Haben wir verlernt zu leben ?

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17.04.2025 18:24 (zuletzt bearbeitet: 17.04.2025 18:25)
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#41
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Hallo @Minimalist2025 ,

Zitat von Minimalist2025 im Beitrag #1
Wenn morgen Euer leben zuende wäre , wir würdet ihr zurückblickend euer Leben sehen ?
Ich habe jeden Tag ersucht aufzuräumen, mein Chaos in Griff zu kriegen und bin daran teilweise verzweifelt ?


Definitiv nicht. Und ich denke, dass es deine *Vorstellung* ist, dass Messies so leben. Hat dein Mann es so gemacht?

Hier sind wir jedenfalls recht verschieden und es gibt keine Vorschrift, verzweifelt zu sein oder jeden Tag rumzuräumen. Bei mir ist es so, dass ich nun bis Ende voriger Woche mindestens einen Monat lang nicht mehr als eine Stunde Hausarbeit die Woche gemacht habe. Das reicht bekanntlich nicht...

Ich fühle mich teilweise ein wenig unter Druck gesetzt von neuen Leuten, die mit der Erwartung kommen, dass sie selbst ihre Buden ruckizucki in Ordnung bringen können und dass ich meine gefälligst auch ruckizucki in Ordnung bringen soll - sonst ist Mama tiiief enttäuscht von mir!

Ich mochte wie @Scherbe schon immer alten Krempel, und nach meinem Umzug nach Berlin war jahrelang mein liebstes Hobby, Flohmärkte zu durchstöbern, und ich kam immer erschöpft, aber glücklich, von meinen Shopping-Touren zurück - und schwer bepackt mit wunderbaren Dingen! Das war ungefähr so, als ob jedes Wochenende Weihnachten war. Zum Glück bin ich aber nicht jedes Wochenende hingegangen, weil das Leben hat ja auch noch viele andere wunderbare Seiten...

Einen Mann, an dessen Seite ich das Gefühl hatte, dass ich gar nicht mein Leben lebe, sondern seins, hatte ich auch mal. Ich kenne das Gefühl. Ich habe mich von ihm getrennt, als ich 23 war. Jetzt bin ich 60.

Unordentlich war ich auch schon als Kind. Hausaufgaben vergessen, zerdrückten Apfel im Ranzen, Mappe 6, Schrift 5, Mathe und Aufsatz 1 (so etwa das Bild). Und ewig hieß es: "Räum endlich dein Zimmer auf!" - Damals hat sich schon die Vorstellung entwickelt, dass das eine Sache ist, die sich endlos hinzieht, wenn man mal anfängt...

Dann gab es viele Jahre, in denen ich gegen mein "natürliches Chaos" gekämpft habe, weil ich ja ein Kind hatte usw., immer mit schlechtem Gewissen und dem Gefühl, alles nicht gut genug im Griff zu haben.

Dann kamen die "Pippi-Langstrumpf-Jahre" - alles wollte gelebt werden, auch mein Chaos! Auch die Weigerung, weiterhin zu funktionieren und zu kämpfen, nur um immer "nicht gut genug" zu sein. Das schlimmste Chaos ist in dieser Phase entstanden, aber sie war notwendig.

Nun möchte ein anderer Teil gelebt werden: Die Fähigkeit zu erlernen, meinen Haushalt in Ordnung zu halten. Wenn ich nicht grade mit anderen Dingen beschäftigt bin, bin ich ganz fröhlich dabei und lasse mir auch von niemandem aufschwätzen, ich sei depressiv, nur weil diese Leute sich nicht vorstellen können, dass eine unordentliche Person glücklich sein kann. Oder sein *darf*. Ich habe nämlich bei einigen Leuten das Gefühl, dass sie sich selbst gar nicht glücklich sein lassen könnten, weil sie ja ihr Chaos nur mit ihrem Unglücklichsein rechtfertigen können, und nach ihrer Vorstellung Spaß am Leben dazu führt, dass man umgehend ein ordentlicher Mensch wird.

Ich meine, dass das Quatsch ist. Natürlich kann es einen fürchterlich unglücklich machen, wenn man versucht, sein Chaos in den Griff zu kriegen und das einfach nicht schafft. Aber man kann es auch wie andere Dinge im Leben sehen, um die man sich bemüht, ohne je "den ganz großen Durchbruch" zu schaffen. Menschen machen z.B. Musik und sind dabei nicht ständig unglücklich darüber, keine Superstars zu sein. Menschen gehen sogar jede Woche 40 Stunden arbeiten, ohne darüber zu verzweifeln, dass sie das tun müssen und man es nicht nach drei Monaten hinter sich hat!

Ich möchte schon auch gern mal fertig werden, aber ich hab keine Lust auf "Entweder der Kram ist in 3 Monaten verschwunden oder die Welt geht unter!"-Ultimaten. Wer das für sich so sieht, darf das natürlich. Wir dürfen hier nämlich ganz unterschiedliche Ziele haben. Z.B. gibt es durchaus Messies, die ihren Kram gar nicht loswerden wollen - und das ist genauso okay. Ich sehe es aber mit ein bisschen Skepsis, wenn Leute so denken, dass sie erst ihren Kram loswerden müssen, bevor sie leben können, und dass es deshalb ganz schnell gehen muss. Weil genau diese Leute immer ganz schnell wieder verschwunden waren, und zwar ohne bis dahin ihren Kram los zu sein.


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17.04.2025 19:45
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Zitat von Robin im Beitrag #41
Ich sehe es aber mit ein bisschen Skepsis, wenn Leute so denken, dass sie erst ihren Kram loswerden müssen, bevor sie leben können, und dass es deshalb ganz schnell gehen muss. Weil genau diese Leute immer ganz schnell wieder verschwunden waren, und zwar ohne bis dahin ihren Kram los zu sein.


Also das sehe ich etwas differenzierter. Ja, ich denke so, dass ich erst richtig leben kann, wenn ich den Kram weg habe. Ich habe mir den Kram auch nicht ausgesucht, sondern habe ihn geerbt. Von daher ist es völlig verständlich, wenn man diesen Kram dann auch zeitnah loswerden will. Ich habe nämlich keinen Bock, noch jahrelang auf der Autobahn zu pendeln und wertvolle Zeit zu verschwenden.
Das Einzige, was man mir vorwerfen kann, ist dass ich eine lahme Ente bin, keine Energie habe, noch viel Trauer in mir trage und ich deshalb nicht ganz so schnell vorankomme.
Ich bin hier auch nicht verschwunden, sondern mache so gut wie möglich kontinuierlich weiter .


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17.04.2025 19:58
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Das ist doch auch völlig in Ordnung, @Lynda ! Es ging mir hier doch um *überhaupt keine* Vorwürfe und dass sich niemand direkt oder indirekt gedrängelt fühlen soll. Und ich habe mich von dir *nie* gedrängelt gefühlt!

So habe ich es gemeint: Leute kommen, sind von *den anderen* im Forum enttäuscht, weil sie ein schnelleres Tempo wünschen und anscheinend glauben, dass wir hier alle im selben Tempo zum selben Ziel voranschreiten müssten. Und da fragen sie sich und uns dann: Wie sollt ihr mich denn ziehen? Ihr seid ja selber lahme Enten!

Und ich meine, das mindeste, was wir ja wohl haben, ist das Recht, in unserem privaten Bereich in unserem eigenen Tempo zu unserem eigenen Ziel zu gehen. Und natürlich darf man damit zufrieden oder unzufrieden sein. Aber Zufriedenheit ist immer angenehmer.


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17.04.2025 20:05
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Hallo @Robin, nein, da hast Du dann etwas falsch verstanden, ich habe das nicht als Vorwurf oder Drängelei angesehen. Und ja, wahrscheinlich habe ich Dich auch nicht richtig verstanden .

Was ich nur damit sagen wollte, dass es manchmal schon Gründe gibt, wenn man schnell vorankommen will. Und ich fühle mich leider wirklich so, dass ich erst richtig mein Leben leben kann, wenn ich dieses Haus "bewältigt" habe .


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17.04.2025 20:21
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@Lynda

Ist nicht so, dass ich mich nie nicht gestresst fühlen würde und es nicht gelegentlich gern hinter mir hätte. Aber ich weiß, dass der Preis dafür wäre, ein sehr hohes Arbeitstempo längere Zeit durchzuhalten. Und das jede Menge Stunden in der Woche neben dem Beruf. Und da weiß ich, dass ich mir "Leben" dann abschminken kann, bis ich fertig bin (es sei denn, man definiert es als Leben, nur noch zwischen Erwerbsarbeit und Hausarbeit zu pendeln). Und wer weiß, wie lange das dann dauert? Da mache ich "Leben" lieber gleich jetzt. Schließlich weiß man ja eh nicht, wie lange es noch geht.


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