Komplizierte Situation

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21.02.2014 23:16
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#91
Gast
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aaach, Schnickschnack :D

"Entschuldige die Länge des Briefes, ich hatte keine Zeit, mich kurz zu fassen" (wahrscheinlich von Goethe) *g*


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22.02.2014 02:02
avatar  Kayla
#92
Ka

Hallo Numi!
Scham ... da sind wir wieder beim Thema. Erstmal nein, ich schäme mich nicht dafür. Warum auch? Ich war 18, völlig entwurzelt und damals ein bereitwilliges Opfer für so ein Szenario. Wenn ich mir irgendwas vorwerfen müsste, dann, dass ich das nicht eher gesehen habe. Aber ja, klar, toll, rückblickend ist man ja sooo schlau ...
Schade um die vergeudete Zeit. Das wars aber auch schon dazu. Ich brauch mich nur um zu sehen, um sehr deutlich zu sehen, dass ich mich in meiner damaligen Situation in bester Gesellschaft befand, nur ich hab den Absprung irgendwann geschafft ...
Was ich damals gedacht und gefühlt habe? Scham, Wut und vor allem Hilflosigkeit in allen Schattierungen. Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht war, aber im Unterschied zu vielen, die noch viel übler dran sind, war sich ein winziger Teil von mir ja immer noch darüber im Klaren, dass das, was da auf der Welt herumrannte, mit mir eigentlich nix zu tun hatte.
Wie das dann eskalierte hab ich ja schon anfangs angefangen zu schreiben. Ich habe einen anderen Mann kennengelernt, damals zunächst mal wirklich nur als Freund. Es war eine Brieffreundschaft, vielleicht war das der Grund, warum es so und nicht anders ausging, denn er schrieb damals gerade an seiner Diplomarbeit und erzählte oft und gern über Dinge, die meinem gesamten damaligen Umfeld um Längen zu hoch gewesen wären. Das war mir bewusst. Aber mir wurde auch wieder bewusst, dass ich dort einfach nicht hingehöre, dass mich diese Dinge interessieren, ich sie auch verstehen konnte.
Dann kam diese Einladung. Das war die erste Entscheidung seit Jahrzehnten. Man stelle sich vor: Ich war verheiratet und wollte "mal eben" einen anderen Mann, ein paar hundert Kilometer weg für ein paar Tage besuchen. Undenkbar.
Wären meine Kinder nicht gewesen, die mich gedrängt haben, ich hätte es niemals getan. Aber am Ende bin ich gefahren. Eh, das muss man sich mal vorstellen. Mein Freund hatte nicht extra frei genommen, d.h. er musste jeden Tag zur Uni. Und ich? Morgens aufstehen, saubermachen (und es war und blieb sauber), die paar Klamotten waschen und dann ... tja, worauf hast du Lust, Mädel? Einen Film schauen? Eine Stunde in der Badewanne? Zwei Stunden einfach durch die stadt stromern, ein Museum ansehen, ein Buch lesen? Na los doch!
Das war wie im falschen Film. Das gabs doch nicht. Ich hab bei strömendem Regen auf einer Parkbank gesessen und gelesen. Die Leute müssen mich für bekloppt gehalten haben, wie ich da mit meinem Regenschrim herumsaß. Aber ich fands einfach nur herrlich. Abends zu essen machen, worauf ich gerade Lust hatte und statt Nörgeleien, zu hören, dass ich ja saugut kochen kann ...
Nach zwei Wochen bin ich heim gefahren und habe von dort auch meine Liebe zu Computern mitgenommen, die mich später auch beruflich beeinflussen sollte. Aber als ich zu Hause ankam und in der alten Tretmühle landete, war mir auf einmal klar - nicht dort war der falsche Film, sondern HIER.
Von dieser Erkenntnis bis zum ShowDown war dann nur noch ein Schubs nötig. Ich musste in der Kreisstadt auf den Bus warten, es regnete, ich suchte was zum Unterstellen und das nächste was ich fand, war der Eingang zu einem Scheidungsanwalt ..
Aber an dem Punkt war mir zumindest schon wieder klar, wer ich vor dieser verfahrenen Kiste mal war, und wer ich gern wieder sein würde.
Ich habe mit dem Freund dann die obligatorische Nachehebeziehung angefangen (blöderweise), die niemals gutgehen kann. Was er mochte, das war die Frau, die er kennengelernt hatte. Ich fand aber nach und nach wieder zu meiner Streitbarkeit, meiner Neugier, aber auch meinen Milliarden Interessen zurück und DIESE Frau kannte er nicht und verstand er auch nicht. Wir sind heute noch die besten Freunde, aber Partner hätten wir niemals werden dürfen. Gemessen an seiner melancholisch-nachdenklichen Art bin ich die pure Lebensfreude und da geht einer dem anderen auf den Keks.
Weißt Du, was ich als erstes gemacht habe? Etwas gaaanz Irres. Als ganz kleines Mädel hab ich gern gezeichnet. Meine Großeltern haben diese "Kunstwerke" aufbewahrt. Aber irgendwann sagte meine Mutter mit Blick auf meine Bilder: "Schade, dass keiner von Euch Vatis Talent geerbt hat." Ich habe nie wieder freiwillig einen Stift oder Pinsel angerührt ... Aber wenn ein Mensch mich verbogen hatte, wer sagte denn dann, dass ich nicht schon vorher krumm war? Das müsste doch raus zu finden sein.
Also hab ich mich per Fernlehrgang an einer Kunstschule angemeldet. Es hat unglaublichen Spaß gemacht und, ich war völlig perplex, aber ich lag bei allen Fächern bei 2 oder 1 ...
Was mir fehlte war nämlich gar nicht das Talent, sondern einfach das Handwerk. Und nebenbei - mein Vater hatte gar kein "Talent". Er war nur ein guter Abmaler. Aber das kann man lernen. Als ich später Bilder meines Großvaters sah - DER war ein guter Zeichner.
Den Lehrgang hab ich nicht zu Ende gemacht. Er war ja eigentlich auch nur ein Test. Und den hatte ich vor mir selbst bestanden. Es war also gar nichts unveränderlich, bloß weils mir irgendwer eingetrichtert hatte. Wenn ich den Willen dazu hätte, könnte ich den Einfingerstand auf dem Schlappseil lernen oder einmal zu Fuß um die Welt rennen - es lag nur bei mir.
Als ich das einmal verstanden hatte, gings auch wieder vorwärts. Nicht immer problemlos, es gab noch richtig tiefe Täler, am schlimmsten eine Angststörung, die ich früher schon hatte, meldete sich so heftig zu Wort, dass ich über Jahre absolut isoliert lebte und mich schon zwingen musste, mir Essen zu kaufen.
Selbstredend gehen solche Zeiten nicht vorbei, ohne sich noch ein paarmal deutlich zu manifestieren.
Aber heute geht es mir gut. Ordnung fällt mir halt tierisch schwer und ich hänge an den Dingen, die mir/zu mir gehören, selbst wenn sie ganz wertlos sind.
Manchmal, wenn meine Katze groben Unfug angestellt hat (und darin ist sie Meisterin) und ich eigentlich mit ihr am liebsten schimpfen würde, schaue ich die Brummkugel so an und habe das gleiche seltsame Gefühl, wie nach der Geburt meiner Kinder. Hee ... diese kleine Brummkugel, dieser Frechdachs, gehört zu Dir. Niemand kann kommen und ihn Dir einfach wegnehmen. Und dann ist der Ärger schon wieder verflogen.
Allerdings brauche ich nur eine sehr beschränkte Anzahl sozialer Kontakte. Das ist geblieben. Ich genieße das Alleinsein, die Ruhe bis heute und ich glaube, ich könnte sie auch nie mehr komplett aufgeben. Der Kreis meiner echten Freunde ist klein, aber handverlesen.
Ich glaube, ein Teil meiner Probleme ist eigentlich auf etwas Positives zurück zu führen. Ich nehme Dinge selten als gegeben hin. Es ist für mich nie selbstverständlich geworden, in Ruhe ein Buch lesen zu können, mir ein Parfum oder Schmuckstück zu kaufen, einfach weils mir gefällt, nur mir selbst Rechenschaft schuldig zu sein.
Es ist für mich heute noch wie ein Wunder, mir irgendwas leisten zu können, einfach weil ich es halt will.
Und genau das führt natürlich dazu, dass man selbst kleinste Dinge unheimlich wertschätzt und schwer loslassen kann. Daran muss ich noch arbeiten, aber es ist wirklich 99% besser als am Anfang.
Aber was aus mir ohne all diese "Zufälle" geworden wäre - ich weiß es nicht. Und wie man diesen Vorgang bewusst anstupsen kann, weiß ich auch nicht.
Ich weiß nur, dass es, wie bei Deiner Schwimu, auch bei mir immer mal wieder einschneidende Erlebnisse gab, wie wahrscheinlich bei ihr der Gewichtsverlust, die eigentlich eine Chance boten, aus denen ich aber hunderte Male wieder aufs alte Level zurückgefallen bin. Warum es dann irgendwann geklappt hat - keine ahnung. Vielleicht wars wirklich der eine tropfen, der immer noch gefehlt hatte und nun da war.
So. Und jetzt geh ich ins Körbchen. Kommt gut ins Wochenende.

Kay

Ordnung ist etwas Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos. (Arthur Schnitzler)


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22.02.2014 12:46
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#93
Gast
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Ach Kayla, das ist wirklich verblüffend...deinen Text hätte ich zu 99% auch selbst geschrieben haben können. Einschließlich des Falscher-Film-Gefühls. Ich bin allerdings nicht aus einer Ehe raus, sondern aus einer kinderlosen Einfach-So-Beziehung. Und den Mann, den hab ich behalten, zwei goldknuffige Kinder mit ihm gebacken, und vor ein paar Monaten haben wir das verflixte siebte Jahr überstanden, ohne nennenswerte Probleme :)
Hätte ich mir damals aber auch nicht träumen lassen. Nichts davon.


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22.02.2014 14:11
#94
Ta

Gratuliere numi........vor allem auch zu den kinderchen, wir mussten da leider vernünftig sein und anerkennen,
dass die Kraft nur für uns beide reicht. Ist aber trotzdem schön,solange die Liebe bleibt. Grüssele Mausohr


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22.02.2014 14:31
avatar  Kayla
#95
Ka

Hallo Numi!
Na ja, bei mir steckten da Jahrzehnte Ehe, ein braves Coalkoholikerproblem und eine Handvoll Kinder im früh- und spätbubertären Wahnsinn mit drin. Ich war nur noch ein Abziehbild eines Menschen.
Inzwischen lebe ich auch seit 8 Jahren wieder in einer Beziehung. Aber ich habe meine alten Fehler nicht wiederholt. Bei dieser Entscheidung habe ich niemanden gefragt, ob sie "salonfähig" ist. Ich hab sie selbst getroffen - mit meinem Freund muss ausschließlich ich klar kommen und keiner weiter.
Und wir haben auch nicht begonnen, da eine "normale" Geschichte draus zu machen, die wir beide gar nicht ertragen hätten, da wir enorm viel Freiraum brauchen.
Genaugenommen ist unsere heute Beziehung zueinander eine, nach unserem Geschmack, designte, offene Beziehung. Untreue ist für uns beide kein Thema - ein Ausrutscher in die Richtung und es wäre vorbei. Aber alles andere, Hobbies, Freunde ... das gestehen wir uns gegenseitig ohne jedes Misstrauen zu.
Ich hab Freunde, die er nicht mag, damit kann er leben. Er hat welche, die mich zur Hochstrecke bringen - ich muss sie nicht treffen.
Wir kontrollieren uns nicht und vertrauen einander blind. Selbstredend liegt darin eine Gefahr. Verletzt einer (und seis aus Versehen) dieses Band, dann wirds schwierig. Doch bislang tanzen wir auf diesem Grat mit traumwandlerischer Sicherheit. Wir wollen das Leben des anderen gar nicht torpedieren. Es ist halt unser "Projekt" und passt auf keinen anderen. Muss es aber ja auch gar nicht.

So. Die Sonne ist wieder da und jetzt brauch ich noch bissie Frühlingsluft
Alles Liebe
Kay

Ordnung ist etwas Künstliches. Das Natürliche ist das Chaos. (Arthur Schnitzler)


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