner Aufgabenkreise, geschweige denn eine Unterbringung in einer Einrichtung. Der Grund dafür ist folgender: In unserem Grundgesetz wurde in Artikel II das Recht auf Selbstbestimmung verankert. Jeder Mensch hat das Recht, in der BRD so zu leben, wie er es für richtig hält. Auch wenn dieser Lebensstil anderen nicht gefällt. Das ist eine unserer größten Freiheiten, und wir können froh und dankbar sein, dass sie keinem von uns leicht zu nehmen ist.
Es gibt nur eine Ausnahme: Wenn jemand mit seinem Lebensstil sich oder andere gefährdet - und selbst dann kann oft erst eingeschritten werden, nachdem etwas vorgefallen ist.

Ich vermute, dass das für dich niederschmetternd klingt, aber eingangs sprach ich davon, dass man lernen kann, den Betroffenen mit anderen Augen zu sehen. Ich habe diesen Satz hier schon so manchem Angehörigen geschrieben, und ich weiß nie, wie der einzelne darauf reagieren wird, aber das Risiko muss ich eingehen, denn es ist die Wahrheit - und die tut bekanntlich manchmal weh, aber es ist nötig zu sagen:

DU hast ein Problem mit deiner Mutter. DU schämst dich. DU findest die Grabstelle nicht schön. DU bist mit den Nerven am Ende. DU könntest nicht so leben. DU weißt nicht mehr weiter. Es geht hier also nicht nur um deine Mutter, sondern es geht um dich, um dein Seelenheil, um deinen Wunsch, der geliebten Mutter zu helfen, dieses für dich schreckliche Leben nicht mehr leben zu müssen, weil DU es nicht für lebenswert hältst, und weil DU glaubst, dass sie es auch nicht wirklich für lebenswert halten kann.

Wahrscheinlich stimmt das sogar irgendwie. Aber - rein rechtlich betrachtet - hast du kein Recht, dich einzumischen. Sie hat sich entschieden, so zu leben. Sie ist abgesehen von dem Messieproblem, welches sie vehement abstreitet, noch völlig fit und Herrin ihrer Sinne. Sie geht regelmäßigen Aktivitäten außerhalb ihres Hauses nach, achtet auf ihr Äußeres...da ist nichts, das darauf schließen ließe, dass sie Hilfe braucht, weil sie es aus eigener Kraft nicht schafft, sich aus dem Elend zu befreien.

Vielleicht hilft es dir, hier ein, zwei der neueren Geschichten von anderen Angehörigen (und evtl auch meine Antworten dort) zu lesen - das hilft, eine gewisse Distanz aufzubauen, und zu verstehen, dass es mir völlig fern liegt, dich zu kritisieren oder anzugreifen. Ich kann absolut verstehen, dass du helfen willst. Ich kann verstehen, dass du mit den Nerven runter bist, und ich kann verstehen, dass du deine Mama liebst, und nicht mit ansehen willst, wie sie lebt. Ich kann sogar verstehen, dass meine Empfehlung wie ein lapidares "Dann guck halt weg, wenns dich stört" rüberkommt, und in dir nacktes Entsetzen auslöst. So ist es nicht gemeint. Ich bitte dich um Toleranz, um Verständnis, um Respekt und Liebe für deine Mutter. Ich bitte dich, sie losgelöst von ihrem Messiesyndrom zu betrachten - sie so zu betrachten, wie sie gerne gesehen werden will. Das Messie-Ding, das ist ihr "dunkles Geheimnis". Je mehr du daran rührst, desto mehr wirst du zu einer Bedrohung für ihre Welt, die - und wer kann ihr das nach dieser Vorgeschichte verdenken - sehr fragil ist. Ich bitte dich darum, darüber nachzudenken, ob bei dir wirklich angekommen ist, dass deine Mutter an einer Krankheit leidet. Du wärst doch auch nie auf die Idee gekommen, dich für deinen Vater zu schämen, als er an Krebs erkrankte. Natürlich nicht. Die Krankheit hat viele Veränderungen an ihm erklärt, auch solche, mit denen du unter normalen Umständen nicht einverstanden gewesen wärst, oder die dich abgeschreckt hätten. Aber zu keiner Sekunde hast du vergessen, dass er dein Vater ist, und ganz egal, was die Krankheit mit ihm angestellt hat - du hast ihn geliebt. Und sehr wahrscheinlich werden dein Vater und du nicht jeden Tag über den Krebs gesprochen haben, sondern euch viel eher darum bemüht haben, dass sich der Krebs nicht zwischen euch drängt. Ihr habt versucht, die guten Seiten auszuleben und zu genießen. Versuch, genau das gleiche mit deiner Mutter zu tun. Der Müll ist ein Zeichen, dass es ihr nicht gut geht, das ist richtig. Aber er ist ein Symptom, verursacht durch ein seelisches Leiden. Du hilfst ihr nicht, indem du aufräumst, sondern indem du dieses Leiden minderst. Thematisierst du immer wieder nur den Müll, dann reduzierst du sie darauf, "die Vermüllte" zu sein, die peinliche, die, für die du dich schämst. Das spürt sie, und es verletzt sie noch mehr, macht sie noch hilfloser, und schlussendlich wird sie sich nicht mehr anders zu helfen wissen, als sich von dir zurückzuziehen, weil die Begegnungen mit dir zu schmerzhaft sind. Wenn du also helfen willst, dann nimm sie ernst, wenn sie dir - in aller Deutlichkeit sagt - wo deine Grenzen sind: Du darfst nicht hinter ihrem Rücken Dinge verschwinden lassen. Es ist ihr Haus, sie kann damit machen, was sie will. Eure Meinung bei der Grabgestaltung interessiert sie nicht. Sie will nicht vermieten. Sie will zwei Wohnungen bewohnen. Wann immer sie dir so klare Ansagen macht, hast du in ihren Augen eine Grenze überschritten, dich zu weit eingemischt. Dann ist es an dir zu sagen "Du hast Recht, Mama, es tut mir Leid, das ist dein Leben, und du hast ein Recht darauf, es so zu gestalten, wie du es für richtig hältst - auch wenn mir das nicht immer gefällt". Damit kannst du Vertrauen aufbauen, und sie wird dir irgendwann zuhören, wenn du ihr sagst, dass du dir Sorgen um ihre - aber auch um deine - Zukunft machst, mit all dem vielen Krempel und den schlechten Lebensbedingungen. Vielleicht - aber nur vielleicht - dämmert dann in ihr die Erkenntnis, dass etwas aus dem Ruder gelaufen ist, und sie Hilfe gebrauchen könnte - aber bitte nur von einem Menschen, der sie nicht verurteilt - und dieser Mensch, so weiß sie dann hoffentlich - bist du.


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