Ich kann oder will so nicht mehr - verwahrlostes leben - isoliert

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18.07.2014 00:12
avatar  Shey
#1
Sh

Hallo, ich weiß nicht ob ich als "Messie" durchgehe, aber ich lebe in einer vermüllten Wohnung. Seitdem die erste Mülltüte vor ca. 4 Jahren verpackt wurde, habe ich kaum etwas gebacken bekommen. Ich sammel nichts bis auf Müll. Anfangs war ich wohl einfach zu faul ihn rauszubringen und er hat sich angesammelt...

Ich habe mir unzählige Male vorgenommen alles aufzuräumen... Einige Male war ich sogar schon "ziemlich weit"... Aber es geht einfach nicht mehr. Ich habe ungeziefer und einen Staubsauger, der wohl nicht geeignet ist um auch nur den kleinsten Wurm wegzusaugen... Und das bei einem Verbrauch von 1800W. Das bedeutet leider für mich, dass jegliches Bewegen von Mülltüten oder Kartons eher eine Verschlimmerung meiner Wohnsituation darstellt; schließlich sind die meisten Viecher Lichtscheu.

Ich bin ca. 20 plus 1-4 Jahre. Ich war schon immer irgendwie ein Außenseiter und Sündenbock. Ich weiß nicht genau wieso, aber ich war immer außen vor und habe ärger für sachen bekommen, die ich niemals angestellt habe. Gleichzeitig wurde ich als komplettes Weichei erzogen, welches sich [b]unter keinen Umständen[/b] wehren darf... Bedeutet ich war immer in der Opferrolle und bei dem kleinsten Zeichen von Wiederstand habe ich von allen Seiten Ärger bekommen und auch meine alleinerziehende Mutter hat mir das ausgetrieben; niemals selbst handeln, immer hilfe bei Erwachsenen suchen... Ich wünsche keinem soeine Erziehung. - In einer perfekten Welt wäre das sicher annehmbar; in der Realität kommt dabei vielleicht der perfekte Opfer über Jahre raus welches sozial gesehen unter allen anderen Außenseitern steht... Darf sich halt niemals wehren.

Wie auch immer; ich halte mich für jemanden mit einer guten Beobachtungsgabe, da ich einfach schon immer meine Umgebung auf eventuelle Gefahren abgescannt habe und aus Fehlern von anderen lerne. Hätte ich nicht angefangen die Schule (im wichtigsten Jahr) zu schwänzen stände ich jetzt nicht nur mit einem erweiterten HSA da.

Ich wollte damit ausdrücken, dass ich mich schon immer irgendwie abgesondert gefühlt habe; obwohl das nach der Schulzeit nachlies. Ich habe lockere Begegnugen gehabt und war nicht in der Opferrolle. Aber ich habe mich dennoch zurückgezogen.

Ich glaube ich habe die Welt nie verstanden. Ich habe oft genug "Warum?" gefragt und keine befriedigende Antwort bekommen und hatte keine männliche Bezugsperson, die mir etwas zu sagen hatte. Also stand ich erstmal ohne "Sinn des Lebens", Freunde oder Träumen da... Kein Grund zu leben und kein akuter Grund (mehr) zum sterben.

So habe ich halt von Hartz 4 überlebt.

Tag ein tag aus an den Computer gesetzt und gespielt, gelesen und alles gemacht um abgelenkt zu sein. Die Wohnung ist währenddessen komplett vermüllt und es stinkt. Ich habe keine Waschmaschine und keinen Kühlschrank. Meine Küche kann ich nicht betreten, da sie vollgepackt mit Müll ist... Aber wieso auch, wenn dort nur ein verdreckter Herd steht ohne Arbeitsfläche, Kühlschrank und dergleichen? Ich schlafe seit Jahren auf einer aufklappbaren Matratze auf der Türschwelle zwischen Küche und Flur, nicht sehr bequem, aber wohl der sauberste Ort... Und woanders ist einfach kein Platz.

Ich hasse es.

Wirklich. Ich hasse mein jetziges Leben. Ich halte mich nicht für wertlos oder unfähig... Ich habe einfach keine Träume, Ziele und alle diese Sachen, die einen Menschen antreiben könnten... Ich halte mich für clever genug, dass ich jedes Ziel auf die eine oder andere Weise erreichen könnte; aber ich habe keine. Und meine Wohnung bekomme ich einfach nicht in Ordnung. Ich habe nicht die AUsrüstung, den Willen oder eine Kombination aus beidem... Ich weiß es nicht, es kotzt mich an... Und ich habe kein Geld das jemanden machen zu lassen, keine Freunde etc..

Vor etwas über einem Jahr habe ich mich in einer Phase von ca. 4 Monaten ungefähr 50 mal umbringen wollen. Nicht nur der Gedanke war da, ich habe es probiert; von erhängen auf die verschiedensten Arten im Vollrausch bis hin bekifft um 2 Uhr nachts auf eine 100 meter hohen Brücke übers Geländer geklettert.... Aber ich bin nach jedem mal wieder gesund aufgewacht oder hatte keinen ausschlaggebenden Grund es wirklich zu tun. Ich hasse nicht das Leben, sondern nur meine Lebenssituation.... Aber selbst in diesem Jahr habe ich wenig gebacken bekommen... Ich habe eine schulische Ausbildung angefangen, aber nach 6 Monaten abgebrochen, da ich immer das Gefühl hatte zu stinken (nur Handwäsche und der typische Wohnungsgeruch den ich nicht wahrnehme)... Außerdem war ich total unterfordert, ich weiß das ich es locker mit Bestnoten durchziehen hätte können... aber es scheiterte an der Wohnsituation... Also an meinem Willen... Ich wurde weder gemobbt noch geärgert, ich wurde gut behandelt und als ich Probleme mit der Anwesenheit bekam kamen ein paar "Schulkumpel" auf mich zu und haben versucht mich dazu zu bekommen regelmäßig da zu sein, da es spaß mit mir macht und ich gut bin, man mich mag und "ich anders bin und inspiriere".... Habe mich auch gefreut und so, aber es kam nie zu Aktivitäten außerhalb der Schule, denn ich konnte niemanden zu mir einladen und hatte auch so kein Geld oder weltlichen Besitz bis auf meinen Computer.

Ich ernähre mich von: 2 liter Milch (mit Kakaopulver) und 8 Toasts mit ca. 300gramm Schweinemett am Tag. Jeden Tag. Außer ich komme mal nicht raus oder es ist Sonntag. Ich bin groß und sehr dünn. Zunehmen scheitert an der wenigen Bewegung, Sonne und der Ernährung. Ich nehme auch ein paar Vitamintabletten, da ich ja eigentlich Gesund leben will, aber meine Wohnung lässt das nicht zu...

Ich habe den sozialpsychiatrischen Dienst angerufen um zu erfragen welche Hilfestellungen ein Messie bekommen könnte... Ich wurde für nächste Woche Mittwoch zum Gespräch eingeladen. Ich habe Angst, dass das alles wieder im Sand verläuft weil ich z.B. verschlafe oder irgendetwas anderes schief geht, ich nicht hilfebedürftig genug erscheine oder ich einfach als faul abgestempelt werde.... Vieleicht bin ich faul und das ist natürliche Selektion, aber .... ich hab keine Ahnung, ich will einfach in einer normalen Wohnung leben, kochen, den Müll rausbringen können ohne verschiedene Stufen der Evolution beobachten zu müssen.... Ich will jemanden mit nach Hause einladen können, lachen, reden, mit anderen zusammen schweigen oder sonstwas. Ich will mich nicht immer fragen müssen, ob ich stinke und es einfach nicht mehr mitbekomme...

Jeder Tag ist die Hölle... in den letzten Tagen wird der Leidensdruck immer heftiger, ich habe das Gefühl die Evolution in meiner Wohnung beschleunigt sich; vielleicht wegen dem Wetter.... Gestern lag eine Nuss auf dem Boden, im laufe des Tages haben Würmer sie fast komplett verspeist..... Das war ein krasser Anblick...

Ich bin schon so weit, dass ich Tagträume habe in denen ich keine Hilfe bekomme und einfach Straftaten begehe um ins Gefängnis zu kommen und dort vernünftig zu essen zu bekommen, auch wenns nicht schmecken sollte.... Ich würde viel trainieren und lernen müssen mich zu behaupten, vielleicht könnte ich studieren, oder ich werde vergewaltigt und abgestochen..... Aber ich hasse es so zu leben... Aber ich will auch niemanden weh tun.... naja...

Ich weiß nicht was ich hier erwarte, denn Mitleid oder Worte bringen mir garnichts. Vielleicht suche ich Vorschläge; Anlaufstellen oder Tipps... Ich weiß es nicht.

lG


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18.07.2014 05:35
#2
No

hallo shey, herzlich wilkommen!

deine worte klingen krass, aber sehr vertraut! ich möchte dir schon mal im voraus sagen, du kannst es schaffen!!!! mein weg hat auch über den psychiatrischen dienst angefangen, der weg wird zwar lang und schwer, aber es lohnt sich. die nächsten wege wären, dich um eine therapie zu kümmern. da bei dir auch suizid-gedanken eine rolle spielen, solltest du vielleicht auch über eine stationäre therapie nachdenken, aber kläre das am besten dann bei deinem termin. der erste schritt war es schonmal, dass du dich hier mitgeteilt hast, wir habe hier alle unterschiedliche geschichten. keiner verurteilt dich hier! der psychiatrische dienst wird dir sicherlich auch weiterhelfen können, wie es jetzt weitergeht. eine entrümpelung/räumung ist ja unausweichlich. da gibt es auch verschiedene möglichkeiten. hast du famile/bekannte/freunde die bescheid wissen?

KOPF HOCH!!! wir schaffen das!

liebe grüße

Man kann die Welt oder sich selbst ändern. Das Zweite ist schwieriger.“ - Mark Twain


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18.07.2014 15:29 (zuletzt bearbeitet: 18.07.2014 15:29)
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#3
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Hallo Shey,

herzlich willkommen hier im Forum. Du willst kein Mitleid. Okay. Du willst keine Worte? Das ist schwierig, da wir nunmal mit Worten kommunizieren, sonst wird das hier eine sehr einseitige Geschichte - die weniger nützlich für dich wäre, als sie sein könnte. Darum setze ich mich über deinen Wunsch hinweg und gebe dir meine Worte. Was ich dir auch noch anbieten kann, sind folgende Dinge: 1. Verständnis. 2. Logik. 3. Mehrere mögliche Antworten auf das "Warum", auf die du vielleicht noch nicht gekommen bist und 4. Zwei Ratschläge.

Mein Verständnis bekommst du aus folgendem Grund: Du bist ich - in 3 Stufen schlimmer. So, wie ich wohl wahrscheinlich geworden wäre, wenn ich mich nicht vor ca. 9 Jahren an den eigenen Haaren aus dieser Scheiße rausgezogen hätte. Du steckst in mancher Hinsicht viel tiefer drin als ich, ich hatte dafür andere Komplikationen - namentlich ein übler Lebensgefährte und ein - von mir abhängiger - Hund. Ich habe die gleichen Gedanken gehabt, mich durch Straftaten ins Gefängnis zu bringen, weils da vielleicht besser wäre. Ich hab sogar genau wie du hauptsächlich Toast gegessen, sehr gern mit Mett, aber meistens mit abgepackter Mortadella, weil billiger. Nein, ich bin nie extrem vermüllt (ein bisschen allerdings schon), aber auch ich habe mich in MMORPGs und anderen PC-Spielen verkrochen, weil da draußen nur 2 Dinge waren: Solche, die mich nicht interessierten, und solche, die für mich unerreichbar waren. Computerspiele haben mein Leben erträglich gemacht, haben mir das Gefühl gegeben, überhaupt irgendeine Art von Sinn, von Aufgabe, und auch von Sozialkontakten zu haben. Und nein, ich schwinge jetzt nicht die Moralkeule, von wegen, das sei alles eine Illusion.

Im Gegenteil, ich bin der Meinung, dass wir uns - bewusst oder unbewusst - holen, was wir brauchen. Wenn wir Gier nach Schokolade haben, wollen wir wahrscheinlich Theobromin und/oder Magnesium. Wenn wir uns in Computerspiele vertiefen, dann, weil sie uns Ziele, Aufgaben und einen Sinn anbieten, den wir im RL nicht finden können. Dir fehlen Ziele und Aufgaben und Träume im Leben, das hast du messerscharf analysiert - was jetzt nur noch fehlt, ist die Erkenntnis, dass du dir selbst welche setzen musst, um das Elend zu beenden.

Und damit sind wir beim zweiten Teil. Der Logik. Du bist intelligent, viel intelligenter, als man auf deinem Sozialstatus üblicherweise ist. Du passt dort nicht rein, weil du zu intelligent bist, und du passt "weiter oben" nicht rein, weil du zu arm - und verwahrlost - bist. Kenn ich. Verdammt gut sogar.
Deine Intelligenz befähigt dich dazu, deine Situation von vorn bis hinten und von hinten wieder nach vorn durchzudenken. Du hast herausgefunden, was bei dir alles schief gelaufen ist, du weißt, wie du tickst, wo deine Schwächen sind. Aber all deine Erkenntnisse nutzen dir nichts. Sie bringen dich der Lösung deiner gegenwärtigen Probleme kein Stück näher. Du hast vielleicht das Gefühl, wenn du nur intensiv genug nachdenkst, wenn du "des Pudels Kern" ausfindig machen kannst, dass irgendwie ein Knoten platzt, und du aufstehen und dein Leben wieder auf die Reihe bekommen kannst. Das wird nicht passieren. Erst recht nicht ohne fremde Hilfe.

Deine Erklärungen, warum dein Leben nicht so funktioniert, sind gespickt mit "Es geht nicht, weil...". Dir fehlt Ausrüstung, dir fehlt Motivation, dir fehlen Erfolgserlebnisse. Dein Gehirn will dich vor neuerlichen Fehlschlägen beschützen, dazu hast du dich im Lauf der Zeit selbst erzogen. Dein innerer Schweinehund, den du nicht überwinden kannst, ist eigentlich dein Beschützer. Er sagt dir: Lass es bleiben, es bringt sowieso nichts. Eine Tüte Müll raustragen macht keinen Unterschied, es ist nur anstrengend, es ist unangenehm, es ist peinlich. Bleib hier drin, igel dich ein, tu es dir nicht an, die Kosten-Nutzen-Rechnung geht nicht auf. Du denkst alles durch, bis du an den Punkt kommst, an dem die Strategie zum Scheitern verurteilt ist, und deshalb fängst du erst gar nicht an, sie umzusetzen. Rein logisch betrachtet hast du keine Chance.

Ich biete dir eine andere logische Betrachtungsweise an: Du könntest krank sein, und die Krankheit macht, dass du so denkst. Es könnten Depressionen sein. Oder Burnout. Boreout. Borderline. Autismus oder Asperger-Autismus (Oops-wrong-planet-Syndrom), AD(H)S. Es könnte Mangelernährung und/oder fehlendes Sonnenlicht sein (Vitamin D), das bei dir einen depressiven Zustand ausgelöst hat. Es könnte sogar Glutenunverträglichkeit sein, denn im Darm wird sehr viel Serotonin gebildet, und wenn du hauptsächlich stark glutenhaltiges Toast isst und nicht wirklich verträgst, kann das die Serotoninbildung erschweren. Es könnte eine Kombination aus mehreren dieser Faktoren, die einander unglücklich begünstigen. Es könnte auch etwas ganz anderes sein.

Rein logisch betrachtet kann eine Krankheit dazu führen, dass du so denkst, wie du gerade denkst. Kann dazu führen, dass du über Selbstmord oder Straftaten nachdenkst, nur um dein Leben zu ändern. Kann dazu führen, dass du nicht schlafen kannst, dass du in negativen Gedankenstrudeln festhängst, die dich immer weiter nach unten ziehen.
Für mich war damals die Erkenntnis, dass ich Depressionen habe, wie eine Erlösung. Eine Erklärung für alles, eine Antwort auf "Warum passiert mir das immer wieder, warum ist mein Leben so beschissen?"
Auch ich wollte eigentlich leben, nur eben nicht SO. Zu erkennen, dass es nicht um Schuld geht (Wer hat Schuld, wenn du dir ein Bein brichst, oder dir eine Grippe einfängst? Und noch wichtiger: Wen interessiert das in dem Moment?), und Gedankenstrudel im Keim mit "Es ist so, weil ich krank bin" ersticken zu können, war sehr hilfreich für mich.


Und damit sind wir bei meinen Ratschlägen angelangt (ich muss immer daran denken, dass mir jemand hier gesagt hat, auch Ratschläge können Schläge sein, ich hoffe, du empfindest das nicht so)
1. Bitte geht zum Arzt. Zum Neurologen. Oder wenigstens erstmal zum Hausarzt.
2. Setze dir Ziele. Kleine, wirklich erreichbare Ziele. Programmiere dich Schritt für Schritt (wieder) dazu um, dass du Erfolge erleben kannst, auch wenn sie noch so klein sind, wenigstens sind es überhaupt welche. Fang doch vielleicht damit an, wieder ein richtiges Bett haben zu wollen, in dem du schlafen kannst.


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18.07.2014 16:11 (zuletzt bearbeitet: 18.07.2014 16:13)
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#4
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Hallo und danke für die Antworten.

Worte sind erwünscht, eventuell habe ich mich missverständlich ausgedrückt; es ist nur so, dass ich in den letzten Jahren sehr(!) viel nachgedacht habe und subjektiv fast alle möglichen Gedanken hatte... Deswegen ist "Input von außen" erwünscht und fast schon erfleht.

Numi.... ich habe ebend deinen Beitrag gelesen und... es ist erschreckend! Egal auf welche Art ich sonst kommuniziert habe; habe ich nie das Gefühl gehabt auch nur Ansatzweise verstanden worden zu sein.

Ich bin mit sicher, dass ich depressiv bin, jedoch lässt sich die Ursache nicht beheben. Ich muss "nur" damit leben lernen, quasi eine andere herangehensweise erarbeiten... Denn mein "erstes Problem, dem alle anderen Probleme gefolgt sind" ist unlösbar.

Computerspiele machen mir schon lange kaum noch spaß... Ich will einfach mehr.

Ich weiß nicht, ob ich wirklich so intelligent bin. Jeder müsste sich doch für intelligent halten. Wenn man etwas nicht versteht schaut man wohl eher darauf hinab als hinauf.

Ich habe mich in den letzten Jahren in der Tat bis aufs kleinste analysiert; immer und immer wieder - ohne ein eindeutiges Ergebnis. Ich habe quasi immer darauf gewartet etwas zu verstehen was anscheinend alle anderen Menschen verstehen... Ich habe mit 17 gehofft, dass mir eine kleine Fee "das Geheimnis" zuflüstert, sobald ich 18 werde. Genauso zwischen 20 und 21. Schwer zu beschreiben... Als ob ich einen Witz nicht verstehe. Ich muss quasi alles immer durchdenken. Wenn ich ein Gespräch vorhabe, habe ich sicher bereits 20 Verläufe durchgespielt und jedes lief unbefriedigend, da ich logischerweise nicht wissen kann wie der andere reagiert.

Wie setzt man sich ein Ziel? Welches Ziel ist es wert, dass man seine Zeit investiert? Der zugeordnete Wert ist immer subjektiv, also müsste ich doch wissen, was es wert ist ein Ziel für mich zu sein, oder? Warum weiß ich es dann nicht? Wenn ich eine Entscheidung treffe ist diese immer(!) mit Zweifel behaftet und es scheitert an meiner Wohnung.

Zu 1:
"Ich bin depressiv." Kommt mir auch nicht richtig vor. Ich habe das Gefühl, dass ich dann nicht ernst genommen werde vom Arzt... Und wenn ich alles erzähle komme ich wohl eher in eine Einrichtung die mir alle eventuellen Sachen, die ich "nach bewältigung meiner Probleme" verbaut.

Zu 2:
Wohnung aufzuräumen ist unmöglich. Durchs anfangen wird es noch schlimmer und ich habe keine Möglichkeit etwas gegen die Insekten zu tun. Ich will sie nicht sehen, wenn ich eh nichts machen kann... Ich habe das Gefühl sie suchen sich dann nur einen neuen Unterschlupf; vielleicht sogar meine Matratze!?

Wenn ich mir meinen Text selber durchlese kommt es mir so vor, als sind das alles nur ausreden. Aber ich weiß wirklich nicht wie ich das schaffen könnte ohne die nötige Ausrüstung.... Und selbst dann habe ich das Gefühl, dass ich es immer ein Stück aufschieben würde, da sich mir der Magen fast umdreht wenn ich mehr als 5 Insekten auf einmal sehe...

liebe Grüße

Edit: Familie habe ich nur meine Mutter. Aber ich stehe ihr nicht nahe und will auch nicht, dass sie den Ausmaß meiner Verwahrlosung kennt.


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18.07.2014 17:46 (zuletzt bearbeitet: 18.07.2014 17:50)
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Ich wundere mich über deine Sicherheit, depressiv zu sein, obwohl es nicht diagnostiziert wurde, und die Gewissheit, mit der du sagst, es sei nicht therapierbar. Darf ich fragen, wie du darauf kommst?

Selbst wenn du es mir nicht sagen möchtest: Die anderen Faktoren, die ich als Möglichkeiten erwähnt habe, könnten den nicht therapierbaren Aspekt deiner Depressionen verstärken oder ungünstig beeinflussen. Will heißen: Frisches Obst und Gemüse und Sonnenlicht werden dir ganz sicher besser tun als Toast mit Mett und Einigeln. Und selbst wenn es nicht viel hilft, es kann jedenfalls auch nicht schaden. Nimm dir doch zum Beispiel vor, dir morgen oder wann du das nächste Mal einkaufen gehst, z.B. eine Schale Weintrauben dazu mitzunehmen, und diese auch zu essen. Das ist ein kleines Ziel. Da du es anscheinend schaffst, regelmäßig einzukaufen (Toastbrot und Mett wachsen ja nicht auf der Fußmatte vor der Wohnungstür), musst du dir schonmal nicht zuerst das Ziel setzen, einkaufen zu gehen. Oder auch nur aus dem Bett aufzustehen. Sich ein paar Trauben zu kaufen und sie zu essen ist also ein kleines Ziel, und es ist erreichbar. Es kann nicht groß verkopft werden, es gibt nicht viele Faktoren, die dich daran hindern können. Du brauchst keine Ausrüstung dafür, oder Freunde oder sonst irgendwas. Du musst nur, wenn du im Supermarkt stehst, nach der Schale mit den Trauben greifen und sie mitnehmen.

"Wohnung aufräumen" ist hingegen ein großes Ziel. Ein riesiges Ziel. So, in der gegenwärtigen Form ist es nicht lösbar. Hier greift mal wieder unser schönes Bild von den großen und den kleinen Steinen. Wenn deine Probleme Steine wären, große und kleine Probleme, große und kleine Steine, und sie liegen alle auf einem Haufen, die kleinen Steine überhäufen die großen Steine, und die großen Steine lassen sich nicht bewegen, weil sie erstens so groß und so schwer sind, dass es schon ohne die vielen kleinen Steine kaum zu schaffen wäre, aber zusammen mit den kleinen Steinen ist es völlig unmöglich. Deshalb fängt man mit den kleinen Steinen an. Ganz langsam, einen nach dem anderen, was man eben allein so schaffen kann. Dinge, die kontrollierbar sind, die lösbar sind. Nicht nach Priorität sortieren, sondern allein nach Machbarkeit, nach Schaffbarkeit. Ein abgeschickter Brief ist ein gelöstes Problem. Ein Telefonat. Eine Tüte Müll. Ein weggeworfener alter Toaster. Ein Stapel verschenkte Bücher. Ein frisch bezogenes Bett, ein geputztes Klo, das Leergut weg, den Papierstapel säuberlich schichten, oder das Altpapier schon mal aussortieren. Alle zusammen = grauenhaft. Unlösbar. Jedes einzelne für sich: Machbar.
Man wird dann besser darin, seine Probleme zu lösen. Und je mehr Probleme gelöst sind, desto deutlicher steht einem vor Augen, was überhaupt noch an Problemen übrig ist, und welches exakte Ausmaß sie haben. Und dann findet man auf einmal - als geübter Problemlöser - plötzlich neue Blickwinkel, neue Ansätze, wie man diese Probleme beseitigen kann. Die man vorher nicht sehen konnte, weil alles von den anderen Problemen (Steinen) überlagert war.
Manchmal tun sich auf dem Weg dorthin auch Gelegenheiten auf, mit denen man nicht gerechnet hätte. Vielleicht waren sie schon immer da, aber erst jetzt, wo man sich im Problemlösen geübt hat, ist man wach genug dafür, um diese Gelegenheiten zu erkennen, und mutig genug, sie zu nutzen. Mir ist das genau so passiert. Es waren Faktoren, die ich in meinen negativen Gedankenstrudeln nicht berücksichtigen konnte. Glück. Freundlichkeit, die mir unverhofft zuteil wurde. Gelegenheiten, die sich plötzlich aufgetan haben, und die ich auf einmal "einfach so" ergreifen konnte, ohne sie schon im Vorfeld zu Tode zu verkopfen.

Du sagst, du liest es dir durch, und es kommt dir selbst vor wie Ausreden. Das ist gut. Man kann teilweise allein durch die neuen (logischen) Aspekte beim "Durchdenken" (= den Gedankenstrudeln) eine gewisse Distanz zu dem Problem aufbauen, und sich selbst kritisch zu betrachten und zu sagen: "Du hörst dich total negativ an, du willst doch irgendwie gar nicht, dass es funktioniert" ist ein wichtiger erster Schritt, sich aus dem Gedankenstrudel zu befreien, und in die Aktivität überzugehen. Es ist dabei gar nicht so wichtig, was du machst, nur, dass du überhaupt etwas machst - und dass das Ziel, das du dir dabei setzt 1. erreichbar ist und 2. für dein Wohlbefinden förderlich ist (nach allgemeiner Definition förderlich). Der Effekt kann ein kaskadierender sein. Dein Gehirn und dein Körper spüren, wie gut dir die kleinste positive Veränderung tut, und gieren möglicherweise sofort nach mehr. Dann musst du dich nicht überwinden, etwas zu tun, sondern du bist auf einmal ganz scharf darauf. Klingt komisch, kann aber wirklich gut sein. Gerade, wenn man so lange nach einer Lösung, einem Ausweg (der kleinen Zauberfee) gesucht hat, und plötzlich am ganzen Körper spürt, dass der Schlüssel dafür in einem selbst ruht, und es schon immer getan hat.


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