27-Jährige Messie (?) mit Fragen

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30.03.2022 13:15
#1
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Hallo ihr Lieben,

ich bin ganz neu hier im Forum und auch mit dem Thema Messie allgemein habe ich noch nicht so viel Erfahrung.

Kurz meine Lage: ich war schon immer relativ chaotisch im Haushalt (mit relativ hohem Perfektionismus-Anteil in anderen Bereichen), seit ca. Anfang 2021 ist es aber leider extreem geworden und ich lasse seitdem niemanden mehr in meine Wohnung aus Scham. Entstanden ist das große Chaos wohl während einer Depression und damit verbundenem Antriebsmangel. Mittlerweile bin ich aus der Depri raus, habe aber einige stressige Monate hinter mir, in denen mir schlicht und ergreifend Zeit und Energie fehlten um meine Wohnung wieder in Ordnung zu bringen. So langsam schwant mir aber, dass Zeit- und Ernergiemangel nicht meine einzigen Probleme sind, denn inzwischen hätte ich eigentlich genügend Gelegenheit gehabt wieder klar Schiff zu machen, aber sämtliche selbst gesetzte Ultimaten vertreichen und ich scheitere immer wieder an meinen Vorhaben aufzuräumen, was mir viel Frust und Enttäuschung bringt und mich belastet.
Ich beschreibe mal meine Situation und würde mich über eine Einschätzung freuen, inwieweit Messie-Syndrom passend klingt.

Der Leidensdruck wird immer größer, denn ich fühle mich überhaupt nicht mehr wohl in meiner Wohnung (obwohl es ein so wichtiger Rückzugsort für mich ist), ich habe das Gefühl, dass das ganze Chaos unglaublich viel Energie zieht, es beeinträchtigt mein soziales Leben und ich bin auch eingeschränkt zum Beispiel was die Nutzung der Küche angeht.

Der Gedanke daran was alles zu tun ist in meiner Wohnung stresst und lähmt mich sehr und ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll. Gleichzeitig ist ein enormer Wunsch da mich endlich zu befreien und wieder eine normale, schöne Wohnung zu haben. Auch möchte ich meinen Besitz gerne drastisch reduzieren und Ballast loswerden, es fällt mir aber teilweise schwer mich von Dingen zu trennen, und die vielen Entscheidungen zu treffen, was mit den Dingen passieren soll (möchte vieles nicht einfach wegwerfen).

Mein Problem ist nicht, dass ich bestimmte Dinge sammle, sondern dass mein Haushalt einfach unglaublich extrem vernachlässigt ist plus Riesen Chaos, d.h. es fliegt alles durch die Gegend, Boden &Tisch sind voll, so dass ich mich nicht normal bewegen kann, es ist sehr dreckig, die Küchenzeile ist so voll, dass man sie kaum nutzen kann, das Waschbecken ist richtig richtig eklig, es gibt schimmliges Geschirr und es fällt mir schwer maintenance-Aufgaben durchzuführen wie z.B. Müll regelmäßig raus bringen, Klo putzen, Wäsche waschen, Bett beziehen etc. dabei ist meine Wohnung nur 21 qm groß, das Chaos und der Leidensdruck sind aber wirklich enorm.
Ich habe das Gefühl, dass mir alles viel leichter fallen würde, wenn meine Wohnung in Ordnung wäre und ich mich wohl fühlen würde, also dass mir dann auch Haushalt-Aufgaben wieder viel einfacher von der Hand gehen würden. Jetzt gibt es ein starkes Vermeidungsverhalten von meiner Seite um auch nicht so sehr mit dem belastenden Anblick konfrontiert zu sein (wie ein Scheuklappen- oder Tunnelblick, also dass ich sehr vermeide mich um- oder genau hinzukucken; manchmal vermeide ich sogar den Aufenthalt in meiner Wohnung, kennt ihr sowas??)

Ich habe schon seit längerem einen Therapeuten (aus anderen Gründen), er ist jetzt seit einigen Wochen endlich eingeweiht, was mich sehr viel Überwindung gekostet hat. Zum Glück hat er nicht-wertend und unterstützend reagiert, wir haben Hausaufgaben verabredet (Glasmüll wegbringen, alle leeren Verpackungen wegschmeißen, Badezimmerboden aufräumen), was mir wirklich gut geholfen hat, weil wir eine wirkungsvolle therapeutische Beziehung haben (wenn er sagt 'Ich würde mich freuen, wenn Sie bis nächste Stunde xy erledigt haben' hat es eine große motivierende Wirkung auf mich). Leider haben wir nach dieser einen Hausaufgabe meine Wohnung wieder aus den Augen verloren, ich möchte es aber jetzt ab demnächst wirklich priorisieren und zum Hauptfokus machen, denn ich habe das Gefühl, dass ich alleine nicht mehr mit meiner Wohnung fertig werde. Wenn jemand positive Therapieerfahrung hat und entsprechende Tipps, gerne her damit!

Ansonsten würde es mir glaube ich echt gut tun und mir Erleichterung bringen mich mit ähnlich Betroffenen mal austauschen zu können, denn bei 'Normalos' empfinde ich schon ziemlich große (unüberwindbare?) Hemmungen..
Auch möchte ich gerne mehr lernen zu den Hintergründen und Ursachen vom Messie-Syndrom um meine Situation besser verstehen und gezielter ins Handeln kommen zu können.
Aus diesem Grund: Kann mir jemand eine (online) Selbsthilfegruppe empfehlen? Auch Links, Buchempfehlungen o.ä. sind willkommen.

Ich will es jetzt wirklich angehen und auch schaffen! Dadurch dass der Messie-Zustand noch nicht allzu lange vorherrscht, meine Wohnung nicht so groß ist und ich mir jetzt wirklich Zeit und Ruhe nehmen möchte für meine Baustellen (Aufräumen in der Wohnung und auch im Kopf ohne Zeitdruck), habe ich jüngst etwas Hoffnung und Zuversicht entwickeln können, dass es möglich ist (hoffe ich..!). Ich denke aber es wird ein sehr anstrengender und steiniger Weg und ich habe auch ein bisschen Angst ihn zu beginnen...

Soweit erst mal! Danke fürs Lesen.

Liebe Grüße,
KleineRatte

P.S.: Ich befinde mich derzeit in dem Diagnostikprozess für eine mögliche Autismusspektrumstörung (ASS). Wenn jemand dazu etwas sagen kann (Zusammenhang Asperger und 'Messie' (shutdowns, overloads, Störung der Exekutivfunktionen), sehr gerne hier oder via PN melden!

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Nur das Genie finde sich im Chaos zurecht

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30.03.2022 19:34
#2
Wo

hallo @kleineRatte

einmöglicher Zusammenhang zwischen Aspi und Messie wurde früher schonmal in einem anderen Messieforum angedacht. So direkt kann ich keinen Zusammenhang erkennen, nur das eine Ursache ein anderes Symptom hervorrufen kann. Ich denke, dass Messie zuerst da war und daraus der Asperger entstand. Ist natürlich nicht bei jedem so.
Warum schämst Du Dich? Wie ist Deine Scham entstanden?

viele Grüße
Wolfram


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30.03.2022 20:21
#3
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Hallo Wolfram,

Danke für deine Nachricht. Du hast nicht zufällig den Link zu dieser Diskussion, oder?
Ich kann mir vorstellen, dass es einen Zusammenhang geben könnte in der Art, dass die autistischen Reizüberflutungen und Lähmungszustände (Shutdowns) das Messie-Sein begünstigen, weil autistischen Menschen einfach sehr schnell alles zu viel wird und dann leicht die Handlungsfähigkeit blockiert wird.
Deine Hypothese, dass das Messie-Syndrom zuerst da war und daraus Asperger entstanden ist, ist jedoch wissenschaftlich nicht haltbar, da es sich bei Asperger um eine Entwicklungsstörung handelt, die bereits im Embryo entsteht, also angeboren ist und nichts ist das man 'bekommen kann'. Da ist Messie wohl eher etwas, das im Erwachsenenalter entstehen kann, da es sich deutlich mehr auf der Verhaltensebene abspielt und meiner Einschätzung nach aufgrund von Lernerfahrungen (und Traumata etc.) entsteht (wobei es bestimmt auch prädisponierende Faktoren gibt, die sich auf der genetischen Ebene finden lassen, so tief bin ich allerdings noch nicht im Thema).

Naja, meine Scham ist einfach da seit ich meine Wohnung für 'nicht mehr betretbar' halte, weil das Chaos und der Dreck das normale Maß übersteigt und bei normalen Mensch vermutlich zu geschockten und sehr irritierten Reaktionen führen würde. Scham ist ja eine natürliche Reaktion auf etwas, das von der Norm abweicht, weil es potenziell zum sozialen Ausschluss führen könnte und der Mensch sich davor schützen möchte. Ich empfinde auch Scham mir selbst gegenüber, dass es überhaupt 'so weit kommen' konnte und dass ich bisher nicht in der Lage war die Sache wieder in den Griff zu kriegen, also da sind Gefühle von Scheitern, Schwäche, Hilflosigkeit und Kontrollverlust..
Empfindest du keine Scham?

Viele Grüße,
KleineRatte

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Nur das Genie finde sich im Chaos zurecht

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30.03.2022 21:05
avatar  Bethli ( gelöscht )
#4
Be
Bethli ( gelöscht )

Liebe kleine Ratte
Einen schweren Schritt, dein Problem anzuerkennen und hier zu beschreiben hast du bereits geschafft.
Und du hast sagst ja selber, es geht dir mittlerweile, auch dank Therapie bezügl. Depression schon besser und du hast Lust, deine Wohnsituation zu verbessern. Das ist doch schon mal ein Super Vorsatz.
Zusammen geht Anpacken und Anfangen einfacher, hast du evt. jemanden im Freundeskreis oder der Familie, den du einweihen könntest und der dich unterstützen würde? Du schreibst auch, der "Messie-Zustand" deiner Wohnung hält noch nicht so lange an und die Wohnung ist mit 21qm nicht sehr gross...das alles sind gute Vorzeichen, dass du es schaffst. Du scheinst wirklich sehr motiviert zu sein 👍 diesen Schwung nutzen und mal an einem Ecken anfangen, dann siehst du rasch einen Erfolg und kannst dich darüber freuen.
Liebe Grüsse
Bethli


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30.03.2022 21:10 (zuletzt bearbeitet: 30.03.2022 21:10)
#5
An

Hallo, also, da gibt es wohl keinen Zweifel, dass das eine Messiewohnung ist. Nachdem das geklärt ist, kann es ans Aufräumen gehen.
Ich empfehle drei Phasen:
1.) Alles raus, was raus kann - Müll, überflüssige Bücher, Kleidung, die nicht mehr passt, kaputte Elektrogeräte, eingetrocknete Farbtöpfe...
2.) Den Rest sortieren und aufräumen
3.) Schön durchputzen, bis es glänzt und duftet.
Vielleicht noch 4.) Gäste einladen


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