Und noch ein Messie

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07.02.2015 10:11
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#6
Gast
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"Vielleicht, dass ich mich an bestimmte "Regeln" halte, von denen ich weiß, dass sie besser für mich sind als immer nur das zu tun, worauf ich gerade Lust habe. Also zB NICHT drei Stunden am PC verbringen obwohl ich eigentlich spazeren gehen wollte. Denn am PC sitzen macht zwar für diesen Moment Spaß, aber danach mache ich mir dann nur Vorwürfe."

Ich darf mich mal selbst zitieren - aus dem Thread von Friedensfinder, die ein sehr ähnliches Problem beschrieb. Sie hat das Prinzip dann getestet und nach 5 Tagen ein sehr positives Feedback vermeldet. Auch bei Franca hat das gezielte Anwenden von Belohnungen nach kurzer Zeit Erfolge dabei gebracht, dem Drang zu widerstehen, noch mehr kostenlose Magazine mit nach Hause zu nehmen.

"Du kannst dein Belohnungszentrum nicht außen vor lassen. Dafür ist es viel zu mächtig - es zu unterdrücken kostet dich auch viel zu viel Energie. Es muss mit an Bord, dann stellt es dir sogar Energie zur Verfügung. Es setzt bildlich gesprochen alle Hebel in Bewegung (und damit DICH in Bewegung), damit es an seine Belohnung kommt.

Die Frage ist also, wie arbeitet man MIT dem Belohnungszentrum, statt dagegen?

Überlege dir, ob es in deinem Alltag schon Dinge gibt, die eigentlich Belohnungen sind, die du dir aber "unrechtmäßig" gönnst, ohne vorher eine angemessene Leistung erbracht zu haben. Egal, ob du zum Beispiel gern zwischendurch Youtube-Videos guckst, oder dir viele Kaffee- oder Zigarettenpausen gönnst, ob du nur schnell mal ein paar Runden Solitär spielen willst, und auf einmal ist schon wieder eine Stunde verflogen, ob du dir Süßigkeiten gönnst, oder gemütlich die Zeitung zu lesen, ein Kreuzworträtsel zu machen, mit Freunden ausgehen, ob du viel zu viel Zeit vor der Glotze vertrödelst, oder mit einer Freundin telefonierst, obwohl du eigentlich vorhattest, einkaufen zu gehen...oder was auch immer DU lieber tust, als eine Leistung zu erbringen, die du dir eigentlich zu erfüllen fest vorgenommen hattest. Es geht nicht um Schuld, und nicht um Gründe. Schuld interessiert keinen, und die Gründe sind immer dieselben: Du bist bestrebt Energie zu sparen. Sitzen bleiben und in der Nase bohren ist auf jeden Fall immer energieeffizienter als aufstehen und Schuhe putzen. Is halt so, diese "Grundeinstellung" lässt sich nicht ändern.

Hoch wirksam als Belohnung einsetzbar sind all die Situationen, in denen du eigentlich schon relativ bewusst dein schlechtes Gewissen wahrnimmst. Wo du dir sagst: "Ich weiß ja, eigentlich müsste ich noch XY tun, aber..." Wo du dich dann selbst dazu überredest, doch lieber zu der Belohnung zu greifen, obwohl du schon irgendwie spürst, dass sie dir gerade eigentlich nicht zusteht. Wo du dich auch gezielt damit vertröstest, indem du dir hoch und heilig versprichst, dass du die Arbeit gleich nach dem Ende dieser Aktivität beginnen wirst.
"Komm...die halbe Stunde...die fünf Euro...es ist schließlich Samstagabend, und man lebt nur einmal...nur der eine kleine Schokoriegel...nur bis die Sendung zuende ist..."

Das Blöde daran ist, dass das Belohnungszentrum einem innerlich nen Vogel zeigt, wenn man eine schöne, angenehme Tätigkeit einzustellen gedenkt, nur um eine unangenehme, belastende und anstrengende Tätigkeit in Angriff zu nehmen. Deshalb sucht es nach Möglichkeiten (=Ausreden), mit denen man sich dazu bringen kann, nur noch ein paar Minütchen länger bei der schönen Tätigkeit zu verweilen. Und plötzlich ist man in Zeitnot - oder schlimmer, hat die Zeit "ganz vergessen", würde zu spät zum Termin kommen...und dann greift man vielleicht sogar zum Telefon und erzählt was von akutem Durchfall - um sich direkt nach dem Einhängen des Hörers glücklich und zufrieden wieder der "Belohnungsaktivität" zuzuwenden. Endlich ungestört von dem lästigen Mist, wegen dem man das sonst hätte unterbrechen müssen. Das Belohnungszentrum lernt dabei folgendes: Es wird verdammt GUT darin, Ausreden zu erfinden. Denn Ausreden führen es auf DIREKTEM Weg zur Belohnung.


Wenn dir manches davon bekannt vorkommt, dann kannst du jetzt etwas ganz einfaches tun:

Überlege dir genau diese Dinge, die du sowieso gern und dauernd tust, um dich abzulenken oder von Arbeiten abzuhalten. Und dann nimmst du die, und drehst den Ablauf einfach nur um. Aber ganz gezielt und bewusst.

ERST die Leistung, DANN die Belohnung.

"Wenn ich die Waschmaschine angestellt (oder leer geräumt) habe, gönne ich mir zur Belohnung fünfzehn Minuten Candy Crush!"

Und dann halte dich daran. Fünfzehn Minuten. Nicht länger. Du willst mehr? Dann stelle dir eine neue Aufgabe. "Wenn ich das Geschirr gespült habe, gönne ich mir noch mal eine halbe Stunde Candy Crush!"

Du kannst dir mit Belohnungen auch ein Zeitlimit setzen, um eine sehr langfristige Tätigkeit in beherrschbare Etappen zu zerlegen, damit du "ein Ende finden" kannst:

"Ich sortiere jetzt Wäsche aus, bis Tatort anfängt. Und dann gucke ich Tatort, auch wenn ich noch nicht fertig bin."
Oder
"Ich miste heute bis Punkt 19:00 mein Zimmer aus, aber dann ist Feierabend für heute!"

oder auch als "Wettlauf":
"Ich beziehe jetzt mein Bett frisch. Ich habe noch eine halbe Stunde, bis Tatort anfängt, das ist mehr als genug Zeit. Aber nur wenn ich es rechtzeitig geschafft habe, schalte ich den TV ein."
"Schaffe ich es, in den drei Minuten bis die Mikrowelle piepst, das gesamte Besteck abzuspülen? Wenn ja, gönne ich mir als Nachtisch nen Joghurt, wenn nicht, dann gibts keinen."

Und schlussendlich darf es auch eine große Belohnung für eine große Leistung sein. Die du dir wiederum in Etappen zerlegen kannst. Vor kurzem hat hier jemand die geniale Idee mit dem Marmeladenglas gepostet. Man gönnt sich für erledigte Arbeiten Glassteine, die man in ein Marmeladenglas abzählt. So kann man sehen, wie man sich dem Ziel, das Glas vollzubekommen, immer weiter nähert. Ist das Glas voll, gönnt man sich eine große Belohnung. Du kannst dir als großes Ziel vornehmen, deine Besitztümer auf ein Normalmaß zu reduzieren - und dir dafür in Aussicht stellen, dass du dann mit hundert Euro in den Dekoladen gehst. Die schönen Dinge, die du jetzt "mit Bedauern, aber Vernunft" entscheidest, nicht zu kaufen, können genau die Motivation sein, in deinem Zimmer bei der Stange zu bleiben. Die Traum-Vase, das Traum-Bild oder der fantastische Spiegel...entscheide, dich genau damit zu belohnen, nachdem du es geschafft hast, den Raum in Ordnung zu bringen. Und als "Zwischenerfolge" könntest du zum Beispiel auch immer ein bisschen Geld in eine Spardose tun, um dir selbst zu zeigen, dass du es ernst meinst mit der Anschaffung.

Das motiviert nicht nur, überhaupt zu arbeiten, sondern auch ZÜGIG zu arbeiten - weil man sich auf die Belohnung freut. Weil man sie sich nicht entgehen lassen will. Weil man sie HABEN will.
Und du erkennst bestimmt, dass es superwichtig ist, zumindest für die harte Anfangsphase der Umgewöhnung, sehr, sehr streng mit sich zu sein, und sich JEGLICHE Belohnungen wirklich nur dann zu erlauben, wenn man vorher eine Leistung erbracht hat. Also kein TV, kein PC, kein Buch, keine Kaffeepause, ohne vorher was geschafft zu haben.

Gehirne sind coole Viecher, die lernen unheimlich schnell, sich an solche Veränderungen anzupassen. Es kann sein, dass sich schon nach wenigen Tagen eine deutliche Veränderung für dich einstellt. Frag mal Franca, (oder lies ihre Geschichte hier im Forum), die hat genau das gerade erlebt.

Für MICH ist es die erste Belohnung des Tages, mir erst dann etwas zu trinken zu gönnen, kurz bevor ich aus dem Haus gehe. Durst ist eine ungeheure Antriebskraft. Durst zwingt mich nicht nur, irgendwie zu funktionieren, sondern mich so sehr zu beeilen, wie ich kann, damit ich endlich etwas zu trinken bekomme. Ohne diese extreme Maßnahme würde ich trödeln ohne Ende. Und aus genau diesem Grund empfehle ich dir, deinen Gang in den Keller mit so etwas Extremem zu verknüpfen. Oder am besten mit den drei starken Motivatoren Hunger, Durst und Spaß.
Hunger und/oder Durst zwingen dich in den Keller, und als Belohnung wartet irgendeine Form von Spaß auf dich. Und ich wette, dein Wäsche-Wasch-Problem ist mit dem Trick in Kürze Geschichte."


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