Ich kann oder will so nicht mehr - verwahrlostes leben - isoliert

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18.07.2014 18:25
avatar  Shey
#6
Sh

Ich denke heutzutage wird das Wort "unlösbar" sehr inflationär gebraucht. Die Ursache meiner Depression ist jedoch unlösbar. Die Symptome kann ich aber sicher behandeln (lassen).

Was Ziele angeht: Ich habe kein Bedürfnis nach Weintrauben. Nicht das geringste. Ich habe nur ein Bedürfnis: Eine saubere Wohnung in der ich vernünftig schlafen und kochen kann. Nichts anderes. Danach kommt Sport und eine gesunde Ernährung, Bildung und dann soziale Kontakte. Die Wohnung zuerst.

Wenn ich eine Mülltüte (lösbares Problem) rausbringe, wird Ungeziefer sichtbar (unlösbares Problem). Es gibt keinerlei Grund die lösbaren Probleme anzugehen ohne eine Lösung für die "unlösbaren" Probleme zu haben. Ähnlich ist es überhaupt erst so weit gekommen: hatte ein unlösbares Problem und deswegen habe ich die kleinen Probleme nicht gelöst. Ziemlich typisch für eine Depression: "Ich kann sowieso nichts daran ändern, also wieso den Müll jetzt rausbringen, aber bald mach ich das."

...

Es sieht nach einem Muster aus. Ist es sicher auch. Ändert jedoch nichts an der momentanen Unlösbarkeit des Insektenproblems. Mein Wohnraum ist das akute Problem. Sicher ist es ein Symptom; jedoch bin ich mit sicher wenn dieses Symptom "behandelt" ist, dass mir andere Hilfe erst helfen kann.... Ich weiß bloß nicht wie ich das machen kann.

Wieviel kostet sowas? 40qm² Wohnraum. Ich bin mir sicher, dass ich es mir nicht leisten kann da ich arbeitslos bin, aber ich weiß nicht wie ich das sonst schaffen kann... Ich hasse es das zuzugeben; ich empfinde es als Demütigung mir keinen vernünftigen Wohnraum aufgebaut zu haben bzw es auch nicht zu können in der momentanen Situation. Aber es ist so. Ich hänge nur an meinem Computer und meinem Schreibtisch, der Rest könnte bei einem Meteoriteneinschlag zu Gold werden.....


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18.07.2014 20:00
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#7
Gast
( gelöscht )

Ich verstehe dich, insbesondere dein Schamgefühl. Das können dir hier sicher auch alle anderen nachempfinden. Eine für jeden gleichermaßen funktionierende Lösung gibt es nicht. Es gibt zahlreiche Tricks, wie man seinen Müll diskret entsorgen kann, aber das dauert. Viele sagen sich dann: Es hat Jahre gedauert, den Müll anzuhäufen, der verschwindet nicht über Nacht.

"Es gibt keinen Grund, die lösbaren Probleme anzugehen, ohne eine Lösung für die unlösbaren Probleme zu haben". Doch. Genau das ist es, was ich dir zu sagen versuche. Dein großes, unlösbares Problem wird überschaubarer, und damit einfacher zu lösen werden, wenn du dich zunächst den lösbaren Problemen widmest.
Bei mir war das unlösbare Problem meine Schulden. Um die Schulden abzuzahlen hätte ich einen guten Job gebraucht. Aber ich konnte mir keine Tageszeitung leisten, wo die Stellenanzeigen drin stehen, und kein Geld für Bewerbungsunterlagen, und keins für Fotos (und überhaupt, so will ich mich doch auf keinen Fall fotografieren lassen), und keins für angemessene Kleidung, oder auch nur den Bus, um irgendwo zum Vorstellungsgespräch hinzufahren. Und überhaupt, wozu damit abquälen, nur damit ich, falls ich wirklich einen Job fände, genauso viel (bzw wenig) Geld hätte wie vorher, nur dass ich dafür dann den ganzen Tag ackern müsste. Es war einfacher, an Ort und Stelle sitzen zu bleiben, vor meinem Computer, und zu versuchen, mich damit abzufinden, dass ich mein Leben mit Mitte zwanzig halt einfach schon verkackt habe, und jetzt irgendwie damit leben muss, bis ich entweder den Mut finde, mich umzubringen, bis ein Wunder geschieht, oder bis ich eines natürlichen Todes sterbe. Oder vielleicht hab ich ja auch einen schönen Unfall, vom Bus überfahren, wer wohl zu meinem Begräbnis kommen würde? Keine Sau, vermutlich...

Es würde jetzt zu weit führen, und ganz genau erklären kann ich es sowieso nicht, aber ich habe eines Tages damit angefangen, die lösbaren Probleme zu lösen. Habe Dinge aussortiert und weggeworfen. Bett gemacht. Geduscht. Klamotten gewaschen. Schmutzige Klamotten eingesammelt und in den Wäschetrog getan. Geschirr gespült. Habe mir was richtiges gekocht. Bin mal spazieren gegangen. Hab gelesen, statt vor dem PC oder der Glotze zu sitzen. Das erste Mal seit weißnichtwielang das Klo sauber gemacht. Lockere Schranktüren wieder festgezogen. Fensterg geputzt. Am Anfang hat das noch nicht viel Wirkung nach außen gezeigt, genauer gesagt null. Im Gegenteil, ich bin sogar runtergeputzt worden für meine Leistungen. Aber innendrin hat sich was verändert. Ich hatte die Kontrolle wieder über die Teile meines Lebens, die ich eigentlich hätte kontrollieren können, die ich aber wegen der unkontrollierbaren Teile vernachlässigt bzw aufgegeben hatte. Nein, es ergibt keinen direkten Sinn, sich erstmal seine Sockenschublade vorzuknöpfen, wenn man 20.000 Euro Schulden im Genick sitzen hat, und keine reelle Chance, sie loszuwerden. Aber geholfen hat es trotzdem. Nein, es ergibt keinen direkten Sinn, eine Tüte Müll rauszutragen, wenn man dann Ungeziefer hat, das zum Vorschein kommt. Aber es ergibt einen, wenn irgendwann kein Müll mehr da ist, in dem sich das Ungeziefer wohl fühlt.


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18.07.2014 21:52
avatar  Shey
#8
Sh

Ich empfinde dich als äußerst gruselig und faszinierend... Wie kann es einen Menschen geben, der so ähnliche Gedanken schon hatte wie ich? Ich habe im realen Leben nie jemanden getroffen der so oder ähnlich denkt; ist das so selten oder ist das "typisch" für den Personenkreis, der durch das Forum angesprochen wird?

Du hast recht. Das ist mir schon beim tippen meines letzten Beitrags aufgefallen. Lösbare Probleme nicht zu lösen ist sicher keine Lösung.... Aber... Dieses doofe aber...

Die Ungeziefer; soll ich sie dann einfach ziehen lassen? Sicher wäre die Vermehrung dann verlangsamt... Aber ich komme auch nicht überall ran; ich fürchte unter meinem Schreibtisch ist eine ganze Brut... einmal Bewegt und ich kann garantiert nicht mehr hier sitzen... Die Tiere werde ich halt nicht los ohne einen guten Staubsauger; den ich nicht habe... Eine Naheliegende Lösung wäre die Anschaffung eines guten Staubsaugers.... Das Geld habe ich nicht, aber es wäre eine unbezahlte Rechnung wert, wenn ich es dadurch schaffen würde...

Nüchtern betrachtet würde ich höchstens 2-3 Tage brauchen um die Wohnung zumindest vom Müll zu befreien... Aber die Insekten würden dann rumkrabbeln und so... außerdem komme ich nicht unter den Schreibtisch oder unter die Couch... Der Teppich is hinüber... und und und...


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19.07.2014 01:06 (zuletzt bearbeitet: 19.07.2014 01:09)
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#9
Gast
( gelöscht )

Wie schon gesagt, ich habe mich selbst in weiten Teilen deiner Beschreibungen wieder erkannt. Ich kann nicht sagen, dass das typisch für Messies wäre (den typischen Messie gibts ja nicht mal), ich bin nämlich eigentlich auch gar keiner. Ich bin damals nur ein bisschen verwahrlost...na...sagen wir im Vergleich bloß versumpft..., hauptsächlich aufgrund der Depressionen, und negativer Zusatzfaktoren. Übertragen lässt sich trotzdem manches von dem, was ich damals gemacht habe, um mich da rauszuholen, weil eine gewisse Allgemeingültigkeit in der Vorgehensweise steckt. Wie eben die effektivste Herangehensweise an überwältigende, übermächtig wirkende Probleme.
Hergekommen bin ich eigentlich als Angehörige, aber ich habe auch durch das Forum gewisse Gemeinsamkeiten oder Parallelen entdeckt, die mich mit den Menschen hier teilweise verbinden - und dadurch letztlich auch wieder was über mich selbst gelernt (und tue es noch).

Sich nicht das große Gesamtproblem aufzubürden, sondern in kleinen Schritten voranzugehen, ist besonders hier keine neue Erkenntnis. Für manche ist es überhaupt die einzige Möglichkeit, jeden Tag ein bisschen was zu tun, auch wenn es so wenig ist, dass es in dem Tempo rein mathematisch gesehen nie enden wird - aber wichtig ist für sie, dass die Richtung stimmt, dass man nicht völlig stagniert, oder gar "rückfällig" wird, und wieder mehr rein- als rausträgt.


Dein Ungeziefer. Kommen wir darauf zurück.

Wo es keinen Unterschlupf und keine Nahrung findet, mag es nicht sein, und kann sich nicht vermehren. Manches davon wird von allein verschwinden, wenn du ihm Nahrung und Zuflucht entziehst.
Und da du dich momentan so an dem Staubsauger festklammerst, und ich das Gefühl habe, ich kann mit dir Klartext reden: Staubsaugen allein bringt nix, egal was für einen Bombenstaubsauger du dir auch kaufen würdest. Die Eier sitzen irgendwo in Ritzen und Rillen fest, wie geklebt, die saugst du nicht raus. Du kannst das Viehzeugs nur aushungern, vertreiben und vergiften.

Nüchtern betrachtet 2-3 Tage? Ohne deine Situation jetzt in irgendeiner Weise herunterspielen zu wollen, einfach nur, um dir die Relation zu verdeutlichen: Davon träumen hier viele. Da ist die Rede von Tonnen und Tonnen Müll, von ganzen Zimmern voller Säcke, und Gedanken, manche Türen einfach zuzumauern. Nicht selten mit extremem Druck im Nacken, weil ein Besichtigungstermin durch den Vermieter, oder ein Handwerkerbesuch ansteht.

Nüchtern betrachtet würde ich wie folgt vorgehen, wenn ich du wäre (bin ich nicht, ich versuche nur, das Unmögliche in Machbares zu zerlegen und somit bezahl- und auch ansonsten umsetzbare Lösungen anzubieten)
- Entsorge den Müll. 2-3 Tage. Dann hättest du das hinter dir.

- Verschiebe die beiden schweren Möbel, um das Ungeziefer von darunter zu entfernen (damit keiner einen Schreck bekommt, wenn er sie anhebt).

- Lass die Möbel durch z.B. Hab & Gut abholen und entsorgen. Das ist bezahlbar, gerade wenn man Hartz-IV bezieht.

- Wenn es absolut nicht geht, dass du die Möbel bewegst, dann lüg denen was vor. Sag, es ist die Wohnung deiner verstorbenen Oma, und die letzten paar Sachen sind zu schwer, um sie allein zu tragen. Wenn die das dann hochheben und darunter Viecher krabbeln, dann werden sie dich nicht verurteilen, sondern nur über deine erfundene Oma den Kopf schütteln.

- Reiß den Teppich raus und weg damit. Lieber auf nacktem Estrich, als auf ungezieferverseuchtem, kaputtem Teppich

- Sprüh die Bude mit einem kurzzeitig wirkenden Insektizid aus, gleich morgens früh, und dann geh raus und komm erst abends wieder. So sparst du dir die Organisation einer auswärtigen Übernachtung.

- Geh zur ARGE oder zur Caritas und beantrage Zuschüsse für Wohnungseinrichtung. Du hast ja dann im Prinzip gar nichts mehr. Also bekommst du auch was Neues. Und selbst wenn nicht, oder wenn du das nicht machen willst: Es gibt z.B. auf Facebook, quoka oder ebay regionale "Zu verschenken"-Angebote, oder für ganz kleines Geld. Dann kannst du entweder mit den Leuten verhandeln, ob sie dir das Möbelstück gegen ein kleines Entgelt vorbeibringen, oder du kannst auch hier wieder bei der Caritas oder anderen Freiwilligen-Organisationen anfragen, ob jemand dich ehrenamtlich dabei unterstützen würde, gebrauchte Möbel zu besorgen bzw zu transportieren und in deine Wohnung zu tragen. Solche Dienste gibt es, das ist überhaupt nichts Ungewöhnliches. Es gibt sogar Ehrenamtliche, die z.B. Waschmaschinen anschließen, Lampen anbringen oder kaputte Wasseranschlüsse reparieren, weil es immer mehr Menschen gibt, die sich keine Facharbeiter mehr dafür leisten können. Das ist also nicht das Problem, sondern momentan ist das Problem, dass du diese Leute nicht in die Wohnung lassen würdest. Und damit sind wir wieder beim Müll. Wenn er weg ist, kannst du auch wieder Leute reinlassen. Auch wenn es dann noch nicht wieder gemütlich ist, so ist es zumindest nicht mehr so unendlich peinlich.

Wenn es ohnehin keinen weltlichen Besitz gibt, an dem dein Herz hängt, wenn alles versifft, kaputt und ungeliebt ist, dann raus damit, komplett, mit allem. Und es werden sich Gelegenheiten auftun, ganz sicher. Es könnte z.B. jemand sehen, der dir dein neues, geschenktes Bett reinträgt, dass du keinen Teppich hast, und er weiß, dass bei seinem Kumpel noch eine große Rolle Teppich auf dem Dachboden liegt, und den könnte er ja mal fragen...und schon haste nen neuen Teppich...solche Dinge könnten passieren. Und sie werden so oder so ähnlich passieren.

Wenn es "nur" 2-3 Tage sind, die du für die Müllbeseitigung bräuchtest, dann könntest du schon in wenigen Wochen dein großes Ziel erreicht haben: In einer annehmbaren, sauberen, ungezieferfreien Wohnung zu leben, und ein richtiges Bett zum schlafen zu haben. Keiner der Menschen, die die Wohnung betreten müssten, um dir beim Erreichen dieses Ziels zu helfen, könnte zu dem Zeitpunkt, zu dem du sie dazu holst, auch nur ahnen, wie es dort bis vor kurzem ausgesehen hat, und kosten würde es dich auch fast nichts. Alles fängt damit an, die erste Tüte Müll zu nehmen und rauszutragen.


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19.07.2014 11:29
#10
po

Ich denke als Messie ist man schnell überfordert. Numi deine Tipps sind ja mehr als gut. Aber an seiner Stelle würde ich ca 3 Leute auftreiben die die ganze Wohnung professionell entrümpeln lassen. Alleine das zu machen, würde ich persönlich nicht empfehlen. Es gibt bei Ebay diverse Firmen die eine Messie Wohnung entrümpeln siehe Link : http://kleinanzeigen.ebay.de/anzeigen/s-entr%C3%BCmpelung-messie/k0 Dort kannst direkt anfragen wie viel sowas kosten würde, und ob die Chance besteht das ein grosser Teil oder alles bezahlt wird. Wenn dort anrufst schilderst deine Situation das du fast kein Geld hast und Hartz 4 hast. Wenn es eine sehr gute Entrümpelungsfirma ist können dir die wahrscheinlich auch Tipps geben z.b. ne Anlaufstelle. Oder versuchen in Raten zurückzuzahlen den Dienst.

Alles Gute
powertrain.


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