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Wo fange ich an?
Hallo zusammen!
Ich habe mich soeben im Neuen-Forum vorgestellt - also ein Neuling :-)
Und wie es so ist, kommen da einige Fragen, die ich nur euch als Betroffene und Versteher stellen kann.
Alsoooo: Meine Mietwohnung ist so aufgebaut: Küche, Entrée, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Badezimmer
1. Wo beginne ich? Das kann ich mir gleich selber beantworten, denn der Hygiene entsprechend wäre das die Küche. Aber mal in der Küche angekommen, wo fahre ich fort? Was mache ich zuerst, wenn ich die Kraft einteile? Schränke ausräumen, putzen, dann erst Geschirr waschen, um dem nun sauberen Geschirr ein sauberes Zuhause zu bieten oder gehe ich gleich die Schwachstelle schmutziges Geschirr an? Und wie weiter? Mir schwirrt schon jetzt der Kopf *&%!?
2. In welchen zeitlichen Etappen würdet ihr mir empfehlen, die jahrelange Anhäufung zu beseitigen? Täglich? Alle 2 Tage? Wie lange ich an etwas bleiben kann, weiss ich jetzt noch nicht, aber ich kann mir vorstellen, sicherlich alle 1/2 Stunde eine kurze Pause einbauen zu müssen? Aber wie lange bleibe ich im Gesamten pro Etappe/Tag dran? Ich muss das jetzt alles wieder einmal ausprobieren - früher konnte ich das ohne Probleme, herrgottnochmal! Tschuldigung
3. Wie weiss ich nun, welchen Raum ich als nächstes Angehe, ohne vorher schon wieder in Demotivation zu versinken? Gehe ich es der Hygiene nach - also das Bad? Oder dem grössten Frustberg? Oder dem eher angenehmsten Raum? Was ist die beste Strategie, um längerfristig dranzubleiben und nicht immer wieder von Versagen oder Frust aufgefressen zu werden?
Das wärs mal... ich bin auch "fertig", denn schon nur die Vorstellung vom Ausmisten scheint meine Energie anzuzapfen. Habt ihr das auch?
Liebe Grüsse
Trini
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Das mit der Müdigkeit kenne ich auch, aber erst mal herzlich willkommen. Ich versuche es schon seit 1989, wieder einigermaßen wohnlich zu werden. Zwischendurch hab ich immer wieder Phasen, in denen ich mich gehen lasse und wenn ich mich dann entschlossen hatte, etwas zu tun, hatte ich noch auf Arbeit Visionen, wie ich in Küche, Bad, Korridor und Stube herumwusele. Sobald ich aber die Tür hinter mir schloß, befiel mich eine bleierne Müdigkeit, die mich magisch ins Bett zog und der ich nicht widerstehen konnte.
LG Zipserin
Hallo Zipserin
Sorry, musste schmunzeln ab der Vorstellung, wie du auf der Arbeit noch Visionen hattest - schien mir damals ein richtiger Putzanfall von dir gewesen zu sein, ja?
Ja, das mit dem Bett-Anzug (und da meine ich jetzt nicht das Duvet) ist so ne Sache, die glaube ich, von der Depression herrührt: Zum Bett schlarpen, Bettüberwurf hoch, fallen lassen aufs Bett, Überwurf bis über die Ohren ziehen und die Welt Welt sein lassen - ganz nach dem Motto: "Lasst mich doch alle in Frieden!"
Weisst du, im Kopf spielt sich das immer so wunderbar ab, der eigene Putzfilm: voller Motivation und Tatendrang stellst du dir vor, wie du alles MORGEN angehst.... dann... ist es morgen und du bleibst einfach im Bett liegen. Zumindest mir geht es so. Und dir?
Grüsse, Trini
#4
Ja, Trini, solche Zeiten kannte ich auch. Nur konnte ich mich nie vollfallen lassen, denn mein Ehemann ist schwerbehindert, braucht täglich Hilfe.
Mittlerweile geht's langsam bergauf und ich bin zufrieden über das, was gerade geht. Ja, ich stecke mir durchaus schaffbare Ziele,
doch genauso gut kann ich den tagesplan wieder umstossen, wenn ich doch kraftlos bin. Zurzeit hat Teddymän Urlaub, da bin ich
besonders grosszügig mit Umwerfen der Pläne.
Grüssele Mausohr
Gold
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Hallo Trini,
herzlich Willkommen hier im Forum!
Was du beschreibst, klingt nicht unbedingt nach echtem Messie, wenn dann höchstens in Teilbereichen. Aber im Großen und Ganzen scheinst du unterscheiden zu können, was Müll ist, und was nicht. Echte Messies hadern damit, was sie wegwerfen sollen, und was sie behalten möchten. Wer sich hingegen nicht aufraffen kann, aktiv zu werden, der hat am wahrscheinlichsten eine Antriebsstörung. Das sind die meisten hier im Forum, und weil diese scheinbar kleinen, aber sehr bedeutsamen Unterschiede der Öffentlichkeit kaum bekannt sind, bezeichnet man sich (oder einen Angehörigen) natürlich als "Messie", sobald irgendeine Art von Müllberg im Spiel ist. Da viele Messies zusätzlich auch noch an einer Antriebsstörung leiden, und eben so viele irrtümlich hier auftauchen, die sich für "Messies" halten, weil sie die Definition nicht kennen, haben wir inzwischen ganz viele Hilfsangebote für Menschen mit einer Antriebsschwäche zusammengetragen. Der eine Teil sind Selbsthilfe-Guides, die verschiedene Perspektiven bieten, wie man sich der Lösung seiner Probleme mental nähern kann. Der zweite sind unsere "Online-Tagebücher", die jeder hier führen kann - was viele als sehr hilfreich empfinden.
Denn es sind in erster Linie (wie auch immer geartete) mentale Probleme, die die Betroffenen - und damit auch dich - hierher geführt haben. Klar, sie zeigen sich in Form von Müll und Chaos, aber sie verschwinden nicht automatisch, indem man Müll und Chaos beseitigt. Eigentlich verhält es sich genau umgekehrt: Sind erst die mentalen Probleme behoben, verschwindet der Müll quasi von allein, aber wenn man am Müll arbeitet, und dabei immer noch das Problem mit sich herumschleppt, das zu diesem Müllberg geführt hat, dann verschwindet der Müll nie.
"Was ist die beste Strategie, um längerfristig dranzubleiben und nicht immer wieder von Versagen oder Frust aufgefressen zu werden?"
Das ist die eigentlich entscheidende Frage, um die es sich bei den meisten hier dreht.
Und damit sind wir bei deinen Fragen - und du wirst möglicherweise verwundert sein, ganz andere Antworten zu bekommen als
"Beginne im Wohnzimmer und arbeite dreimal in der Woche 3 Stunden"
Denn dafür gibt es keine allgemeingültige Lösung, sondern nur eine individuelle, die du selbst lernen kannst, oder genauer gesagt: Die du selbst lernen musst, weil es genau darum geht: Zu lernen, sein Leben selbstbestimmt zu managen. Diese Fähigkeit geht dir momentan ab, und es klingt sehr danach, als hättest du sie schon besessen, sie ist dir nur verloren gegangen. Die gute Nachricht daran: Bei Menschen, die das schon mal konnten, macht es erfahrungsgemäß viel schneller *klick*, wenn man ihnen einmal erklärt hat, wo das Problem herkommt.
"Wo beginne ich?"
Du hast dir diese Frage zwar selbst beantwortet, aber möglicherweise falsch. Eine sinnvollere Frage ist "Womit lasse ich es enden?"
"Wie lange ich an etwas bleiben kann, weiss ich jetzt noch nicht, aber ich kann mir vorstellen, sicherlich alle 1/2 Stunde eine kurze Pause einbauen zu müssen?"
Lass es mich mal so sagen: Diese Pausen, die du dir gönnen darfst (und nicht machen musst), sind der eigentliche Schlüssel. Macht man sie erst, wenn man spürt, dass man nicht weitermachen kann vor Erschöpfung oder Schmerz, dann ist das genau das, was einen eigentlich erst in die Scheiße geritten hat.
Der Mensch wird hauptsächlich von zwei Faktoren motiviert. In der Fachsprache heißen sie "positive und negative Verstärker". Negative Verstärker entstehen meist durch äußere Einflüsse, ohne dass wir etwas dagegen tun können. Dabei geht es in erster Linie um sozialen Druck: Man schämt sich, man ekelt sich, man hat Angst, dass herauskommt, wie man lebt, und Ähnliches. Davon gibt es im Leben eines Antriebsgestörten normalerweise wegen des bereits vorhandenen Chaos überreichlich. Aber das allein genügt komischerweise trotzdem nicht, ihn zu motivieren.
Menschen mit einer Antriebsschwäche haben aber noch eine zweite Gemeinsamkeit: Es hapert an den positiven Verstärkern (Selbst-)Lob, (Selbst-)Anerkennung, Stolz, gute Gefühle, Belohnungen). Damit stimmt irgendwas nicht - und zwar bei jedem individuell. Der eine nimmt sich seine Belohnungen, ohne Leistung zu erbringen. Der andere schuftet sich blutig, aber weil es nicht perfekt geworden ist, ist er mit dem Ergebnis nicht zufrieden, hält sich seine Belohnung vor, und fängt irgendwann deswegen überhaupt nicht mehr an.
Es gibt noch weitere "Reinformen", aber auch Mischungen aus mehreren davon kommen häufig vor. Auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht kann man aber sagen: (Nahezu) alle Menschen mit einer Antriebsschwäche haben eine Störung (oder Fehlprogrammierung) im Belohnungszentrum.
Um die beheben zu können, ist es weder wichtig, wo die Störung herkommt, noch, welche genau es ist. Das zu wissen hilft eigentlich nur dabei, den Mut zu finden, unsere Strategie auszuprobieren, sich selbst zu reprogrammieren - indem man den fehlerhaften Prozess mit dem korrekten Prozess überschreibt. Durch häufige Wiederholung bildet das Gehirn neue neuronale Verknüpfungen, und lernt auf diese Weise, dass Leistung mit etwas Angenehmem verbunden ist. Dann muss man nicht mehr Leistungen erbringen, sondern man will - und dadurch läuft es plötzlich "wie von selbst". Und wie schon erwähnt: Wenn man den korrekten Weg schon mal gekannt hat, aber er irgendwie "deaktiviert" wurde, heißt das im Normalfall, dass die alten Verbindungen noch da sind, und nur reaktiviert werden müssen, statt sie neu zu bilden - was viel schneller geht.
Hier findest du die Details zu dieser "Selbst-Reprogrammierung":
Leistung und Belohnung - Anleitung zur Selbstmotivation
Und hier eine von mehreren möglichen konkreten Vorgehensweisen:
Kleine Steine - Große Steine
Aufgrund dessen, dass du schon sehr intensiv beim Thema Putzen bist, ich aber die Vermutung hege, dass bei dir erst einmal entrümpelt werden sollte, empfehle ich dir außerdem:
Spar dir das Putzen (10 Punkte-Plan)
Ich hoffe, wir lesen, ob dir diese Texte etwas bringen, und falls nicht, dann gibt es hier sicher noch mehr Ideen :)
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