Wie gehe ich als Tochter am besten damit um?

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27.02.2018 19:21 (zuletzt bearbeitet: 27.02.2018 19:25)
avatar  Koku
#1
Ko

Hallo,
ich bin neu hier im Forum und bin sehr froh, es gefunden zu haben!
Ich bin inzwischen schon Mitte 20, in unserem Zuhause herrschte seit ich denken kann, Chaos. Angefangen hat es mit nur einem Zimmer in einer Wohnung, das von Fremden nicht betreten werden durfte weil es so vollgestellt war. Später wurde dann das ganze Haus vollgestellt, was sich bis heute kaum geändert hat. Seit ein paar Jahren wohne ich nun nicht mehr zuhause - war sehr froh, aus dem Chaos fliehen zu können.
Da ich jetzt auch nicht gerade um die Ecke wohne, und ich meine Mama eigentlich sehr gerne habe, komme ich trotzdem nicht drumrum und besuche sie ca. alle 2-3 Wochen über das Wochenende. Meine Schwester ist zum gleichen Zeitpunkt wie ich ausgezogen, sie kommt auch alle 2 Wochen ungefähr heim. Außer zu uns und bei ihrer Arbeit, hat meine Mutter so gut wie keine Kontakte. Frühere Freundschaften pflegt sie nicht weil sie dafür keine Zeit hat (sagt sie) und sie den Leuten, glaube ich, auch nicht so traut. Zu ihrer Verwandtschaft hat sie, wenn überhaupt, nur noch Kontakt bei Pflichtterminen. Mit vielen Verwandten ist sie zerstritten, wie auch mit meinem Vater und seiner Familie (mit denen ich aber auch so gut wie keinen Kontakt mehr habe).

Also, wie gesagt, ich komme nicht drumrum, sie zu besuchen. Manchmal mache ich dann auch nur Tagesausflüge und treffe mich in der nächstgrößeren Stadt mit ihr, um das Haus zu umgehen. Meistens übernachte ich aber dann eben doch, weil es sonst auf Dauer zu stressig ist und es mir dann auch leid tut. Ich weiß nicht, ob der Gedanke unsinnig ist, aber ich möchte ja auch eine gute Tochter sein, die sich um ihre Mutter kümmert.

Was ich auch noch hinzufügen möchte ist, dass sie es in ihrem Leben nicht leicht hatte und ich sie wirklich für eine starke Frau halte. Umso mehr würde ich es ihr wünschen, dass sie aus diesem Chaos rauskommt. Sie ist an sich ein geselliger Mensch, und so wie sie von der Vergangenheit redet, war sie das auch mal, aber irgendwie wirkt sie so enttäuscht und niedergeschlagen über sich selbst, dass sie da einfach nicht selber rauskommt. Eine Therapie würde sie nicht machen, weil sie sowieso alles alleine schaffen möchte, schwer Hilfe annimmt, keine Zeit für sowas hat etc. Sie hat z. B. auch keine Zeit für Sport, Urlaub nur ganz selten.. sie ist ein echtes Arbeitstier.

Mit anderen Hortern bzw. Messies hat sie gemein, dass ihr es schwer fällt, Dinge wegzuschmeißen, nach dem Motto "Lieber nochmal aufheben, vielleicht kann man es ja irgendwann doch gebrauchen". Als ich noch daheim gewohnt hab, hat sie z. B. öfters Sachen wieder aus dem Müll genommen, die ich weggeschmissen hab.Ebenfalls ist sie eindeutig perfektionistisch veranlagt: Sie macht nur dann Dinge, wenn sie sie zu 100 % gut machen kann. Sie übernimmt selten Verantwortung für ihre Fehler und ihr Tun - es sind zuerst meistens die Anderen schuld (sie kommt zu spät weil er Lastwagenfahrer vor ihr fuhr zu langsam etc.. bessere Beispiele fallen mir gerade leider nicht ein). Mir ist auch noch aufgefallen, dass sie viele Dinge nicht wegwirft, weil sie damit eine besondere Erinnerung verbindet. Sie hat es übrigens schon vor Jahren eingesehen, dass sie ein Problem hat. Die Fortschritte scheint aber nur sie zu sehen, z. B. eine Ecke im Keller aufgeräumt oder sowas. Ich sehe eher immer, dass "umgeräumt" und nicht "aufgeräumt" wird. Und, mir kommt es so vor, dass es immer schlimmer wird.. langsam merkt sie nämlich, dass sie nicht mehr die Jüngste ist, und dass sie einfach viel weniger schafft als sie das möchte. Und, im Haus fallen immer mehr Reparaturen an, die sie nur im äußersten Notfall (Heizung kaputt im Herbst/Winter) reparieren lässt - ansonsten repariert sie es selber oder es bleibt einfach kaputt. Wir haben z. B. schon seit ich denken kann eine Spülmaschine, die aber kaputt ist. Wir haben zwei Mikrowellen - eine kaputt, aber steht noch an ihrem Platz - die andere geht zwar, da ist aber irgendwas mit dem Anschluss, eine kaputte Waschmaschine usw. Sie schmeißt die Sachen dann auch nicht weg, mit der Begründung, dass sie sie nicht tragen kann. Nachbarn fragen geht nicht weil sie ja das Chaos sehen würden. Neue Dinge will sie sich nicht anschaffen weil sie nie zu 100 % ihren Vorstellungen genügen und es sich ja sowieso nicht mehr lohnt, eine Spülmaschine für sich alleine anzuschaffen. Geht klar - stattdessen lässt sie das Geschirr immer stapeln, weil es sich dann auch erst lohnt, es abzuspülen weil sonst zu viel Wasser verbraucht wird.. lieber steht sie dann 2-3 Stunden am Spülbecken und jammert dann wieder rum, wenn sie zu nix kommt. Ich verstehe das einfach nicht und könnte manchmal wahnsinnig werden.

Das ist jetzt doch ganz schön lang geworden.. mein Problem ist einfach, dass ich nicht weiß wie ich damit umgehen soll. Ich hab selber eine schwere neurologische Erkrankung, die durch Stress getriggert wird. Gesundheit steht für mich an oberster Stelle. Nur, wie soll ich Stress umgehen bei diesem Chaos? Ich bin auch einfach langsam echt wütend auf sie, weil es nicht schafft, ihr Leben endlich auf die Reihe zu kriegen und mich dabei vernachlässigt.. es tut mir leid, das so böse zu schreiben. Und es nervt mich wahnsinnig, dass sie es sich selbst nicht wert ist, für sich zu sorgen, z. B. Sport zu treiben, weniger zu arbeiten. Oder, wenn sie meint, die Bio-Eier sind "meine" Eier weil sie sozusagen zu "gut" für sie selbst sind. Dazu kommt, dass ich einen Freund hab, der zwar auch schon zu Besuch war (klar, war einigermaßen aufgeräumt), der aber auch von dem Horten von der Mama weiß. Spontane Besuche mit ihm sind ihr aber peinlich und ich möchte sie ja auch nicht in Verlegenheit bringen. Ich hab auch Angst vor der Zukunft: Sie wird immer älter, und so schlecht wie sie sich um sie sorgt, gebrechlicher, und wie soll sie das schaffen, alles aufzuräumen?

Ich freue mich sehr über einen Austausch. Ich kenne sonst noch keinen anderen Messie oder Angehörige von Messies persönlich.


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27.02.2018 19:52
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#2
Gast
( gelöscht )

Hallo, Koku

ich bin gewissermaßen das andere Ende. Seit langem Messie mit Kindern in deinem Alter.

Schon früh habe ich klar gestellt: Wenn es jemandem nicht passt, wie es bei mir aussieht, dann soll er weg bleiben. Der Freundeskreis hat sich entsprechend sortiert.
Meine Kinder sind keine Messies. Aber sie reden mir normalerweise trotzdem nicht rein. Deine Mutter und ich sind über 18 und entscheiden selbst, wie wir unser Leben gestalten und mit wem wir Kontakt haben.
Irgendwann merkte meine Tochter an, dass sie nach meinem Ableben nicht mein Gerümpel sortieren möchte. (Ja, wir haben einen lockeren Umgangston) Dafür habe ich Verständnis. Wenn meine Kinder zu Besuch kommen (beide wohnen sehr weit weg), dann bereite ich Sachen vor, die sie mitnehmen können (Gebrauchsgegenstände oder Erinnerungsfotos etc.) Was sie nicht mitnehmen kommt weg. Das geht langsam, gibt mir aber ein gutes Gefühl.

Hast du eine Ahnung, ob es im Leben deiner Mutter ein einschneidendes Erlebnis gab, das den Beginn ihres Sammelns kennzeichnet? Wenn du verstehen kannst, wie es zum Sammeln im Leben deiner Mutter kam, dann kannst du es vielleicht leichter akzeptieren. Deine Mutter lebt ihr eigenes Leben. Wenn sie eines Tages ins Pflegeheim muss, dann ist Kümmern gefragt. Im Moment scheint sie auf ihre Weise alleine klar zu kommen. Auch wenn dir das wie nicht gefällt.

Einem Messie kann man nur helfen, wenn er selber um Hilfe fragt. Und auch dann ist nur mit sehr viel Feingefühl etwas zu erreichen. Oder mit brutaler Gewalt. Eine Mutter-TochterBeziehung kann es komplizierter machen.

Allzeit für Fragen bereit
die Kräuterfrau


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27.02.2018 22:09
avatar  Wolfram
#3
Wo

@Koku

bei mir sieht es ähnlich aus wie bei Deiner Mutter. Verfolge mal das Leben Deiner Mutter. Die Ursachen liegen in der Vergangenheit.
In Deinem Fall würde ich sagen, sie hat es nicht anders gelernt. Sage und erkläre Deiner Mutter, warum Du etwas wegwerfen willst. Aber nicht, wenn sie etwas wieder braucht, könnte sie es neu kaufen. Das ist nicht zwangsläufig so. Das bedeutet eine Abhängigkeit von denen, die etwas herstellen sollen.

Lies Dir auf meiner Webseite den Abschnitt Kommunikation durch.

viele Grüße
Wolfram


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28.02.2018 01:05 (zuletzt bearbeitet: 28.02.2018 01:12)
avatar  Koku
#4
Ko

@Kräuterfrau
Vielen Dank für deinen Kommentar! Die Meinung von dir als Gegenseite zu hören empfinde ich als wirklich wertvoll.
Ich verstehe was du meinst, allerdings schämt sich sich wahnsinnig für ihr Chaos, was bei dir nicht der Fall zu sein scheint (oder täusche ich mich). Sie ist sich bewusst, dass das Problem in der Psyche liegt, hat mal Bücher zu dem Thema gelesen. Sie hat auch schon angefangen, für sich im Kopf aufzuräumen, sieht aber glaub ich in der Realität das Licht am Ende des Tunnels nicht. Dass sie so gut wie keine sozialen Kontakte hat, hat sie nicht freiwillig, sondern weil sie sich eben so sehr schaemt dass sie niemanden mehr reinlaesst. Bevor überhaupt wer in das Haus reinkommt, räumt sie erst kräftig auf. Es weiß sonst niemand außer meine Schwester und ich, dass sie ein Horter ist. Sie hat gesagt, dass sie selber nicht versteht, wie es so weit kommen konnte und sie fühlt sich nicht wohl daheim. Sind das nicht Anzeichen dafür, dass ich ihr helfen kann, da rauszukommen? Und da würde ich ihr einfach gerne helfen, komm aber einfach regelmäßig an meine Grenzen.
Ich weiß, zu welchem Zeitpunkt es wirklich schlimm wurde. Ob ich das an Ereignisse knüpfen kann, müsste ich nachdenken. Wäre das etwas, was ich sie fragen kann, oder würde sie sich da angegriffen o.ä. fühlen?
Sie hat schon öfter von einem Ereignis erzählt, als ihre Schwägerin u ihr Bruder vor 30 oder 40 Jahren ihr Jugendzimmer ohne ihre Zustimmung leer geräumt u wohl noch ganz viele andere Sachen weggeschmissen, die ihr wichtig waren (und evtl. Ihre Verwandten als Unrat betrachteten), haben. Zu denen pflegt sie bis heute noch großes Misstrauen. Dann scheiterte ihre Ehe und zog einen jahrelangen Rosenkrieg nach sich. Sie erzählt öfter, dass das gemeinsame Haus damals so schön war weil die Möbel perfekt zusammengepasst haben. Mit der Scheidung wurde alles 50/50 aufgeteilt und die Möbel sind jetzt praktisch mehr oder weniger zusammengestoepselt was ihr gar nicht gefällt.


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28.02.2018 10:33
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#5
Gast
( gelöscht )

Hallo, @Koku

deine Mutter scheint auf dem Weg zu sein. Das ist ein gutes Zeichen. Wie du ihr helfen kannst? Hast du sie das schon selbst gefragt? Was ich mir vorstellen könnte: Das Sortieren macht sie selbst. Du übernimmst das Entsorgen dieser Dinge (z.B. Mikrowelle zum Kleinelektroschrott). Das hat den Vorteil, dass sie es sich nicht noch einmal anders überlegen kann. Die Sachen sind dann weg.

Von den Erlebnissen hört sich das erste so an, als könnte es ein Auslöser sein. Irgendwo im Forum habe ich eine ähnliche Geschichte schon einmal gelesen (@Draculara , kannst du hier weiterhelfen? @Messie Emin, vielleicht war es auch, was jemand bei unserem Treffen erzählt hat?). Das ist ein arger Übergriff in die Intimsphäre, vielleicht vergleichbar mit einem Einbruch.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Auch wenn ich offen mit dem Thema umgehe, fühle ich mich trotzdem nicht wohl mit dem Zustand meiner Wohnung. Ich bleibe einfach realistisch dabei, was ich wirklich ändern kann und wo meine Grenzen sind.


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