Angst und negative Gefühle hinnehmen

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06.10.2021 12:28
avatar  IBI
#26
IB
IBI

Ich ging heute spazieren und merkte, dass ich keine innere Erlaubnis habe, Fehler zu machen.
(o.k., das weiss ich schon länger, dass ich zu den Perfektionisten gehöre)
Dabei sind Fehler wichtig, um aus ihnen lernen zu können.
Doch warum habe ich keine Erlaubnis? Weil ich Angst davor beschämt zu werden, für Fehler - vor allem in den Anfangsstadien, wenn man etwas neues beginnt - ausgelacht zu werden, so viel grösser ist als mir die Erlaubnis zu geben, Fehler machen zu dürfen.
Ich kann mich bewusst nicht erinnern, dass ich oft für Fehler ausgelacht wurde oder beschämt wurde, im Sinne von vielen Vorwürfen, so und so geht es nicht und das passt nicht oder wie auch immer dieses Prozedere früher einmal seinen Lauf nahm, aber ich merke heute, dass ich eine grosse Angst davor habe für Fehler beschämt zu werden und die Angst ist heute genauso aktiv wie früher.
Die Angst spüren - oje, das mag ich nicht, dem weiche ich liebend gerne aus - doch das Bewusstsein und das Aussprechen, wie die Angst genau ihre Aufgabe wahrnimmt, kann schon einiges in Bewegung bringen.
Denn es ist unrealistisch zu glauben, man könne etwas lernen ohne Fehler zu machen.
Derzeit bin ich in einer Ausbildung, in der es ausdrücklich ERLAUBT ist, mind. 3 Fehler zu machen, um daraus zu lernen. Sind es regelmässig mehr als 4 Fehler (und vielleicht auch öfter dieselben), dann ist es wichtig, sich Unterstützung zu besorgen, um die wiederkehrenden Fehler auf neue Art und Weise auflösen zu können, denn viele Fehler haben mit dem eigenen Verhalten zu tun.
Ich finde das beschämende Verhalten in unserer Gesellschaft schwierig.
Wenn Menschen gemobbt werden, steckt dahinter auch eine Art beschämt werden für Verhaltensweisen, für die die gemobbten Personen nichts können. Sie verhalten sich aus bestimmten Gründen so wie sie sich verhalten. Da fehlt die Akzeptanz des Umfelds, sondern das Umfeld erwartet, dass sie sich ändern - nicht das Umfeld ist bereit sich selber zu ändern.

Tja, und das kann die Angst auf die Dauer vergrössern, weil das Entgegenkommen aus dem Umfeld kaum wahrgenommen werden kann, mit bereits beschämten sehr frühen Erfahrungen.
Nein, eher wirken die Beschämungen immer wieder erneut auf einen ein und intensivieren, diese Ängste. Da verliert man jegliche Erlaubnis Fehler zu machen und neigt zum Perfektionismus, den man leider auch nicht bedienen kann.

Mir hilft es, diese Muster zu durchschauen, auch wenn sie sich wie ein Teufelskreis darstellen. So kann ich möglicherweise den einen oder anderen Person allmählich Aufmerksamkeit schenken, die mir freundlich gesinnt zu sein scheint, obwohl das Glaubenssystem diese Option langfristig gesehen ausschliesst, weil es unfähig wird, Unterscheidungen zwischen wohlgesinnten und beschämenden Personen treffen zu können. Leider können wohlgesinnte Personen in einer Hinsicht, in anderer Hinsicht möglicherweise nicht mehr positiv bleiben, weil sie selber mit diesen Bereichen ihre alten Themen haben und das ist wirklich schwer unterscheiden zu lernen - da kann man sehr viele Fehler machen und diese falsch zuordnen.

Ich muss nicht jede alte Geschichte ins Detail kennen, um die Ursache zu finden. Die Ursache allein hilft mir nicht viel, aber wenn ich Bewusstheit darin bringe, dass mein System mich vor der Ursache "beschämt" werden schützen möchte, kann ich das zunächst einmal würdigen/wertschätzen, dass mein Nervensystem gut auf mich aufpasst, wenn auch nicht immer mit der heutigen Zeit stimmigen Verhaltensweisen. Wenn ich Bewusstheit in die Verhaltensweisen bekomme, kann ich selber bewusst den Blick auf die zugewandten Personen lenken. Wenn es das nicht mag oder dazu nicht bereit ist, weil die Angst sooo gross ist, kann ich mein Unbewusstes bitten, mich ab und an inne halten zu lassen, um in Miniaturschritten langsam diese Themen angehen zu können.
Wenn ich diese Verhaltenskonstrukte durchschaue, sie mitteilen darf, sowohl die Angst als auch wovor und ich mich nach und nach darauf einlasse, sie im Körper zu spüren (so langsam und in Miniaturschritten wie mein Körper das zu bewältigen vermag), kann ich mein Unbewusstes bitten, sie in seinem Tempo zu verwandeln und verhandeln.

Als Beispiel dienen Komfort und Sicherheit als gegensätzliche Pole und da eine für sich stimmige Mitte finden, wäre ein tolles Verhandlungsergebnis, wenn sich das Verhalten dazu nach und nach (fast wie von selber) anpasst, indem jemand beispielsweise 2 Ersatzteile von etwas hat, das er (auf Basis alter schlechter Erfahrungen) vielleicht in der Zukunft brauchen könnte, aber nicht 30 die verbuddelt im Wust der Gegenstände verborgen sind und auch nicht 0, weil es zuviel Stress bereitet, wenn es doch gebraucht werden könnte.
Sowohl die 30 verbuddelten Ersatzgegenstände bereiten jede Menge "Ausbuddelstress" als auch das nicht Vorhandensein, weil wo es das zu kaufen gäbe genauso viel stress bereiten könne. Beides kreiert Stress und das Nervensystem kann nicht unterscheiden, weile Art des Stresses schlimmer wäre und versucht alles, um das zu Vermeiden, weil die Angst vor dem Stress grösser ist als alles andere.
Und schon habe ich einen neuen Kreislauf für Angst und seine fehlerhaften Verhaltensweisen aufgedeckt. Die Angst sorgt auf ihre Weise gut für unser Überleben und es ist äusserst wichtig, diese Fähigkeit zu würdigen und damit anzunehmen/hinzunehmen, das sie JETZT und HEUTE da ist und zu mir gehört, und sie vielleicht morgen oder in einem Jahr so verwandeln wird, dass sie ihre Intensität allmählich verlieren kann. Die Angst will gehört werden und Ernst genommen werden und für ihre gute Dienste, die sie in jungen Jahren leisten musste und heute vielleicht kontraproduktiv sind, Respekt erhalten von ihrem eigenen Besitzer und idealerweise wissen das andere Menschen ebenfalls zu würdigen.


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06.10.2021 13:56
avatar  IBI
#27
IB
IBI

Ich ergänze noch eine Überlegung:
Wenn ich ein Produkt zu verkaufen habe, so sagt man, dass ich es 10 Menschen anbieten muss, damit ich einen Käufer finde.
In kürze erscheint ein Buch mit 10 unterschiedlichen Geschichten, von denen 1 meine ist. Ich habe es ca. 100 Personen erzählt mit der Bitte um Vorbestellung, wenn sie Interesse haben, und ca. 10 Personen haben ein Buch vorbestellt.
Sprich: Die mir zugewandten wohlwollenden Menschen, die bereit sind meine Situation zu würdigen und mit anzuerkennen, ist im Verhältnis genauso klein.
Die Herausforderungen, die Personen, die es mit einem gut meinen, zu erkennen und finden, sind recht hoch und häufig ungewiss.
Welcher Messie lässt sich gerne auf Ungewissheiten ein? Die sind in dem Angstpaket eingeschlossen.
Wahrscheinlich gibt es hier deswegen nur wenige Messies, die dazu aufmuntern wollen und können, sich solche Menschen zu suchen und den Weg der Traumaaufarbeitung zu wählen, weil es Ihnen gelungen ist, die für sie richtigen/stimmigen zugewandten Menschen zu finden.
Je mehr es werden, desto leichter wird das Annehmen und Akzeptieren der Wertschätzungen und Komplimente und damit lernt man nach und nach, dass man als Mensch mit all seinen Macken richtig ist wie man ist.


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06.10.2021 18:56
avatar  Liepa
#28
Li

@IBI
Welche Verhaltensweise konkret erwartest du von Personen, die es gut mit dir meinen? Ich muss leider sagen, dass ich bis jetzt habe keine Ahnung, wie sollte man gegenüber einen Messie verhalten. Keine Hilfe anbieten? Keine Ratschläge geben? Der Zustand seines Wohnungs überhaupt nicht ansprechen? Meine beste Freundin ist ziemliche Messie und ich habe längst jede Hoffnung und Mühe aufgegeben, ihr in diesem Hinsicht etwas zu helfen. Höchstens ich erzähle ab und zu über meine Erfolge bei ausmisten und mal empfehle irgendwelches Video. Erfolg null, aber sie ist meine Freundin und ich denke, dass sie ist mit dem Zustand auch einigermaßen zufrieden. Deswegen wäre schon interessant, was wird dann konkret erwartet, was wäre richtig.

Zweiten Punkt Fehler: wie reagiert ihr, wenn die anderen Fehler machen? Wirklich auslachen? Ich glaube eher, dass wir anderen Leuten gar nicht so wichtig sind, dass sie viele Gedanken an uns und unseren Fehler verschwenden. Und ohne Fehler ist nun niemand. Ist das ein perfektionistisches Denken, dass jemand denkt, er darf keine Fehler machen? Warum dürfen andere Fehler machen und er (sie) nicht?

MfG Liepa


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07.10.2021 14:24
avatar  IBI
#29
IB
IBI

Zitat
Welche Verhaltensweise konkret erwartest du von Personen, die es gut mit dir meinen?


Interessante Frage: ja ich habe erwartet - kann aber nicht genau sagen, was. Das, was viele mir angeboten haben, war nicht das, was mir geholfen hat. Daher habe ich lange gewettert, dass es keine geeigneten Helfer für Messies gibt.
Unter Experten für Messies habe ich nicht viele Helfer gefunden, die mich weiter gebracht haben.
Das hat sich geändert als ich Gewaltfreie Kommunikation kennen lernte und Somatic Experiencing. Da erlebte ich Empathie und die Wohlgesonnenheit, denn die Menschen waren in der Lage meine Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Gehört werden, Harmonie, Gelassenheit, Schutz, Selbstbestimmung, etc. in den Augenblicken zu benennen, obwohl es auch Themen gab, denen ich am liebsten ausweichen wollte. Ich wurde mit all meinen alten Triggern gesehen, sie wurden akzeptiert (oh ja, es macht viel aus, wenn im aussen Menschen da sind, die unangenehmes deiner Person erst einmal hinnehmen wie es ist) und gleichzeitig konnte ich mich verstecken mit dem Messiethema. Das habe ich nur wenigen meiner Begleitern anvertraut. Die alten Traumaerlebnisse aufarbeiten zu können, dabei helfen mir gerade viele Menschen. Das macht es für mich glaubwürdiger, dass ich nicht ausschliesslich schlecht und falsch bin (denn so hat es mein System abgespeichert - ich als Mensch bin falsch - himmel, welch katastrophaler Glaubenssatz - neu: ich als Mensch bin genau richtig, obwohl ich mich oft unabsichtlich falsch verhalte (und nicht anders kann). Ich bin bereit mir Bewusstheit über meine Muster zu verschaffen, um das unabsichtlich unangemessene Verhalten nach und nach zu verändern.
Wenn du einer Messie sagst, sie sei genau richtig, obwohl sie sich falsch verhält, wird sie dich ungläubig ansehen und dich für verrückt halten, weil sie so einen Glaubenssatz an ihre Identität gebunden hat. Den von der Identität zu lösen, damit sie ihn ändern kann, ist eine aufwändige Arbeit.
Das kannst du in der Rolle der Freundin nicht leisten. Da wär ein Profi nützlich.
Doch du kannst ihr möglicherweise mitteilen, wie (schlecht) es dir geht, wenn du bei ihr zu Besuch sein darfst. Damit es dir besser geht, bemühst du dich, dein Umfeld anders zu gestalten. Es kann sein, dass sie ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn du ihr sagst, dass es dir schlecht geht. Vielleicht schaffst du es mitzuteilen, dass du dich selber genauso schützen und umsorgen musst (Selbstfürsorge), damit es dir gut geht, genauso wie du ihr wünschst, dass es ihr in deinem Beisein gut geht und dir das nicht in jedem Umfeld gelingt.
Das ist das schöne an Empathie.....es werden keine Ratschläge, keine Hilfestellungen angepriesen und kein Zustand der Wohnung erwähnt, aber der Zustand einer Person, (wie du wahrnimmst, dass es deiner Freundin gehen könnte), der könnte angesprochen werden.

Zitat
wie reagiert ihr, wenn die anderen Fehler machen?


Ich reagiere wie ich es gelernt habe: herablassend und beschämend, damit ich mich erhabender fühlen kann (sowie ich beschämt, ausgelacht und bewertet und falsch fühlte, wenn das andere mit mir gemacht haben)
Das ist nicht o.k., aber das ändern kann ich, wenn ich Bewusstheit in die Muster bringe, indem ich merke, dass ich nicht besser oder schlechter als meine "elterlichen Vorbilder" bin. Ich habe die Chance mit heute neue "Vorbilder" auszuwählen und von ihnen zu lernen.

Wie behandelt dich deine Freundin, wenn du ihr deine Hilfe anbieten möchtest?
Falls es so ist wie oben beschrieben, beschreibe ihr, wie es dir geht, dass du dich beschämt fühlst, dass es dir damit nicht gut geht und dass du das verstehen kannst, dass sie es tut, um sich gut zu fühlen.
Wenn du über dich sprichst, deinen Gefühlen oder deinem Gespür, dann kann das dazu führen, dass sich eure Gespräche verändern und was neues entsteht.
Wenn du dich traust deiner Freundin zu sagen, o.k., mir geht es nicht gut und jetzt gerade kann ich akzeptieren, dass das Gefühl da ist, aber ich muss nicht hinnehmen, dass es dauerhaft so bleibt. Ich brauche eine andere Umgebung, damit sich das Gefühl ändert - sprich deiner Freundin gegenüber das aus, was du hier schreibst, wie es für dich ist und frage sie wie es für sie ist. Wenn es ihr gut geht, dann akzeptiere, dass sie sagt, es gehe ihr gut (obwohl die Umgebung nicht ausstrahlt, dass es ihr gut geht).


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07.10.2021 20:57
avatar  Liepa
#30
Li

@IBI
Ich rede mit meiner Freundin nicht über Gefühle. Es ist eine andere Art von Beziehung. Man trifft sich gerne, tauscht sich aus über Kinder, Familie Alltag usw. Ich kenne sie schon sehr lange und akzeptiere ihr Lebensstil. Man muss die Menschen zu nichts zwingen. Ich bin fest überzeugt, ohne dass Messie selber ernsthaft was ändern will, wird ihm nichts helfen. Man kann doch nicht ihnen etwas aufdrängen, was sie nicht ernsthaft mitmachen wollen.

Ist es vielleicht so, dass manchmal erwarten Messies zu viel von anderen Leuten? Sie sollen extrem liebevoll, verständnisvoll usw sein. Es ist schon toll l, wenn wir solche Leute treffen. Aber mal ernst, sind wir selber sehr liebevoll und verständnisvoll? Wenn man die Angehörige von Messies anhört, dann ist das nicht der Fall. Oft Messies bewerten ihre Sachen viel höher als die Familienangehörigen. Das habe ich selber in meiner Kindheit und Jugend erlebt und versuche zumindest meinen Kinder das zu ersparen.
Vielleicht würde es helfen einfach mal vorstellen, wie unsere Mitmenschen sich fühlen und nicht immer auf eigenes Befinden konzentrieren?

MfG
Liepa


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